OGH 1Ob122/20b

OGH1Ob122/20b22.7.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* AG, *, vertreten durch die Dr. Wilhelm Schlein Rechtsanwalt GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei Dr. W* GmbH & Co KG, *, vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 8. April 2020, GZ 38 R 276/19y‑23, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 30. August 2019, GZ 44 C 151/18k‑19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E129078

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Gegenstand der Revisionsausführungen ist die Frage, ob die Beklagte ein ihr von der Klägerin vermietetes Geschäftslokal durch Überlassung an einen Untermieter gegen eine im Vergleich zum Hauptmietzins unverhältnismäßig hohe Gegenleistung vermietet und daher den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG verwirklicht hat, was beide Vorinstanzen verneint haben.

2. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

3. Soweit die Klägerin ihre Revision auf eine Nichtigkeit des Berufungsverfahrens stützt, möchte sie damit offenbar eine mangelhafte Begründung des Berufungsurteils relevieren. Der damit angesprochene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Begründung wäre aber nur dann gegeben, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie nicht überprüfbar ist, wovon hier keine Rede sein kann.

4. In ihrer Rechtsrüge kritisiert die Revisionswerberin, dass das Berufungsgericht bei der Beurteilung, ob die Beklagte den ihr vermieteten Mietgegenstand durch Überlassung an den Untermieter gegen eine im Vergleich zum Hauptmietzins unverhältnismäßig hohe Gegenleistung vermietet hat, (behauptete) Investitionen des Untermieters in das Mietobjekt unberücksichtigt gelassen habe.

5. Bei der Beantwortung der Frage, ob eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung iSd § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG anzunehmen ist, sind der Entgeltzahlung des Untermieters die Summe des Hauptmietzinses sowie sämtlicher vom Hauptmieter dem Untermieter erbrachten vermögenswerten Leistungen gegenüberzustellen (RIS‑Justiz RS0068242). Maßgebend ist der Zeitpunkt der Aufkündigung (RS0070593; RS0106984). Ob der Mieter den Mietgegenstand (oder Teile davon) einem Dritten gegen eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung überlassen hat, ist jeweils aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen (RS0106983). Dass § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG nur die eigenen Leistungen des Mieters an den Dritten (Untermieter) ausdrücklich erwähnt, schließt die Einbeziehung von Aufwendungen des Untermieters auf den Bestandgegenstand bei der vom Gesetz angeordneten Verhältnismäßigkeitsprüfung nach dem Zweck dieser Bestimmung zwar nicht grundsätzlich aus, doch ist die Interessenlage bei Leistungen des Untermieters in der Regel anders, weil seine Aufwendungen dem Mieter vorläufig nicht zugute kommen und vor Vertragsbeendigung auch nicht gesagt werden kann, wie weit sie dann noch für den Mieter von Nutzen sein werden. Zudem steht dem Untermieter gegen den Mieter selbst ohne Vereinbarung ein Anspruch auf Ersatz des notwendigen und nützlichen Aufwands nach § 1097 ABGB zu; häufig können daher bei der Prüfung des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG die Aufwendungen des Untermieters auf das Bestandobjekt unberücksichtigt bleiben (RS0070541).

6. Das Berufungsgericht legte diese Grundsätze seiner Entscheidung zugrunde. Nach dessen Beurteilung handle es sich bei den von der Klägerin behaupteten Investitionen des Untermieters um solche, die dieser in das Untermietobjekt getätigt habe, um dieses in der Folge entsprechend seinen Vorstellungen bzw dem vereinbarten Geschäftszweck entsprechend nutzen zu können. Sie seien daher zunächst – während der Dauer des Untermietverhältnisses – ausschließlich dem Untermieter zugute gekommen. Da der Untermietvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden sei, stehe nicht fest, ob und inwieweit die Investitionen bei dessen Beendigung für die Beklagte noch von Nutzen sein würden. Sie seien daher bei der Ermittlung der Höhe der vom Untermieter erbrachten Leistungen nicht zu berücksichtigen.

7. Mit dieser Argumentation, die keinen Bedenken begegnet, setzt sich die Revisionswerberin nicht auseinander (vgl RS0043603 [T9]). Warum das Berufungsgericht von der Rechtsprechung abgewichen sein soll, wonach beim Vergleich von Leistung und Gegenleistung der Entgeltzahlung des Untermieters die Summe aus Hauptmietzins sowie sämtlichen vom Hauptmieter dem Untermieter erbrachten vermögenswerten Leistungen gegenüberzustellen sind (RS0068242), ist nicht ersichtlich.

8. Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung auch damit, dass die Klägerin in erster Instanz „eine ausreichende Konkretisierung und Bezifferung des angeblich nicht berücksichtigten Aufwands des Untermieters unterlassen und dessen konkrete rechnerische Auswirkung auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht dargelegt habe“. Dem hält die Revisionswerberin nur entgegen, sie habe in erster Instanz sowohl zu den von der Untermieterin getätigten Investitionen in Höhe von insgesamt zwölf Millionen ATS als auch zu einem der Untermieterin von der Beklagten geleisteten „Baukostenzuschuss“ in Höhe von vier Millionen ATS Vorbringen erstattet. Sie unterlässt aber auch in dritter Instanz eine ausreichende Konkretisierung jenes – sich nicht aus diesen Pauschalsummen ergebenden – Betrags, der als (Rest-)Nutzen der Beklagten aus den behaupteten Investitionen des Untermieters allenfalls „anzurechnen“ und dem Hauptmietzins gegenüberzustellen gewesen wäre (vgl 2 Ob 105/12y, wo für die Berücksichtigung von Investitionen des Hauptmieters „detaillierte Berechnungen“ gefordert wurden).

9. Der Klägerin ist im Übrigen entgegenzuhalten, dass auch bei Berücksichtigung von Investitionen des Untermieters von acht Millionen ATS (rund 581.000 EUR) aus eigenen Mitteln keine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung iSd § 30 Abs 2 Z 4 MRG anzunehmen wäre. Selbst wenn man diese Investitionssumme zur Gänze (obwohl sie für die Beklagte nicht in diesem Umfang von Nutzen gewesen wäre) auf eine zumindest bis zum Kündigungszeitpunkt angenommene Nutzungsdauer (sohin auf rund 20 Jahre) linear aufteilen würde, ergäbe sich ein dem Untermieter (als dessen Leistung) zuzurechnender monatlicher Betrag von rund 2.420 EUR. Rechnet man zu diesem Betrag den monatlichen Untermietzins von zuletzt 52.192 EUR hinzu und stellt die Summe (54.612 EUR) dem Hauptmietzins von 31.670 EUR gegenüber, würde der Untermietzins den Hauptmietzins um rund 72 % übersteigen, was noch innerhalb des von der Rechtsprechung tolerierten Aufschlags läge (vgl etwa 2 Ob 52/05v [78,45 %]).

10. Was die Revisionswerberin daraus ableiten will, dass auch ein dem Untermieter von der Beklagten geleisteter „Baukostenzuschuss“ von vier Millionen ATS (von dem die Klägerin behauptet, dass er von ihr finanziert und von der Beklagten nur an den Untermieter „weitergegeben“ worden sei) bei der Beurteilung des Untermietzinses als unverhältnismäßig hoch berücksichtigt werden hätte müssen, erschließt sich nicht. Mit dem Hauptmietzins vergütet die Beklagte der Klägerin ja sowohl die Überlassung des Bestandobjekts als auch den (zu dessen Adaptierung) gewährten Zuschuss. Gibt sie beides an die Untermieterin weiter, ändert sich an der Ausgangsbasis für die Prüfung einer allenfalls unverhältnismäßig hohen Gegenleistung nichts. Auf die in der Revision im Zusammenhang mit der angestrebten „Berücksichtigung“ des „Baukostenzuschusses“ aufgeworfenen Fragen – insbesondere auf die dazu behaupteten Feststellungsmängel sowie auf die Frage der Bewertung des „Zuschusses“ (offenbar gemeint: der damit finanzierten Investitionen in das Mietobjekt) und des dafür maßgeblichen Zeitpunkts – muss daher nicht weiter eingegangen werden.

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