European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E129077
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die 16‑jährige Tochter entstammt der geschiedenen Ehe ihres Vaters. Sie ist Spitzensportlerin und absolviert im Rahmen eines Ausbildungszentrums eine Lehrausbildung, die die Aufnahme in den Sportkader des Ausbildungszentrums voraussetzt. Sie schloss mit einer GmbH eine Ausbildungsvereinbarung über eine Lehre zum Konstrukteur ab September 2019 ab. Nach dieser Ausbildungsvereinbarung erfolgt die Unterbringung während der praktischen Ausbildung in einem Internat und ist aktuell zu 100 % gefördert. Tatsächlich ist die Tochter jedoch Tagesschülerin in diesem Internat, das (im selben Ort) rund 6 km von ihrer Wohnung entfernt liegt. Nach einer Bestätigung der Bildungszentrumsleitung ist „im Moment“ eine Internatsunterbringung „nicht zumutbar“, weil sie sich zu Hause einquartieren kann.
Strittig ist im Revisionsrekursverfahren allein die Frage, ob die Tochter die in der Ausbildungsvereinbarung vorgesehene Internatsunterbringung in Anspruch nehmen muss, wodurch der unterhaltspflichtige Vater infolge einer entsprechenden Bedürfnisbefriedigung durch Naturalleistungen (Kost, Quartier, Betreuung etc) zu einer Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung gelangen möchte.
Das Erstgericht setzte – wegen eines Eigeneinkommens der Tochter (Sponsorgeld und Ausbildungsentschädigung) – die Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab 1. 1. 2020 auf 226 EUR monatlich herab.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters, mit dem er eine Herabsetzung auf 50 EUR monatlich anstrebte, nicht Folge. Rechtlich führte es – soweit für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz – aus, die Tochter in einem 6 km vom Wohnort entfernten Internat unterzubringen, „reiße“ sie ohne Not aus ihrer gewohnten Umgebung und entspreche nicht ihrem Wohl. Es sei zweifelhaft, ob ein Vater in einer intakten Familie derart handeln würde. Zwar habe die Tochter nach der Ausbildungsvereinbarung einen vertraglichen Anspruch auf eine zu 100 % geförderte Unterbringung im Internat, allerdings sei von ihr nicht zu verlangen, diesen Anspruch im Rechtsweg durchzusetzen. Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil „die rechtliche Beurteilung einer Internatsunterbringung der Minderjährigen immerhin eine Frage der Einzelfallgerechtigkeit sein kann“.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Vater dagegen erhobene – von seiner Tochter beantwortete – Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts mangels Darlegung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig. Die Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).
1. Der Oberste Gerichtshof ist auch im Verfahren außer Streitsachen nicht Tatsacheninstanz (RIS‑Justiz RS0007236 [T2]), weshalb die im Revisionsrekurs des Vaters erörterten Fragen der Beweiswürdigung (zur Bestätigung der Bildungszentrumsleitung) nicht behandelt werden können (RS0007236 [T4]).
2. Unabhängig davon, ob sich der Vater bei Inanspruchnahme der zur Gänze geförderten Unterbringung seiner Tochter im Internat – wie von ihm begehrt – Naturalleistungen wie Kost, Quartier und Betreuung anrechnen lassen könnte, ist die Rechtsansicht des Rekursgerichts unbedenklich. Es argumentierte ohne Fehlbeurteilung, dass seine Tochter nicht allein aus Kosten der Ersparnis und ohne Not aus ihrer gewohnten Umgebung (sie wohnt bei der obsorgeberechtigten Mutter) herausgenommen werden soll, damit sie ihre Ausbildung ganztägig im Internat, das nur 6 km entfernt ist, absolviert. Die Unterbringung würde ihrem Wohl nicht entsprechen. Dass ein verständiger Vater in einer intakten Familie die Unterbringung im Internat befürworten würde, behauptet auch der Vater nicht.
Die Tochter befindet sich sowohl als Lehrling als auch als angehende Profisportlerin (Spitzensportlerin) im Hinblick auf die dafür notwendige Trainings‑ und Vorbereitungszeit in Ausbildung (4 Ob 263/98z). Da Selbsterhaltungsfähigkeit die eigene Fähigkeit zur angemessenen Bedürfnisdeckung bedeutet, tritt sie grundsätzlich erst nach Abschluss der Berufsausbildung ein, beispielsweise mit Lehrabschluss (Neuhauser in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 231 Rz 404; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht9 185; Limberg in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.06 § 231 Rz 64, jeweils mwN). Der Vater vermag nicht aufzuzeigen, dass die Situation seiner Tochter mit der eines Zivil‑ oder Präsenzdieners vergleichbar wäre. Dass Wehr‑(ersatz‑)dienstleistende in Durchschnittsfällen selbsterhaltungsfähig sind, weil Präsenzdiener durch das Bundesheer umfassend versorgt werden und Zivildiener einen Anspruch auf angemessene Verpflegung haben (RS0047475; RS0047535; RS0115981; Limberg aaO Rz 65; Schwimann/Kolmasch aaO 184; Neuhauser aaO Rz 401 f; Stabentheiner/Reiter in Rummel/Lukas 4 § 231 ABGB Rz 50, jeweils mwN), ist mit dem hier zu beurteilenden Fall – auch im Hinblick auf das Alter der Tochter – nicht vergleichbar, auch wenn der Vater dies aufgrund des „Heimschläferthemas“ meint. Darauf, ob es der Tochter zuzumuten wäre, ihren Anspruch auf Internatsunterbringung durchzusetzen, kommt es nach dem Vorgesagten nicht mehr an.
3. Aus diesen Gründen ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
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