OGH 20Ds2/20d

OGH20Ds2/20d14.7.2020

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 14. Juli 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Rothner und Dr. Hofer als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwäterin Mag. Part in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen des Disziplinarvergehens der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Kammeranwalts der Oberösterreichischen Rechtsanwalts-kammer wegen Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 2. Dezember 2019, AZ D 16/19, 12 DV 30/19, TZ 20, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, OStA Dr. Santeler, des Kammeranwalts Mag. Kammler und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0200DS00002.20D.0714.000

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Berufung wird eine Geldbuße von 3.000 Euro verhängt, dies als Zusatzstrafe unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 23. September 2019, AZ D 12/19, 11 DV 25/19, TZ 18.

Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschuldigte der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und hierfür zu einer Geldbuße von 2.500 Euro verurteilt.

Danach hat er am 28. Dezember 2018 für zwei Gläubiger als deren jeweiliger Vertreter Forderungsanmeldungen im Schuldenregulierungsverfahren des Markus S*****, AZ 26 S 239/18y des Bezirksgerichts Linz, eingebracht, obwohl er als dessen Vertreter in diesem Verfahren einschritt.

Bei der Strafzumessung ging der Disziplinarrat von einem durchschnittlichen Einkommen eines österreichischen Rechtsanwalts von 3.500 Euro monatlich aus, ließ zwei nicht einschlägige Vorverurteilungen unberücksichtigt und wertete als mildernd das Tatsachengeständnis.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung des Kammeranwalts wegen zu geringer Höhe der verhängten Geldbuße. Er betont, der Beschuldigte sei trotz Hinweisen des Gerichts, es liege eine unzulässige Doppelvertretung vor, weiter für den Schuldner eingeschritten, und habe sein Tatsachengeständnis nur untergeordnet zur Wahrheitsfindung beigetragen, weil sich der Sachverhalt im Wesentlichen aus dem Insolvenzakt ergebe; die Bemessung der Sanktion sei aus general-, aber vor allem aus spezialpräventiven Gründen zu niedrig bemessen.

In seiner Gegenausführung verteidigt der Beschuldigte seine Vorgehensweise: Bei der Vielzahl seiner Erwachsenenvertretungen und bestehenden Mandaten mit Großkunden käme es zu „unumgänglichen“ Doppelvertretungen [s dagegen RIS‑Justiz RS0055008]. Überdies behauptet er eine mittlerweile rechtskräftige einschlägige Vorverurteilung, welche bei Fällung des angefochtenen Erkenntnisses noch nicht berücksichtigt werden konnte.

Nach § 16 Abs 6 DSt ist bei der Verhängung der Strafe auf die Größe des Verschuldens und die daraus entstandenen Nachteile, vor allem für die rechtsuchende Bevölkerung, bei Bemessung der Geldbuße auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten Bedacht zu nehmen. Außerdem sind bei der Strafbemessung die maßgebenden Grundsätze der §§ 32 ff StGB anzuwenden (Lehner in Engelhart et al, RAO9 DSt § 16 Rz 17 mwN). Nach § 32 StGB wiederum sind – ausgehend von der Schuld des Täters – sowohl die allgemeinen als auch die besonderen Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen und ist überdies auf spezial- und generalpräventive Gründe Bedacht zu nehmen (20 Ds 10/17a uva).

Eine echte (materielle) Doppelvertretung liegt nach § 10 Abs 1 RAO ua dann vor, wenn ein Anwalt gegen die Verbote verstößt, eine Vertretung zu übernehmen oder auch nur einen Rat zu erteilen, sofern er die Gegenpartei in derselben oder in einer damit zusammenhängenden Sache vertreten hat (RIS‑Justiz RS0054995). Schon allein die bloße Gefahr einer Interessenkollision, insbesondere aber eines Vertrauensbruchs, begründet das Vorliegen von „zusammenhängenden Sachen“ im Sinne des § 10 Abs 1 RAO, der Begriff ist also dem Regelungszweck entsprechend weit auszulegen (RIS‑Justiz RS0055534 [T2 und T3], RS0117715). Die Doppelvertretung ist auch dann disziplinär, wenn kein Vertrauensmissbrauch gegenüber dem Klienten vorliegt und dem Klienten kein Schaden entstanden ist. Sie hinterlässt überdies einen Ehre und Ansehen des Standes abträglichen Eindruck in der Bevölkerung.

Wiewohl es im vorliegenden Fall zu keiner Schädigung der Klienten gekommen sein mag, ist von einem gravierenden Handlungsunwert auszugehen, wurde der Beschuldigte durch das Insolvenzgericht doch sogar zwei Mal auf das Vorliegen einer Doppelvertretung hingewiesen, ohne seine Tätigkeit für den Schuldner einzustellen. Vielmehr kündigte er diesem zwar die Vollmacht, brachte aber selbst danach noch einen Schriftsatz für die Prüfungstagsatzung ein.

Zu Recht macht der Kammeranwalt geltend, das bloße Zugeständnis des Sachverhalts begründe nicht den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 17 StGB. Ein reumütiges Geständnis liegt nicht vor und trägt hier das bloße Zugeständnis aktenkundiger Tatsachen nicht zur Wahrheitsfindung bei. Ein Geständnis des Tatsächlichen stellt keinen Milderungsgrund dar (RIS‑Justiz RS0091585).

Der Beschuldigte wurde mit mittlerweile rechtskräftigem Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 23. September 2019, AZ D 12/19, 11 DV 29/19 wegen unzulässiger Doppelvertretung, begangen „spätestens am 30. 11. 2017“, schuldig erkannt und wegen des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung zu einer Geldbuße von 3.500 Euro verurteilt.

Auf diese Vorverurteilung hatte der Oberste Gerichtshof fallbezogen Bedacht zu nehmen.

Dieser wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen dreier Disziplinarvergehen und eine einschlägige Vorstrafe (mehrfaches vollmachtsloses Einschreiten bei Gericht im Jahr 2015 – Verurteilung Oktober 2017 – §§ 33 Abs 1 Z 2, 71 2. und 3. Fall StGB), als mildernd keinen Umstand.

Unter Berücksichtigung der aktuellen präventiven Erfordernisse war die in erster Instanz verhängte Sanktion daher maßvoll zu erhöhen und als Zusatzgeldbuße zu verhängen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs 5 DSt.

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