European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00050.20S.0629.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Das von § 17 Abs 1 ZPO für die Zulässigkeit einer Nebenintervention geforderte rechtliche Interesse auf Seiten des Beitretenden liegt vor, wenn sich die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf dessen privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verhältnisse günstig oder ungünstig auswirkt (RIS-Justiz RS0035724). Dabei ist kein strenger Maßstab anzulegen, sondern es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Beitretenden berührt (RS0035638). Das „Berühren der Rechtssphäre“ ist grundsätzlich dann zu bejahen, wenn sich durch das Obsiegen der Hauptpartei die Rechtslage des Beitretenden verbessert oder durch deren Unterliegen verschlechtert (RS0035724 [T3]). Insbesondere im Fall drohender Regressnahme in einem Folgeprozess wird nach ständiger Rechtsprechung ein solches rechtliches Interesse bejaht (RS0106173 [T2]). Es reicht aus, wenn der zu befürchtende Rückgriff plausibel, aber nicht in allen Einzelheiten dargestellt wird (RS0106173 [T7]). Ob ein Nebenintervenient das erforderliche rechtliche Interesse an einem Beitritt hat, kann grundsätzlich nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden und bildet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO (RS0106173 [T4]).
2. Der Kläger, der zu 20 % Gesellschafter der Beklagten ist, macht in diesem Verfahren die Sittenwidrigkeit und Unwirksamkeit seiner Entlassung als angestellter Geschäftsführer der Beklagten vom 7. 5. 2019 geltend. Er habe sich den geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen der Mehrheitsgesellschafterin, der nunmehrigen Neben-intervenientin, widersetzt, mit denen Vermögen der Beklagten zur Mehrheitsgesellschafterin bzw deren Tochter hätte verschoben werden sollen. In der Generalversammlung vom 7. 5. 2019 sei er daraufhin mit den Stimmen der Mehrheitsgesellschafterin abberufen worden und sei der Vertreter der Mehrheitsgesellschafterin, zugleich Geschäftsführer der Beklagten, ermächtigt worden, das Dienstverhältnis mit dem Kläger durch Entlassung oder allenfalls durch ordentliche Kündigung zu beenden. Unmittelbar danach sei dem Kläger von diesem Geschäftsführer ein Entlassungsschreiben übergeben worden. Die Beendigung sei rein aus Eigeninteresse der Mehrheitsgesellschafterin erfolgt, sodass das Motiv der Beklagten, den bestehenden Geschäftsführervertrag zu beenden, ausschließlich darin gelegen sei, den Kläger daran zu hindern, seine Verpflichtungen gegenüber der Beklagten (in deren Interesse zu handeln) zu erfüllen. Ein weiteres sittenwidriges Motiv für die Entlassung sei der Versuch, den Kläger um seine Abfertigungsansprüche zu bringen.
In ihrem Beitrittsschriftsatz stützte die Nebenintervenientin ihr rechtliches Interesse auf allfällige durch treuwidrige Ausübung ihres Stimmrechts gegenüber der Beklagten bzw den übrigen Gesellschaftern entstehende Schadenersatzpflichten.
3. Auch der Gesellschafter einer GmbH unterliegt der Treuepflicht, und zwar nicht nur der Gesellschaft, sondern auch den Mitgesellschaftern gegenüber. Sie orientiert sich an den Grundsätzen von Treu und Glauben sowie des redlichen Verkehrs und am Gebot der guten Sitten (RS0026106). Bei (schuldhafter) Verletzung der Treuepflicht – die auch bei der Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung besteht (vgl RS0060175) – sind Schadenersatzansprüche denkbar (vgl RS0026106; Aicher/Kraus in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 61 Rz 36).
Mit der von dieser Rechtslage ausgehenden Beurteilung des Rekursgerichts, dass hier für den Fall des Obsiegens des Klägers Schadenersatzpflichten der Nebenintervenientin plausibel seien, weil der Kläger ein treu- und sittenwidriges Motiv der Nebenintervenientin bei der Stimmabgabe in der Generalversammlung behaupte, setzt sich das Rechtsmittel nicht weiter auseinander. Der Revisionsrekurswerber argumentiert nur, dass das Interesse eines Gesellschafters daran, dass die Gesellschaft nicht zu Zahlungen an einen zu Unrecht entlassenen Dienstnehmer verurteilt werde, bloß ein wirtschaftliches sei. Seine Behauptung, er leite seine Ansprüche ausschließlich daraus ab, dass der Geschäftsführer der Beklagten von der ihm eingeräumten Befugnis zur Entlassung des Klägers in rechtsmissbräuchlicher Form Gebrauch gemacht habe, trifft so nicht zu. Der Kläger vermag damit keine Bedenken an der Zulassung der Nebenintervention durch das Rekursgericht zu wecken.
4. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
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