OGH 12Os62/20i

OGH12Os62/20i23.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Juni 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel in der Strafsache gegen Amjad E***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Laura D***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Jugendschöffengericht vom 13. Jänner 2020, GZ 38 Hv 106/19d‑78, und über die Beschwerden der genannten Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen zugleich ergangene Beschlüsse auf Anordnung von Bewährungshilfe und Erteilung von Weisungen sowie auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsicht unter Verlängerung der Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00062.20I.0623.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Der Angeklagten Laura D***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – Laura D***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (A/1.) schuldig erkannt.

Danach hat sie am 5. Oktober 2019 in L***** in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit Amjad E***** als Mittäter (§ 12 StGB) dem Fabijan B***** absichtlich eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zugefügt, indem sie jeweils Faustschläge und Messerstiche gegen dessen Körper ausführten, wodurch B***** eine Stichwunde unterhalb des linken Schlüsselbeins, eine „übergroße“ Schnittwunde im Bereich des rechten Oberarms übergreifend auf den rechten Unterarm, einen Abbruch des vierten Zahnes oben links sowie eine kleine Stich‑/Schnittwunde am linken Beckenkamm seitlich, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Laura D*****.

Die Urteilsaussage, wonach die von Fabijan B***** erlittenen Stichwunden unterhalb des linken Schlüsselbeins und die übergroße Schnittwunde im Bereich des rechten Oberarms übergreifend auf den rechten Unterarm je als schwere Verletzungen anzusehen seien (US 8), ist keine Feststellung über (entscheidende) Tatsachen, sondern Teil der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts (RIS‑Justiz RS0092554). Soweit sich die Mängelrüge (nominell Z 5 fünfter Fall) dagegen wendet, verfehlt sie daher den Bezugspunkt der unternommenen Anfechtung (RIS‑Justiz RS0100877 [T6]).

Das Beschwerdevorbringen, der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen sei aufgrund der Berücksichtigung der einverständlich verlesenen (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO) Aussage des Zeugen Adrian S***** (ON 77a S 41; vgl US 10) „unvollständig und mit sich selbst in Widerspruch“ (nominell Z 5 dritter Fall; vgl dazu RIS‑Justiz RS0119089), weil sich die anwesenden Schöffen „kein persönliches Bild vom Zeugen oder dessen Glaubwürdigkeit machen“ konnten, ist nicht nachvollziehbar.

Mit dem Hinweis auf Aussagen von Zeugen, die bei der Beschwerdeführerin weder ein Messer gesehen, noch die Zufügung von Stichen gegen das Opfer durch sie wahrgenommen haben, vermag die Tatsachenrüge (Z 5a) im Hinblick auf die geständige Verantwortung der Beschwerdeführerin (US 9; ON 77a S 14 ff [insbes S 16]) und deren Belastung durch das Opfer (US 9; ON 77a S 21 ff) beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken (vgl RIS‑Justiz RS0119583).

Durch die Berufung auf den sogenannten Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) wird ein aus Z 5a des § 281 Abs 1 StPO beachtlicher Mangel nicht behauptet (RIS‑Justiz RS0102162).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen und der (impliziten) Beschwerden (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Hinzuzufügen bleibt, dass die Beschlüsse auf Anordnung von Bewährungshilfe und Erteilung von Weisungen verfehlt in die Urteilsausfertigung aufgenommenen wurden (US 3; RIS-Justiz RS0120887 [T2 und T3]).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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