European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00050.20I.0609.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** A***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen und räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall, 131 (erster Fall) und § 15 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in W*****, nachdem er bereits am 2. Oktober 2017 vom Amtsgericht Hamburg wegen Diebstahls zu einer neunmonatigen (bis zum 5. April 2018 verbüßten [US 4]) unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden war, gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster und zweiter Fall StGB) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz nachgenannten Gewahrsamsträgern fremde bewegliche Sachen weggenommen und wegzunehmen versucht (III./), wobei er in einem Fall, beim Diebstahl auf frischer Tat betreten, Gewalt anwendete, um sich die weggenommene Sache zu erhalten (IV./), und zwar
I./ am 2. August 2019 ***** B***** eine Kellnergeldbörse beinhaltend 600 Euro Bargeld;
II./ am 15. August 2019 ***** D***** eine Kellnergeldbörse beinhaltend 470 Euro Bargeld;
III./ am 3. Jänner 2019 ***** B***** eine Geldbörse, wobei die Genannte ihn an der Flucht hinderte und die Börse wieder zurückerlangen konnte;
IV./ am 11. Oktober 2018 ***** T***** 1.000 Euro aus einer Kellnergeldbörse, wobei er beim Diebstahl auf frischer Tat betreten wurde, flüchtete, von ***** P***** verfolgt, zu Boden gebracht und festgehalten wurde, worauf er vehement um sich schlug, sich durch heftige Bewegungen aus dem Griff befreite und sich losriss, um mit der Beute davonzulaufen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen (nominell) aus § 281 Abs 1 Z 4, 9 lit a, 10 und 11 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Sie verfehlt zur Gänze die Ausrichtung am Verfahrensrecht.
Soweit sie zunächst – gestützt auf Z 4 – eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör mit der Begründung behauptet, das Urteil sei am 18. Februar 2020 dem vormaligen Rechtsvertreter des Angeklagten und nicht der mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer vom 14. Februar 2020 bestellten Verfahrenshilfeverteidigerin zugestellt worden, bringt sie weder den in Anspruch genommenen (vgl RIS‑Justiz
RS0099112, RS0099250; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 302, 309 f) noch einen anderen Nichtigkeitsgrund zur Darstellung.
Im Übrigen
wurde die schriftliche Urteilsausfertigung dem (mit Bescheid vom 14. November 2019; ON 29) bestellten Verfahrenshilfeverteidiger bereits am 27. Jänner 2020 zugestellt (Zustellnachweis zu ON 1 S 23) und die (rechtzeitig angemeldete; ON 51) Nichtigkeitsbeschwerde innerhalb der – dadurch ausgelösten – vierwöchigen Frist (§ 285 Abs 1 erster Satz StPO) von der nunmehrigen Verfahrenshilfeverteidigerin (vgl den Umbestellungsbescheid vom 14. Februar 2020; ON 60) ausgeführt (ON 62). Die (gesetzlich gar nicht vorgesehene; vgl dazu auch RIS‑Justiz RS0096301,
RS0116182; zum Ganzen: Ratz, WK‑StPO § 285 Rz 2) neuerliche Zustellung von Urteil und Hauptverhandlungsprotokoll erfolgte am 19. Februar 2020– entgegen der Beschwerdebehauptung – ohnehin an die letztgenannte Verteidigerin (vgl den Zustellnachweis zu ON 1 S 27).
Die weitere Beschwerde (nominell Z 9 lit a und 10) baut den Einwand, das Erstgericht sei „auf Basis der getroffenen Feststellungen … rechtsirrig vom Erfülltsein der Gewerbsmäßigkeit iSd § 70 Abs 1 Z 3 StGB“ ausgegangen, ausschließlich auf der Behauptung auf, dass „verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gewerbsmäßigkeitskonstruktion in § 70 StGB bzw § 130 erster Fall StGB angebracht“ gewesen wären, die Tatrichter bei Anwendung der geltenden Gesetzeslage „entscheidend die Norm des Art 89 Abs 2 B-VG zu Lasten des Angeklagten übersehen“ hätten und „allein das Nichthegen von Bedenken und das folgliche Nichtstellen eines Normprüfungsantrags an den Verfassungsgerichtshof … einen Akt unrichtiger rechtlicher Beurteilung“ bedeute.
Sie lässt dabei außer Acht, dass angebliche Verfassungswidrigkeit vom Erstgericht angewandter Gesetzesbestimmungen kein Gegenstand zulässiger Urteilsanfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde ist (RIS‑Justiz RS0053859) und ein subjektives Recht auf Normanfechtung durch die Strafgerichte im Hinblick auf die mit 1. Jänner 2015 in Kraft getretene Gesetzeslage (Art 140 Abs 1 lit d B-VG idF BGBl I 2013/114 iVm § 62a VfGG idF BGBl I 2014/92) nicht besteht (RIS-Justiz RS0130514; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 597).
Mit der Hypothese, der Strafmilderungsgrund nach § 34 Abs 2 StGB sei aufgrund der „nunmehr gebotenen“ Anrufung des Verfassungsgerichtshofs durch das Rechtsmittelgericht „im Hinblick auf die bekanntlich lange Dauer von VfGH-Verfahren gegeben“ (nominell „Z 11“), wird ein dem Erstgericht unterlaufener nichtigkeitsbegründender Fehler bei der Strafbemessung nicht aufgezeigt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)