OGH 5Ob75/20w

OGH5Ob75/20w3.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Erlagssache des Antragstellers „S*****“, *****, vertreten durch Dr. Stefan Lausegger, Rechtsanwalt in Graz, gegen die Antragsgegnerin mj A*****, vertreten durch den Vater G*****, wegen Erlags von 118.403,65 EUR, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 13. Februar 2020, GZ 2 R 32/20k‑8, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00075.20W.0603.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die Frage, ob der Antragsteller nach § 1425 ABGB wegen Unzufriedenheit des Gläubigers und/oder Unklarheit der Rechtslage zum gerichtlichen Erlag von treuhändig übernommenen Spendengeldern berechtigt ist.

Das Erstgericht verneinte dies und wies den Erlagsantrag zurück.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1.1 Ein sekundärer Feststellungsmangel liegt nicht vor, weil Grundlage der Entscheidung nur das Vorbringen im Erlagsantrag ist (vgl RIS-Justiz RS0112198), das als aktenkundig im Beschluss nicht wiedergegeben werden muss.

1.2 Der Vorwurf der aktenwidrigen Wiedergabe von „Feststellungen“ wurde geprüft, er liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG). Selbst eine – hier nicht gegebene – unrichtige Wiedergabe des Parteivorbringens könnte nicht den Revisionsrekursgrund der Aktenwidrigkeit begründen (RS0043203 [T8]).

1.3 Ein qualifizierter Begründungsmangel des Rekursgerichts nach § 57 Z 1 iVm § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG ist nicht zu erkennen, weil selbst dann, wenn das Rekursgericht keine ausreichende rechtliche Beurteilung zur „anderen Qualifizierung der Leistung“ vorgenommen haben sollte, die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung nicht gehindert wäre (RS0121710 [T1]). Keine Rede kann davon sein, dass konkrete Gründe für die Entscheidung fehlten oder nur allgemeine Wendungen im Sinn einer Scheinbegründung gebraucht worden wären (vgl RS0007484 [T7]).

2.1 Nach ständiger Rechtsprechung ist im Erlagsgesuch der Erlagsgrund anzugeben. Das Erlagsgericht hat zu prüfen, ob ein Grund wie der angegebene zur Hinterlegung iSd § 1425 ABGB taugt. Hingegen ist weder zu prüfen, ob der Erlag rechtmäßig (RS0033495; RS0106153) oder der angeführte Hinterlegungsgrund tatsächlich gegeben ist (RS0112198). Ein den Erlag rechtfertigender Tatbestand muss behauptet werden (RS0033495 [T1]); vom Erlagsantrag ist zu fordern, dass Zweifel über den vom Erleger anzugebenden Erlagszweck möglichst ausgeschlossen werden können (RS0112383; 4 Ob 146/18a). Dem Erlagsgericht obliegt nur eine Schlüssigkeitsprüfung des Vorbringens des Erlegers zu den Hinterlegungsvoraussetzungen (RS0112198 [T2, T19]; RS0033495 [T2]), insbesondere zu Hinterlegungsgrund und -zweck (3 Ob 88/14h mwN). Bei der Beurteilung der Schlüssigkeit sind immer die Umstände des Einzelfalls maßgeblich, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufwerfen (RS0112198 [T21]; 4 Ob 146/18a).

2.2 Der Erlag durch den Schuldner nach § 1425 ABGB setzt voraus, dass die Schuld nicht bezahlt werden kann, weil der Gläubiger unbekannt, abwesend oder mit dem Angebotenen unzufrieden ist, oder sie aus anderen wichtigen Gründen nicht bezahlt werden kann. „Unzufriedenheit“ des Gläubigers als Erlagsgrund meint Fälle, in denen der Gläubiger die Leistung nicht als dasjenige annehmen will, als das sie ihm vom Schuldner angeboten wird. Dieser Hinterlegungsgrund knüpft daran an, dass der Gläubiger die angebotene Leistung – etwa hinsichtlich ihres Ausmaßes oder ihres rechtlichen Charakters – anders qualifiziert als der Schuldner (RS0033312 [T3]). Im Fall der endgültigen Annahmeverweigerung durch den Gläubiger ist auch im zweipersonalen Verhältnis die Hinterlegung wegen „Unzufriedenheit“ zulässig, darunter ist auch der Annahmeverzug zu subsumieren (3 Ob 88/14h mwN; 4 Ob 146/18a). Unklarheit der Rechtslage wiederum kann zwar einen Grund zum Gerichtserlag iSd § 1425 ABGB bilden (RS0033610). Besteht aber die unklare Sach‑ und Rechtslage nur zwischen einem Schuldner und einem Gläubiger, ist der Schuldner zur gerichtlichen Hinterlegung des Geschuldeten nicht berechtigt, weil dadurch die Streitaustragung nicht vermieden wird und keine Tilgung herbeigeführt werden kann. Die Unklarheit oder Strittigkeit der Sach‑ und/oder Rechtslage zwischen einem Schuldner und seinem Gläubiger gibt daher noch kein Recht zur Hinterlegung (6 Ob 87/11d mwN; 4 Ob 146/18a mwN).

3.1 Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dem Erleger sei es nicht gelungen, schlüssig einen Erlagsgrund zu behaupten, ist vor diesem rechtlichen Hintergrund nicht korrekturbedürftig. Nach dem Vorbringen im Erlagsantrag kommt dem Antragsteller bei der Sammlung von Spenden die Rolle des uneigennützigen Treuhänders zu, dem zahlreiche individuelle Spender den Auftrag erteilt haben, ihre Spenden der Erlagsgegnerin unter Bedachtnahme darauf zukommen zu lassen, dass die Mittel ausschließlich für die Befriedigung von Grundlage ihrer Hilfsbedürftigkeit bildenden Bedürfnissen verwendet werden. Die Erlagsgegnerin habe es abgelehnt, eine mit Auflagen verbundene Schenkung anzunehmen, weil sie der Auffassung sei, ihr stehe ein unbedingter Anspruch auf Auszahlung zu. Abgesehen davon, dass sich aus diesem Vorbringen nicht zweifelsfrei ableiten lässt, warum die Minderjährige bereits Gläubigerin des Antragstellers sein sollte (hat sie doch einen Vertragsabschluss nach seinem Vorbringen abgelehnt), ist die Auffassung der Vorinstanzen, der Erlagsgrund der „Unzufriedenheit der Gläubigerin mit dem Angebotenen“ sei damit nicht ausreichend dargetan, im Einzelfall nicht zu beanstanden. Zutreffend verwies das Rekursgericht darauf, dass nach dem Vorbringen des Antragstellers die Minderjährige bereit ist, die Schenkung der Spenden anzunehmen, sie verweigert nur die Unterfertigung einer (Zusatz-)Vereinbarung, mit der sie sich zum Nachweis der Mittelverwendung verpflichten soll. Mit den zu 1 Ob 18/63 = MietSlg 15.126; 7 Ob 540/92 = SZ 65/61 entschiedenen Fällen, wo der Bestandgeber die Annahme eines Betrags als Bestandzins ablehnte, weil er der Meinung war, dass er zufolge der Auflösung des Bestandvertrags nur mehr Benützungsentgelt in derselben Höhe zu bekommen habe, ist der hier zu beurteilende Sachverhalt nicht vergleichbar. Der Rechtsgrund der Zuwendungen an die Antragsgegnerin (Schenkung) ist unstrittig; Streit besteht nur darüber, ob eine Nachweispflicht betreffend Mittelverwendung besteht und eine entsprechende Vereinbarung zur Voraussetzung der Schenkung gemacht werden kann. Das ist aber nicht „Unzufriedenheit der Gläubigerin mit dem Angebotenen“, sondern die Unklarheit oder Strittigkeit der Sach‑ und Rechtslage zwischen den Parteien, die nach gesicherter Rechtsprechung im Verhältnis zwischen einem Schuldner und einem einzelnen Gläubiger kein Recht zur Hinterlegung gewährt.

3.2 Die behauptete Abweichung von den Entscheidungen 6 Ob 87/11d und 10 Ob 95/05a ist nicht zu erkennen. Nach dem Vorbringen des Antragstellers im Erlagsantrag missachte er seinen Treuhandauftrag und verwendete die Spendengelder widmungswidrig, zahlte er sie an die Minderjährige aus, ohne ihre Bedürftigkeit zu überprüfen. Die – eine Frage des Einzelfalls bildende und daher keine erhebliche Rechtsfrage aufwerfende (vgl RS0042828) – Auslegung dieses Vorbringens durch die Vorinstanzen, damit bestreite er seine (unbedingte) Zahlungspflicht, ist nicht zu beanstanden. Eine Unklarheit der Rechtslage im Hinblick auf mehrere Forderungsprätendenten (etwa die Spender) brachte der Erleger nicht vor.

4. Damit war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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