European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00022.20M.0408.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Einstellungsantrag der verpflichteten Partei zurückgewiesen wird.
Die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung der betreibenden Partei werden mit 2.264,04 EUR (hierin enthalten 377,34 EUR USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Begründung:
Das Erstgericht bewilligte dem Betreibenden gegen die Verpflichtete aufgrund eines vollstreckbaren Urteils vom 4. Mai 2010 zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 60.884,60 EUR sA (ua) die Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung ob einer im bücherlichen Eigentum der Verpflichteten stehenden Liegenschaft. Im Rang vor diesem Zwangspfandrecht ist ein Pfandrecht im Höchstbetrag von 550.000 EUR für eine Bank einverleibt.
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 12. Juli 2011 wurde über das Vermögen der Verpflichteten das Konkursverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom 9. Jänner 2012 wurde der von den Insolvenzgläubigern angenommene Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und der Konkurs aufgehoben.
Mit Schriftsatz vom 20. August 2019 beantragte die Verpflichtete die Einstellung der Exekution „gemäß § 39 Abs 1 Z 6 EO zufolge Tilgung des vollstreckbaren Anspruchs“ unter Aufhebung aller vollzogenen Exekutionsakte sowie die Löschung des Zwangspfandrechts. Sie habe die im Insolvenzverfahren angebotene 20%-ige Sanierungsplanquote fristgerecht getilgt. Der Wert der mit dem Zwangspfandrecht belasteten Liegenschaft habe „zum Insolvenzzeitpunkt“ 316.000 EUR betragen. Angesichts der erstrangig sichergestellten Forderung von 550.000 EUR sei „der Sicherheitsfonds der Liegenschaft überstiegen“ gewesen.
Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag ohne Begründung und ohne vorherige Einholung einer Äußerung des Betreibenden.
Das Rekursgericht wies infolge Rekurses des Betreibenden den Einstellungsantrag ab und hob die Anordnung der Löschung des Pfandrechts auf. Die Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung sei durch die Einverleibung des Zwangspfandrechts als einzige Vollzugshandlung noch nicht beendet und könne daher grundsätzlich eingestellt werden, solange das Zwangspfandrecht im Grundbuch einverleibt sei. Der von der Verpflichteten angeführte Einstellungsgrund des § 39 Abs 1 Z 6 EO korrespondiere mit der Dispositionsbefugnis des betreibenden Gläubigers und komme daher als Grundlage eines Einstellungsantrags des Verpflichteten ohne Behauptung einer entsprechenden Disposition des Betreibenden nicht in Betracht. Eine unrichtige Bezeichnung der Gesetzesstelle schade jedoch nicht, sofern aus dem Antrag klar ersichtlich sei, worauf der Einstellungsantrag gestützt werde. Die Verpflichtete stütze ihren Einstellungsantrag inhaltlich auf § 149 Abs 1 IO. In einem solchen Fall sei aber eine Oppositionsklage einzubringen. Der Einstellungsantrag, der im Hinblick auf die im Oppositionsverfahren geltende Eventualmaxime nicht als Oppositionsklage verstanden werden könne, sei daher abzuweisen.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur verfahrensrechtlichen Geltendmachung des behaupteten Erlöschens der Sachhaftung infolge Bestätigung des Sanierungsplans nach § 149 IO nach Erlassung des Exekutionstitels fehle.
Mit seinem Revisionsrekurs macht die Verpflichtete geltend, das Rekursgericht hätte ihren Einstellungsantrag als Oppositionsgesuch iSd § 40 EO werten müssen; allenfalls wäre ihr Einstellungsantrag gemäß § 40a JN in eine Oppositionsklage umzudeuten gewesen.
Der Betreibende beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Die Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung ist nach ständiger Rechtsprechung mit der Eintragung des Pfandrechts noch nicht beendet, sodass eine Einstellung dieser Exekution grundsätzlich möglich ist. Solange das exekutive Pfandrecht im Grundbuch einverleibt ist, sind demnach auch Einwendungen gegen den Anspruch nach § 35 EO zulässig (RIS‑Justiz RS0001043 [T2]).
2.1. Der Betreibende war im Insolvenzverfahren der Verpflichteten nicht bloß Insolvenzgläubiger, sondern aufgrund des vor Konkurseröffnung begründeten und durch diese nicht berührten (§ 12 Abs 1 IO) Zwangspfandrechts auch Absonderungsgläubiger iSd § 48 IO.
2.2. Gemäß § 156 Abs 1 IO wird der Schuldner durch den rechtskräftig bestätigten Sanierungsplan zwar von der Verbindlichkeit befreit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen, gleichviel ob sie am Insolvenzverfahren oder an der Abstimmung über den Sanierungsplan teilgenommen oder gegen den Sanierungsplan gestimmt haben oder ob ihnen ein Stimmrecht überhaupt nicht gewährt worden ist. Die Rechte (insbesondere) der Absonderungsgläubiger werden hingegen gemäß § 149 Abs 1 erster Satz IO durch den Sanierungsplan nicht berührt. Mit dem IRÄG 2010 wurde allerdings insofern eine Ausnahme von diesem Grundsatz eingeführt, als gemäß § 149 Abs 1 zweiter Satz IO die gesicherten Forderungen im Fall der Bestätigung des Sanierungsplans mit dem Wert der Sache begrenzt sind, an der Absonderungsrechte bestehen.
3. Die durch den rechtskräftig bestätigten und fristgerecht erfüllten Sanierungsplan eingetretene Befreiung von der Verbindlichkeit in dem die Quote übersteigenden Ausmaß gemäß § 156 Abs 1 IO stellt einen Oppositionsgrund dar ( Jakusch in Angst/Oberhammer 3 § 35 EO Rz 39; 3 Ob 77/11m). Nichts anderes kann für die auf § 149 IO gestützte Behauptung gelten, die betriebene Forderung bestehe nicht mehr, weil sie angesichts des vorrangigen Pfandrechts im Wert der Liegenschaft überhaupt keine Deckung finde.
4.1. Wenn der betreibende Gläubiger nach Entstehung des Titels oder bei gerichtlichen Entscheidungen nach dem in § 35 Abs 1 EO angegebenen Zeitpunkt (Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz) befriedigt wurde, Stundung bewilligt oder auf die Einleitung der Exekution überhaupt oder für eine einstweilen noch nicht abgelaufene Frist verzichtet hat, kann der Verpflichtete gemäß § 40 Abs 1 EO, ohne vorläufig gemäß §§ 35 oder 36 EO Klage zu erheben, die Einstellung der Exekution beantragen (Oppositions‑ oder Impugnationsgesuch).
4.2. Von der Regel, dass der Verpflichtete, wenn er behauptet, der betriebene Anspruch sei nach Schaffung des Titels erloschen oder gestundet worden oder der Exekutionsbewilligung stehe ein sonstiger im Gesetz genannter (nicht aktenkundiger) Grund entgegen, den Rechtsweg zu beschreiten und Klage nach § 35 oder § 36 EO zu erheben hat, schafft § 40 EO also insofern eine Ausnahme, als bei Vorliegen der dort genannten Oppositions- bzw Impugnationsgründe dem Verpflichteten der einfachere Weg der Antragstellung im Exekutionsverfahren eröffnet wird. Stellt sich jedoch bei Erledigung des Antrags heraus, dass die Entscheidung von der Klärung eines streitigen Sachverhalts abhängig ist, wird der Verpflichtete gemäß § 40 Abs 2 EO mit seinem Antrag auf den Rechtsweg verwiesen, muss also doch Klage nach § 35 oder § 36 EO erheben ( Jakusch in Angst/Oberhammer 3 § 40 EO Rz 1).
4.3. Befriedigung des betreibenden Gläubigers iSd § 40 EO ist im engeren Sinn als unmittelbare Erfüllung, also durch Hingabe bzw Leistung des als betriebener Anspruch Geschuldeten oder in Form der Aufrechnung zu verstehen. Andere Tatbestände als die unmittelbare Erfüllung, die den Anspruch ebenfalls zum Erlöschen bringen, kommen als Gründe für die Einstellung nach § 40 EO hingegen nicht in Frage. Ein Oppositionsgesuch ist daher unzulässig, wenn etwa das Erlöschen des Anspruchs durch Novation, Vergleich, Verzicht etc behauptet wird; auch das (teilweise) Erlöschen des Anspruchs bzw seine Hemmung durch einen gerichtlich bestätigten Sanierungsplan (§ 156 IO) kann aus diesem Grund nicht mit Antrag nach § 40 EO, sondern nur mit Oppositionsklage geltend gemacht werden ( Jakusch in Angst/Oberhammer 3 § 40 EO Rz 9 und 9/1; 3 Ob 77/11m mwN; vgl auch RS0001126).
4.4. Das von der Verpflichteten behauptete Erlöschen der Sachhaftung (des Absonderungsrechts) iSd § 149 IO fällt daher ebenfalls nicht unter den Begriff der Erfüllung iSd § 40 EO, sodass der darauf gegründete Einstellungsantrag von vornherein unzulässig – und daher nicht ab‑, sondern zurückzuweisen ( Jakusch in Angst/Oberhammer 3 § 40 EO Rz 8) – ist.
4.5. Der angefochtene Beschluss ist daher mit dieser Maßgabe zu bestätigen, ohne dass es darauf ankäme, ob die Voraussetzungen des § 149 IO im vorliegenden Fall erfüllt sind.
5. Die von der Verpflichteten hilfsweise angestrebte Umdeutung ihres Einstellungsantrags in eine Oppositionsklage kommt nämlich nicht in Betracht:
5.1. In welcher Verfahrensart eine Rechtssache zu behandeln und zu erledigen ist, richtet sich gemäß § 40a erster Satz JN nicht nach der Bezeichnung durch die Partei, sondern nach dem Inhalt ihres Begehrens und ihres Vorbringens. Ein in der falschen Verfahrensart gestelltes Rechtsschutzgesuch ist nicht zurückzuweisen, sondern umzudeuten und im richtigen Verfahren zu behandeln (RS0116390). Die Regelung des § 40a JN dient zwar in erster Linie zur Abgrenzung zwischen dem streitigen und außerstreitigen Verfahren, sie kann aber auch für die Abgrenzung zwischen anderen Verfahrensarten von Bedeutung sein (3 Ob 52/92 = RS0046241), so insbesondere auch für die Abgrenzung zwischen Erkenntnis‑ und Exekutionsverfahren ( Horn in Fasching/Konecny 3 § 40a JN Rz 3; vgl auch LG Eisenstadt RES0000035).
5.2. Wenn eine Partei allerdings die Wahl zwischen mehreren Verfahrensarten hat, kommt es in erster Linie auf die Bezeichnung der Partei oder auf vergleichbare Umstände an, weil von der von der Partei getroffenen Wahl nicht ohne deren Zustimmung abgegangen werden kann (3 Ob 52/92 = RS0046265).
5.3. Ganz allgemein erschiene es nicht sachgerecht, einen (inhaltlich) auf § 40 EO gestützten Einstellungsantrag dann, wenn der behauptete Oppositions- oder Impugnationsgrund richtigerweise mit Klage geltend zu machen wäre, generell zwingend – und damit bereits bei seinem Einlangen ohne vorherige Anhörung der betreibenden Partei von Amts wegen – in eine Oppositionsklage umzudeuten. Einem solchen (an sich verfehlten) Einstellungsantrag wäre nämlich dann stattzugeben, wenn die – dazu einzuvernehmende – betreibende Partei zustimmt. Aus diesem Grund wäre es aber problematisch, einen Verpflichteten, der sich für den gegenüber einer exekutionsrechtlichen Klage einfacheren und billigeren Weg eines Einstellungsantrags entschieden hat, von Amts wegen in ein streitiges Verfahren, für das er, anders als für einen Einstellungsantrag, auch – bereits mit Umdeutung in eine Klage fällige – Pauschalgebühr nach GGG zahlen muss, zu „zwingen“, statt ihm bei Scheitern dieser Antragstellung – so wie im Fall seiner Verweisung auf den Rechtsweg gemäß § 40 Abs 2 EO – die Entscheidung zu überlassen, ob er tatsächlich eine Klage einbringt.
6. Der Revisionsrekurs muss daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 EO.
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