European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00047.20W.0407.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin ist Medieninhaberin der Gratistageszeitung „Heute“; die Beklagte ist Medieninhaberin der Tageszeitungen „Österreich“ und „oe24“.
„Österreich“ wurde bis vor kurzem überwiegend gratis abgegeben, zum Teil aber auch verkauft; bis Juni 2018 hießen Kauf- und Gratisausgabe jeweils „Österreich“. Seit Ende Juni 2018 heißt nur mehr die Kaufausgabe „Österreich‟, die Gratisausgabe heißt nunmehr „oe24“.
Die Beklagte hat am 30. März 2019 in „Österreich“ und „oe24“ folgende doppelseitige Eigenwerbung veröffentlicht:
Der Verein „Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse“, bei dem beide Streitteile Mitglieder sind, hat für die periodischen Druckwerke der Streitteile folgende Reichweiten veröffentlicht:
Die Onlineausgabe der Zeitungen der Beklagten trägt (nur) den Namen „oe24“. Alle anderen österreichweit am Markt erschienenen Zeitungen hatten immer schon eine Onlineversion mit gleichem Namen wie die Print‑Zeitungsversion. Dies hat bei der Media‑Analyse zur Folge, dass bei Abfragung des Leseverhaltens auch jene Personen mitgezählt wurden, die lediglich die Onlineversion, nicht jedoch auch die Printausgabe gelesen haben. Bei „Österreich“ war das bis Juni 2018 anders: Personen, die „oe24“ nur als Onlineversion, nicht jedoch als Druckzeitung gelesen hatten, wurden von der Media-Analyse nicht erfasst. Die Umbenennung der Gratiszeitung auf „oe24“ führt nunmehr dazu, dass beide Printausgaben in der Media-Analyse als „Österreich/oe24-Kombi“ aufscheinen und auch jene Personen erfasst werden, die ausschließlich die Onlineversion lesen. Der Leserzuwachs, mit dem die Beklagte gegenständlich wirbt, ist dabei zumindest zu einem großen Teil durch diesen Umstand zustande gekommen.
Das Berufungsgericht untersagte der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr das Publikum über Mediadaten der Tageszeitung „Österreich“ dadurch zu täuschen, dass Vergleiche von Mediadaten zwischen der Tageszeitung „Österreich“ einerseits und anderen Tageszeitungen andererseits vorgenommen und dabei nicht Vergleichbares miteinander in Beziehung gesetzt wird, etwa dahin, dass für einen Mediadatenvergleich zwischen der Tageszeitung „Österreich“ und anderen Tageszeitungen für die Jahre 2017 und 2018 ein Produkt für die Tageszeitung „Österreich“ herangezogen wird, das 2017 in der Mediadatenerhebung noch gar nicht ausgewiesen war; weiters verpflichtete es die Beklagte zur Veröffentlichung. Das Mehrbegehren, es der Beklagten generell zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr das Publikum über Mediadaten der Tageszeitung „Österreich“ zu täuschen, wies das Berufungsgericht – unangefochten – ab.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils erhobene außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erheblichen Rechtsfragen auf:
1.1. Im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung richtet sich der Bedeutungsinhalt einer Äußerung nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck, den ein aufmerksamer Durchschnittsadressat gewinnt. Richtet sich eine Werbeaussage allein an Fachkreise, so ist für die lauterkeitsrechtliche Beurteilung das Verständnis eines fachkundigen Lesers der Fachzeitschrift maßgebend. Der Gesamteindruck ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Gesamtinhalt der Ankündigung, weil der Gesamteindruck durch einzelne Teile der Ankündigung, die als Blickfang besonders herausgestellt sind, entscheidend geprägt werden kann. Bei einer blickfangartigen Aussage bedarf es zur Vermeidung eines irreführenden Gesamteindrucks eines deutlich wahrnehmbaren Hinweises, mit dem über die einschränkenden Voraussetzungen, unter denen die Aussage gilt, ausreichend aufgeklärt wird. Maßgebend ist dabei, ob ein aufmerksamer Durchschnittsadressat den aufklärenden Hinweis wahrnimmt, wenn er mit der Werbeaussage konfrontiert wird (4 Ob 56/19t mwN).
1.2. Unvollständige Angaben verstoßen gegen § 2 UWG, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird, so dass die Unvollständigkeit geeignet ist, das Publikum in für den Kaufentschluss erheblicher Weise irrezuführen (
RS0121669; vgl RS0078579) und so geeignet ist, die Adressaten der Werbung zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten; dies gilt auch dann, wenn die beanstandete Aussage bei isolierter Betrachtung wahr ist (4 Ob 8/19w mwN).
1.3. Der Frage, wie die angesprochenen Verkehrskreise eine Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, weshalb sie in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründet (RS0107771; RS0053112; RS0043000); dasselbe gilt für die Beurteilung, ob eine bestimmte Werbung mit Reichweitenangaben, die ähnlich streng wie vergleichende Werbung zu beurteilen sind, eine irreführende Geschäftspraktik iSd § 2 UWG ist (RS0113320 [insb T8]).
2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte nach dem maßgebenden Gesamteindruck der beanstandeten Werbung über die Reichweite ihrer Zeitungen iSd § 2 UWG in die Irre führt, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung.
2.1. Soweit die Revisionswerberin auf aufklärende Hinweise in ihrer Werbung verweist, übergeht sie, dass sie nach Einschätzung der Vorinstanzen gerade jene wesentliche Information nicht erteilt hat, die das Publikum erst in die Lage versetzt hätte, sich selbst ein objektives Urteil zu bilden (vgl
RS0078299). Es ist dies die Information darüber, dass der Leserzuwachs, mit dem sie besonders hervorgestellt wirbt, zumindest zu einem großen Teil durch die erstmals erfolgende Mitzählung von bis dahin nur die Online‑Ausgabe lesenden Personen zustande kam. Verschwiegen wird damit, dass der beworbene Vergleich gerade keine signifikante Reichweitensteigerung im Sinne des Gewinnens neuer Leserschichten gegenüber der Vorperiode abbildet.
2.2. Soweit die Beklagte die diesbezügliche Feststellung auch in ihrer Revision als überschießend angreift, verkennt sie, dass die Frage, ob „überschießende“ Feststellungen in den Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes oder der Einwendungen fallen und daher nach der ständigen Rechtsprechung zu berücksichtigen sind, eine Frage des Einzelfalls ist (
RS0037972 [T15]). Inwiefern dem Berufungsgericht insofern eine aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen sein soll, zeigt die Revision indes nicht auf.
3. Soweit die Revisionswerberin Verwirkung des Klagerechts und Verzicht auf den Anspruch aufgrund einer zwischen den Parteien getroffenen Abmahnvereinbarung geltend macht, zeigt sie ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage auf.
3.1. Nach der – nach § 914 ABGB auszulegenden (4 Ob 106/00t) – Abmahnvereinbarung setzt unter anderem jede neue Klagsführung bei sonstiger Verwirkung des entsprechenden Anspruchs zwingend eine vorangehende Abmahnung voraus. Soweit der Abgemahnte den behaupteten Rechtsverstoß anerkennt, die Unterlassung der zugrundeliegenden Vorgangsweise ankündigt und binnen eines weiteren Werktags auch vollständig umsetzt, erklärten die Parteien vorab den unwiderruflichen Verzicht auf die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung.
3.2. Nach den Feststellungen hat die Beklagte den Wettbewerbsverstoß aber nicht anerkannt, sondern bestritten und „allein aus pragmatischen Gründen‟ sowie unpräjudiziell angekündigt, ihr Verhalten zu unterlassen. Wie daraus im hier vorliegenden Einzelfall die Voraussetzungen eines Verzichts im Sinn der zitierten Abmahnvereinbarung ableitbar sein sollen, zeigt die Revision nicht auf.
3.3. Vor diesem Hintergrund ist es auch vertretbar, im Umstand, dass die Klägerin nicht unmittelbar mit Klage reagierte, keinen Verzicht zu erblicken, zumal bei dessen Annahme besondere Vorsicht geboten ist und ein stillschweigender Verzicht immer nur dann angenommen werden darf, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, dass er ernstlich gewollt ist (vgl RS0014190). Sekundäre Verfahrensmängel liegen in diesem Zusammenhang nicht vor.
4. Der Frage, ob und in welchem Umfang eine Veröffentlichung des Urteils nach den Umständen des Falls zur Aufklärung des Publikums geboten ist, kommt abgesehen von Fällen einer Fehlbeurteilung keine erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung zu (RS0042967 [insb T8]; vgl RS0079820 [T20]). Da sich das von den Vorinstanzen zugesprochene Ausmaß der Veröffentlichung am Talionsprinzip (RS0079607) orientiert, zeigt die Revision nicht auf, warum den Vorinstanzen, die auch hier auf den Gesamteindruck und damit das gesamte zweiseitige Inserat abstellten, eine solche aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.
5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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