OGH 4Ob174/19w

OGH4Ob174/19w30.3.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden unddie Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin S***** GmbH, *****, vertreten durch Prof. Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die Beklagte P***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Schwarz Schönherr Rechtsanwälte KG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 31.000 EUR), Beseitigung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert je 1.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Juli 2019, GZ 3 R 19/19i‑20, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00174.19W.0330.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin der im Register des Amts der Europäischen Union für Geistiges Eigentum eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGM) Nr 002590463‑0004 und Nr 002590463-0006 (Einkaufswagenlöser):

 

 

Sie wirbt bei der Gestaltung der Einkaufswagenlöser mit Themen aus dem Sportbereich, etwa mit charakteristischen Dressen von Sportmannschaften oder deren Sponsoren, deren Namen bzw Logos ebenso aufgebracht werden können, etwa wie folgt:

Die Beklagte handelt mit Werbemitteln, darunter auch mit Einkaufswagenlösern, und bot auf einer Messe in Wels österreichischen Kunden die Lieferung ihres Modells TR-460 „frei Haus“ an eine österreichische Adresse an. Ob die Beklagte auch das Modell TR-363 ausgestellt und angeboten hat, konnte nicht festgestellt werden.

Die Gegenüberstellung der drei Einkaufswagenlöser ergibt folgenden Eindruck:

Klagsmuster TR-363 TR-460

Die Klägerin begehrt (zusammengefasst), die Beklagte zu verpflichten, es im geschäftlichen Verkehr in Österreich zu unterlassen, ein Produkt in identischer oder im Gesamteindruck gleicher Ausführung wie ihre GGM zu bewerben, zu verkaufen oder sonst in Verkehr zu bringen, insbesondere einen Einkaufswagenlöser wie oben abgebildet. Weiters erhob sie ein Beseitigungs-, Zahlungs-, Auskunfts- und Urteilsveröffentlichungsbegehren.

Die Beklagte bestritt jeglichen Eingriff in die Musterrechte der Klägerin.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab, das Berufungsgericht bemaß den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Verletzungshandlungen in Österreich im Zusammenhang mit dem Produkt T-363 habe die Klägerin nicht nachgewiesen, diesbezüglich fehle es daher an der internationalen Zuständigkeit der österreichischen Gerichte. Diese sei zwar hinsichtlich des Produkts TR-460 gegeben, allerdings gewinne der informierte Benutzer aufgrund der gegebenen Formunterschiede bei einem Vergleich der GGM der Klägerin mit dem Eingriffsgegenstand einen unterschiedlichen Gesamteindruck. Ein Eingriff in die GGM der Klägerin sei daher zu verneinen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen zeigt die Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Der Senat hatte jüngst (zu 4 Ob 239/19d) einen behaupteten Eingriff in die auch hier klagsgegenständlichen GGM der Klägerin zu beurteilen, und zwar aufgrund des Vertriebs ua folgender Einkaufswagenlöser durch die dort Beklagte:

In der genannten Entscheidung wurde die Übereinstimmung des sich für informierte Benutzer ergebenden Gesamteindrucks der jeweiligen Formgebungen ua mit folgender Begründung verneint:

Soweit die Revision aus der Behauptung, die Geschmacksmuster in Form eines „T‑Shirts mit Ball“ heben sich vom überkommenen Formenschatz deutlich ab, einen hier relevanten hohen Schutzumfang ableiten will, ist sie darauf hinzuweisen, dass nur die oben abgebildete (Umriss-)Formgebung geschützt ist. Warum aus dieser entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch unter Außerachtlassung des Aufdrucks der prägende Eindruck einer „T‑Shirt mit Ball“-Form erschließen sollte, zeigt sie nicht auf.

Bereits das Erstgericht hat hervorgehoben, dass das runde Kopfstück mit Einbuchtung („Ball“) und das Loch für einen Schlüsselring als durch die technische Funktion bedingt außer Betracht zu bleiben haben. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, wonach Erscheinungsmerkmalen eines Erzeugnisses kein Geschmacksmusterschutz zukommt, wenn sie ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses bedingt sind (C‑395/16 , Doceram Rn 23 ff).

Warum aber den verbliebenen Umrisselementen von einem Benutzer, der gewisse Kenntnisse in Bezug auf die Elemente hat, die diese Geschmacksmuster für gewöhnlich aufweisen, und der diese Produkte aufgrund seines Interesses an ihnen mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit benutzt (C‑281/10 P PepsiCo Rn 59; vgl EuG 14. März 2017, T‑174/16 , Wessel‑Werk, Rn 25 mwN), eine so hohe Eigenart beigemessen werden sollte, dass sich ihm gegenüber dem Eingriffsmuster trotz der vom Berufungsgericht hervorgehobenen Formunterschiede kein unterschiedlicher Gesamteindruck ergäbe, vermag die Revision nicht konkret darzulegen.

 

2. Auch im konkreten Fall gelingt es der Klägerin – auch wenn man Einkaufswagenlöser als solche und nicht nur solche in T‑Shirt-Form als Vergleichsmaßstab heranzieht – nicht, überzeugend darzulegen, dass der Gesamteindruck des Designs des Eingriffsgegenstands mit jenem der GGM der Klägerin übereinstimmen würde. Vielmehr hat das Berufungsgericht aufgrund der signifikant unterschiedlichen Umrisse der Vergleichsobjekte und des Lochs zum Anhängen eines Schlüsselbunds vertretbar einen unterschiedlichen Gesamteindruck begründet. In dieser Beurteilung nach den Umständen des Einzelfalls (RS0120720 [T2]) liegt keine grobe Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre.

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