OGH 4Ob239/19d

OGH4Ob239/19d28.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Prof. Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Sascha Salomonowitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 31.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 1.000 EUR) sowie 1.000 EUR sA, Beseitigung (Streitwert 1.000 EUR), Rechnungslegung und Zahlung (Art XLII EGZPO, Streitwert 1.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 25. Oktober 2019, GZ 1 R 30/19t‑29, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00239.19D.0128.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist – vom Berechtigten auch zur Klagsführung ermächtigte – Lizenznehmerin von im Register des Amtes der Europäischen Union für Geistiges Eigentum eingetragenen folgenden Geschmacksmustern Nrn 002590463‑0004 und 002590463‑0006:

Die Klägerin fertigt in dieser Form Schlüsselanhänger mit Einkaufswagenlöser aus Metall und bedruckt sie mit Designs von Sporttrikots und Bällen, wie zB:

Die Beklagte fertigt und vertreibt ebenfalls einen Einkaufswagenlöser („Johann, der Alleskönner“), der folgende Standardformen aufweist:

Die Beklagte fertigt und vertreibt aber auch Einkaufswagenlöser mit folgender Form und bedruckt diese mit unterschiedlichen Motiven:

Die Umrisse der Einkaufswagenlöser der Parteien haben neben- bzw übereinandergelegt folgendes Aussehen:

Das Berufungsgericht bestätigte die vor ihm angefochtene Abweisung des auf einen Eingriff in die Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin gestützten Begehrens, es zu unterlassen, ein Produkt in identischer oder im Gesamteindruck gleicher Ausführung wie jenem der Gemeinschaftsgeschmacksmuster zu bewerben, zum Verkauf anzubieten, zu vertreiben oder sonst in Verkehr zu bringen, sei es selbst oder mit Hilfe Dritter, insbesondere einen Schlüsselanhänger mit Einkaufswagenlöser wie abgebildet:

Ebenso bestätigte es die Abweisung des Urteilsveröffentlichungsbegehrens.

Das Berufungsgericht verneinte die Übereinstimmung des sich für informierte Benutzer ergebenden Gesamteindrucks der jeweiligen – unter Außerachtlassung aller anderen Gestaltungselemente auf das gleiche Abstraktionsniveau gebrachten – Formgebungen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen zeigt die Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Bei Beurteilung der Frage, ob ein anderes Geschmacksmuster in den Schutzumfang des Gemeinschaftsgeschmacksmusters fällt, ist der jeweilige Gesamteindruck zu ermitteln und zu vergleichen. Es kommt nicht auf einen mosaikartig aufgespaltenen Vergleich von Einzelheiten an. Maßgeblich ist vielmehr die Würdigung des Gesamteindrucks unter dem Blickwinkel, ob sich bei einer Gegenüberstellung zweier Formgebungen insgesamt der Eindruck einer Übereinstimmung ergibt. Dies ist danach zu beurteilen, ob beim informierten Benutzer ein anderer Gesamteindruck erweckt wird. Dieser Benutzer unterscheidet sich durch ein gewisses Maß an Kenntnissen und Aufgeschlossenheit für Designfragen vom „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher“, wenn auch nicht Wissen und Fähigkeiten eines Fachmanns anzulegen sind. Ein hohes Maß an Eigenart gibt dabei Raum für einen großen Schutzumfang, umgekehrt führt geringe Eigenart auch nur zu einem kleinen Schutzumfang. Ist der informierte Benutzer des Geschmacksmusters bereit, trotz geringer Unterschiede zwischen Formenschatz und Geschmacksmuster die Eigenart zu bejahen, muss er gleichermaßen im Verletzungsstreit bei derartigen Unterschieden zwischen dem Geschmacksmuster und der angegriffenen Ausführungsform die Verletzung verneinen. Ob ein informierter Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck gewinnt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage auf (eingehend unlängst 4 Ob 168/19p mwN).

2. Das Berufungsgericht ist zum Ergebnis gelangt, dass ein informierter Benutzer bei einem Vergleich der bloßen Umrissformen diese nicht eindeutig als „T‑Shirt mit Ball“ identifiziere, zumal die Eingriffsform zwanglos auch für andere grafische Gestaltungen verwendbar sei. Zudem räume das Geschmacksmusterrecht auch kein Monopol auf eine Designidee „T‑Shirt mit Ball“ ein. Selbst bei Annahme einer Erkennbarkeit der Geschmacksmuster der Klägerin als „T‑Shirt mit Ball“ ergebe sich im Hinblick auf die unterschiedliche Gestaltung im Bereich des – an sich zudem technisch bedingten – Loches für den Schlüsselring sowie der „Schultern“, „Ärmel“ und „Taille“ des Shirts ein unterschiedlicher Gesamteindruck.

Diese Beurteilung im Einzelfall überschreitet den dem Berufungsgericht in dieser Frage eingeräumten Ermessensspielraum nicht (vgl zur maßgeblichen Einzelfallbeurteilung durch einzelstaatliche Gerichte EuGH 8. März 2018, C‑395/16 , Doceram).

2.1. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich nicht auf markenrechtliche Verwechslungsgefahr abgestellt, sondern den nach der Rechtsprechung maßgeblichen Gesamteindruck durch Aspekte der Formgebung illustriert. Die Revision zeigt nicht auf, warum dies eine methodische Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts sein sollte, zumal sich ein Gesamteindruck jedenfalls auch im direkten Vergleich aufgrund von Ähnlichkeiten oder Unterschieden der (hier Umriss‑)Formgebung bilden kann (vgl EuGH 20. Oktober 2011, C‑281/10 P , PepsiCo, Rn 55 ff).

2.2. Soweit die Revision aus der Behauptung, die Geschmacksmuster in Form eines „T‑Shirts mit Ball“ heben sich vom überkommenen Formenschatz deutlich ab, einen hier relevanten hohen Schutzumfang ableiten will, ist sie darauf hinzuweisen, dass nur die oben abgebildete (Umriss‑)Formgebung geschützt ist. Warum aus dieser entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch unter Außerachtlassung des Aufdrucks der prägende Eindruck einer „T‑Shirt mit Ball“-Form erschließen sollte, zeigt sie nicht auf.

Bereits das Erstgericht hat hervorgehoben, dass das runde Kopfstück mit Einbuchtung („Ball“) und das Loch für einen Schlüsselring als durch die technische Funktion bedingt außer Betracht zu bleiben haben. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, wonach Erscheinungsmerkmalen eines Erzeugnisses kein Geschmacksmusterschutz zukommt, wenn sie ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses bedingt sind (C‑395/16 , Doceram Rn 23 ff).

Warum aber den verbliebenen Umrisselementen von einem Benutzer, der gewisse Kenntnisse in Bezug auf die Elemente hat, die diese Geschmacksmuster für gewöhnlich aufweisen, und der diese Produkte aufgrund seines Interesses an ihnen mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit benutzt (C‑281/10 P PepsiCo Rn 59; vgl EuG 14. März 2017, T‑174/16 , Wessel‑Werk, Rn 25 mwN), eine so hohe Eigenart beigemessen werden sollte, dass sich ihm gegenüber dem Eingriffsmuster trotz der vom Berufungsgericht hervorgehobenen Formunterschiede kein unterschiedlicher Gesamteindruck ergäbe, vermag die Revision nicht konkret darzulegen.

3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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