European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00011.20G.0323.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, im Schuldspruch F (wegen des Vergehens der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 StGB) des Angeklagten Önder B*****, demzufolge auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Angeklagte Önder B***** auf die Aufhebung verwiesen.
Die Akten werden dem Landesgericht Wiener Neustadt rückgemittelt, das entsprechende Aktenteile dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Nihat B***** und Sakir B***** sowie der Staatsanwaltschaft zuzuleiten hat.
Den Angeklagten Nihat B***** und Sakir B***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden und für die amtswegige Maßnahme von Bedeutung – Nihat B***** eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (A I 2 a) und mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (A II 1), Sakir B***** jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (A I 2 e) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 3 SMG (A I 4 d) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (A II 4) und Önder B***** des Vergehens der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 StGB (F) schuldig erkannt.
Danach haben
(A) vorschriftswidrig Suchtgift
(I) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung
(2) anderen (im Ersturteil teils namentlich Genannten) in mehreren Angriffen überlassen, und zwar
(a) Nihat B***** in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich vom Mai 2015 bis zum 1. November 2015 in W***** insgesamt zumindest 300 Gramm Heroin (mit einer Reinsubstanz an Wirkstoff von 36 Gramm), sowie
(e) Sakir B***** in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich vom Oktober 2006 bis zum 18. Jänner 2019 in Wi***** und W***** insgesamt mehr als 26,6 Kilogramm Heroin (mit einer Reinsubstanz an Wirkstoff von 3,19 Kilogramm) und 350 Gramm Kokain (mit einer Reinsubstanz an Wirkstoff von 100 Gramm), ferner
(4 d) Sakir B***** in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, nämlich bis zum 18. Oktober 2016 in Wi***** 58 Gramm Heroin (mit einer Reinsubstanz an Wirkstoff von 3,31 Gramm), 15 Gramm Kokain (mit einer Reinsubstanz an Wirkstoff von 8,23 Gramm), Morphin und Codein, weiters
(II) in Wi***** und W***** in mehreren Angriffen ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar
(1) Nihat B***** bis zum 13. Juni 2016 THCA- und Delta-9-THC-hältige Cannabisblüten und
(4) Sakir B***** bis zum 18. Jänner 2019 Heroin sowie THCA- und Delta-9-THC-hältige Cannabisblüten, schließlich
(F) Önder B***** vom 9. April 2015 bis zum 8. Juni 2016 in Wi***** und W***** in mehreren Angriffen Vermögensbestandteile, die aus einer mit mehr als einjährigen Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich aus Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, herrühren, „verborgen und ihrer Herkunft verschleiert“, indem er zusammen 8.100 Euro in bar Dritten übergab, „die sie in seinem Auftrag per Western Union in die Türkei überwiesen“.
Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten Nihat B***** mit einer auf Z 5, 5a, 9 [lit] b, 10 und 11 sowie Sakir B***** mit einer auf Z 5, 9 lit a und 10 jeweils des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Nihat B*****:
Welchen konkreten Feststellungen (RIS‑Justiz RS0130729) über entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0117264) bestimmte – im Rechtsmittel umfänglich referierte – Verfahrensergebnisse aus welchen Gründen erörterungsbedürftig entgegenstehen sollten, legt die Mängelrüge nicht dar. Auf den Begründungsmangel der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) beruft sie sich damit nur nominell.
Indem sie (zusammengefasst) fordert, das Erstgericht hätte der – von diesem jedoch ausdrücklich als unglaubhaft verworfenen (US 22 bis 26) – leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers folgen müssen, erschöpft sie sich in einem Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
Gleiches gilt für das – Glaubhaftigkeit der Einlassung des Beschwerdeführers reklamierende (siehe aber RIS-Justiz RS0099419 [insbesondere T2]) – Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5a).
Mit bloßem Verweis auf das „eben“ (aus Z 5 und 5a) „Vorgebrachte“ (siehe aber RIS-Justiz RS0115902) wird Nichtigkeit aus Z „9b“, 10 und 11 gar nicht behauptet.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sakir B*****:
Die Tatrichter gingen (zu A I 2 e) von einer – mit auf dieses Suchtgiftquantum gerichtetem Additionswillen – in einer Vielzahl von (solcherart im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit gesetzten) Angriffen überlassenen Menge von letztlich mehr als 26,6 Kilogramm Heroin (darin 3,19 Kilogramm Reinsubstanz) und 350 Gramm Kokain (darin 100 Gramm Reinsubstanz) aus (US 17 ff), die rechtlich gesehen mehr als dem 1.086‑Fachen der für diese Wirkstoffe festgelegten Grenzmenge entspricht (vgl etwa 13 Os 55/19s).
Der Entfall einzelner (jeweils auf Teilmengen davon bezogener) Ausführungshandlungen jener tatbestandlichen Handlungseinheit oder eine Reduktion (des Reinheitsgrades) der tatverfangenen Teilmengen wäre für die Subsumtionsfrage nur insoweit bedeutsam, als dadurch das insgesamt tatverfangene Suchtgiftquantum nicht einmal mehr – wie zur Tatbestandsverwirklichung nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG erforderlich – das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge überschreiten würde (vgl RIS‑Justiz RS0127374).
Die Mängelrüge (Z 5) strebt (1.) eine Reduktion des vom Erstgericht angenommenen Reinheitsgrades des tatverfangenen Heroins (von 12 %) auf 5 % und (2.) den Wegfall des Überlassens von insgesamt 18 Kilogramm Heroin („brutto“) an Ümit B***** (US 18) an.
Selbst beides zusammen würde nichts am Überschreiten des Fünfundzwanzigfachen der Grenzmenge durch die (auf Basis der weiteren, unbekämpften Feststellungen – US 17 ff) verbleibenden Quanten von 8,6 Kilogramm Heroin (darin – unter Zugrundelegung des angenommenen Reinheitsgrades von 5 % – 430 Gramm an Reinsubstanz) und 350 Gramm Kokain (darin 100 Gramm an Reinsubstanz) ändern.
Damit spricht die Rüge keine entscheidende – nämlich für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsame (RIS‑Justiz RS0117264) – Tatsache an. Vielmehr stellt sie (bloß) Konstatierungen über Strafzumessungstatsachen infrage, die nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde, sondern ausschließlich mit Berufung anfechtbar sind (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 680).
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die „Schuldsprüche betreffend den Viertangeklagten“ (Sakir B*****) in „objektiver“ und „in subjektiver Hinsicht“ tragende Feststellungen vermisst, dabei jedoch die (gerade) dazu getroffenen Urteilskonstatierungen (US 17 bis 19) übergeht, bringt sie den herangezogenen materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS‑Justiz RS0099810).
Entgegen der Beschwerdeauffassung hat das Schöffengericht den vom Schuldspruch A I 2 e umfassten Sachverhalt weder Abs 2 Z 1 noch Abs 4 Z 1 des § 28a SMG unterstellt (US 6). Die den Wegfall dieser – vom Erstgericht solcherart gar nicht als begründet (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) erachteten – Qualifikationen anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) geht daher von vornherein ins Leere.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen der Angeklagten Nihat B***** und Sakir B***** sowie der (nur gegen den Ausspruch der über Ersteren verhängten Strafe gerichteten) Berufung der Staatsanwaltschaft (§ 285i StPO).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das angefochtene Urteil im – unbekämpft gebliebenen – Schuldspruch F des Angeklagten Önder B***** mit materieller Nichtigkeit (aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) behaftet ist, die zum Nachteil des Genannten wirkt und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Dem Urteilssachverhalt zufolge übergab Önder B***** – selbst Mitglied der kriminellen Vereinigung (US 12, 13 ff zu dessen weiterem Schuldspruch A I 2 b und B wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, 12 dritter Fall StGB) – insgesamt 8.100 Euro an Bargeld, bei dem es sich, wie er „wusste“, um „Erlöse der Vereinigung vom Suchtgifthandel handelte“, dritten Personen jeweils mit dem Auftrag, das Geld „an seine Familie per Western Union in die Türkei zu überweisen“. Er „wollte damit die Herkunft des Geldes verschleiern, deswegen beauftragte er Dritte.“ Überdies „kam es ihm darauf an, diesen Betrag zu verbergen“ (US 16).
Übergaben von Bargeld an Dritte mit dem Auftrag, das Geld ins Ausland zu überweisen, sind – ebenso wie derartige Überweisungen selbst – Vorgänge des gewöhnlichen Wirtschaftslebens, die ohne Hinzutreten (hier nicht festgestellter) besonderer Begleitumstände nicht als „Verbergen“ (vgl US 5) iSd § 165 Abs 1 erster Fall StGB tatbildlich sind (RIS‑Justiz RS0094983 [T2], RS0129616 [T1]; 13 Os 55/19s). Der – im Gesetz selbst durch Beispiele erläuterte – zweite Fall des § 165 Abs 1 StGB wiederum pönalisiert Handlungen, die eine die Herkunft der kontaminierten Vermögensbestandteile betreffende Wahrheitspflicht verletzen (etwa diesbezügliche Falschangaben im Rechtsverkehr; vgl 13 Os 67/15z; Kirchbacher in WK2 StGB § 165 Rz 17; Leukauf/Steininger/Flora, StGB Update 2018 § 165 Rz 18). Konkrete Verhaltensweisen des Angeklagten (oder eines Dritten über dessen Veranlassung – § 12 zweiter Fall StGB), die insoweit tatbildlich wären, hat das Schöffengericht allerdings nicht konstatiert. Die im Ersturteil verwendeten verba legalia, der Angeklagte habe die „Herkunft“ des Geldes „verschleiern“ und dieses (zugleich) „verbergen“ wollen, bleiben demnach ohne Sachverhaltsbezug (RIS‑Justiz RS0119090).
Das festgestellte Verhalten kommt zwar als Tathandlung des § 165 Abs 2 StGB in Betracht. Nach den– insoweit unklaren – Urteilsannahmen ist aber nicht auszuschließen, dass der Angeklagte Önder B***** an der Vortat (oder den Vortaten) selbst beteiligt (§ 12 StGB) war, in welchem Fall seine Strafbarkeit nach dieser Bestimmung ausscheidet (arg § 165 Abs 2 StGB: „mit Strafe bedrohten Handlung eines anderen“; 13 Os 105/15p [Punkt 1.4.1.]; 13 Os 55/19s). Auch für eine Subsumtion nach § 165 Abs 3 StGB – welcher Tatbestand auf der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB), nicht aber einer kriminellen Vereinigung (§ 278 StGB) unterliegende Vermögensbestandteile abstellt – findet sich im Ersturteil keine Feststellungsbasis.
Dies führte – abermals im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war der Angeklagte Önder B***** hierauf zu verweisen.
Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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