OGH 12Os155/19i

OGH12Os155/19i27.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Februar 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Maurer in der Strafsache gegen Gernot M***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 4. September 2019, GZ 41 Hv 5/18h-148, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00155.19I.0227.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Freisprüche enthält, wurde Gernot M***** im zweiten Rechtsgang – unter Berücksichtigung der im ersten Rechtsgang rechtskräftig gewordenen Schuldsprüche und unter Neubildung der ebendort zerschlagenen Subsumtionseinheit (vgl dazu GZ 12 Os 81/17d-11) – des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB (1./ und 2./b./) schuldig erkannt.

Danach hat er in G***** als Geschäftsführer der M***** GmbH, somit als leitender Angestellter (§ 74 Abs 3 StGB) einer juristischen Person, Bestandteile des Vermögens dieser Gesellschaft beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, wobei durch die Tat – unter Berücksichtigung des in Rechtskraft erwachsenen Teils des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 4. April 2017, GZ 6 Hv 30/17m-106, – ein 300.000 Euro übersteigender Schaden entstanden ist, indem er

1./ im September 2013 Warenbestände im Wert von 94.586,70 Euro aus dem Lager verbrachte und zur Verschleierung Rechnungen an die V***** legte, die jedoch bis auf eine Zahlung von 2.712,50 Euro uneinbringlich waren;

2./b./ von 7. Februar 2013 bis 16. September 2013 insgesamt elf rechtsgrundlose Zahlungen an die S***** GmbH in Höhe von 227.996,22 Euro leistete.

 

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Soweit sich die zum Schuldspruch 1./ erhobene Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) auf angeblich unberücksichtigte Beweisergebnisse dazu bezieht, wonach die V***** ihre gegen die M***** GmbH bestehenden Forderungen mit dem Warenwert in Höhe von 94.586,70 Euro aufgerechnet hätte, bezieht sie sich auf keinen erheblichen Umstand. Denn die Tatrichter gingen – von der Beschwerde unbekämpft – davon aus, dass überhaupt kein Warenverkauf an die V***** erfolgt war und insoweit bloße Scheinrechnungen an diese Gesellschaft gelegt wurden (US 21, 35).

Aus welchem Grund die auf Rechnungen an die V***** aus den Jahren 2010 bis 2012 (vgl US 35) vermerkte Eigentumsvorbehaltsklausel angesichts der hier abgeurteilten Tatzeit (September 2013) eine Rolle spielen soll, macht die Beschwerde nicht deutlich.

Der Behandlung der Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist grundsätzlich voranzustellen, dass die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und (von Feststellungsmängeln abgesehen) die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung hat (RIS-Justiz RS0099810). Demnach geht eine Nichtigkeitsbeschwerde fehl, wenn sie im Urteil festgestellte Tatsachen bestreitet, sich auf eine Tatsache stützt, die im Urteil nicht festgestellt ist oder einen Umstand verschweigt, der im angefochtenen Urteil konstatiert ist (vgl RIS-Justiz RS0099025; vgl zum Ganzen Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.208 f).

Diese Anfechtungskriterien missachtet die Beschwerde grundlegend, indem sie in Wiederholung des Vorbringens zur Mängelrüge das Unterbleiben der Erörterung von Beweisergebnissen kritisiert und in Verkennung des Umstands, dass der Oberste Gerichtshof keine Tatsacheninstanz ist (vgl Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.258), „Ersatzfeststellungen“ nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung beantragt.

Der gegen den Schuldspruch 2./b./ gerichteten Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht vom Angeklagten vorgelegte Rechnungen der K***** GmbH als Firmenvorgängerin der S***** GmbH an die M***** GmbH ohnedies berücksichtigt, aber – in freier Beweiswürdigung – dennoch nicht als den Angeklagten entlastenden Umstand gewertet (vgl US 28).

Entgegen den weiteren Beschwerdeausführungen stand die (beweismäßig neutrale) Einschätzung des Sachverständigen, wonach es nicht auszuschließen sei, dass den in Rede stehenden Überweisungen tatsächliche Warenlieferungen zugrunde lagen, den schulderheblichen Konstatierungen gar nicht entgegen. Das Schöffengericht musste sich damit – dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe entsprechend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) – mit den diesbezüglichen Ausführungen nicht auseinandersetzen.

Indem sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) darauf beschränkt, für den Angeklagten günstigere Ersatzfeststellungen unter Hinweis auf eigenständig gewürdigte Verfahrensergebnisse zu beantragen, genügt der Verweis auf obige Ausführungen zum Wesen materieller Nichtigkeit.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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