European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00081.17D.0517.000
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Freisprüchen und im Schuldspruch 1./, soweit Gernot M***** im September 2013 Warenbestände im Wert von 94.586,70 Euro aus dem Lager verbracht und zur Verschleierung Rechnungen in dieser Höhe an die V***** gelegt habe, also in seinem 157.500 Euro übersteigenden Teil, sowie in der zu 1./ und 2./ des Schuldspruchs gebildeten Subsumtionseinheit und im Strafausspruch aufgehoben und das Verfahren im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, durch Beschluss vom 5. Oktober 2017 (ON 122) an das mündlich verkündete Urteil angeglichenen, auch Freisprüche enthaltenden und hinsichtlich der Schuldsprüche in Rechtskraft erwachsenen Urteil wurde Gernot M***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in G***** als Geschäftsführer der M***** GmbH, somit als leitender Angestellter im Sinne des § 74 Abs 3 StGB, Bestandteile des Vermögens dieser Gesellschaft beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, indem er
1./ im September 2013 Warenbestände im Wert von 252.086,70 Euro aus dem Lager verbrachte und zur Verschleierung Rechnungen an die D***** Ltd. (157.500 Euro) sowie an die V***** (94.586,70 Euro) legte, die jedoch bis auf eine Zahlung von 2.712,50 Euro uneinbringlich waren;
2./ rechtsgrundlose Zahlungen an nachstehende Unternehmen leistete, und zwar
a./ im Zeitraum von 14. bis 19. August 2013 zwei Zahlungen in Höhe von insgesamt 45.000 Euro an die F***** GmbH in Deutschland.
Hingegen wurde Gernot M***** von den gegen ihn weiters erhobenen Vorwürfen, er habe zudem in G***** als Geschäftsführer der M***** GmbH weitere Bestandteile des Vermögens dieser Gesellschaft beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, indem er
1./ rechtsgrundlose Zahlungen „an nachstehende Unternehmen leistete, und zwar b./“ im Zeitraum von 7. Februar 2013 bis 16. September 2013 insgesamt elf Zahlungen in der Höhe von 227.996,22 Euro an die S***** GmbH;
2./ im Zeitraum vom 4. April bis 6. Mai 2013 zwei Zahlungen in der Höhe von insgesamt 30.000 Euro an die V*****;
gemäß § 259 Z 3 StPO („kein Schuldbeweis“) freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Freisprüche richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.
Nach den wesentlichen Feststellungen (US 3 bis 6) diente die in Deutschland registrierte S***** GmbH, deren „Unternehmensgegenstand“ der Vertrieb von Fahrrädern und Fahrradzubehör war, anfänglich nur zur Verrechnung mit deutschen Händlern, ebenso die 2007 in Liechtenstein gegründete V***** („Abwicklung der Verrechnungen der bestellten KUOTA-Rahmen“), „da in weiterer Folge von dieser europaweit Werbetätigkeiten ausgeführt wurden“. Den „Zahlungen“ der M***** GmbH im Zeitraum 7. Februar 2013 bis 16. September 2013, insgesamt elf Zahlungen an die S***** GmbH in Höhe von 227.996,22 Euro sowie den Zahlungen vom 4. April 2013 bis 6. Mai 2016, nämlich vier Zahlungen „in Höhe von jeweils 7.500 Euro“, insgesamt 30.000 Euro an die V***** seien unwiderlegbar jeweils auch diverse Lieferungen bzw Marketingkosten gegenübergestanden (US 8 f).
Die Annahme leistungsbegründeter Zahlungen (vgl US 8 f) leiteten die Tatrichter aus den „widerlegbaren“ Angaben des Angeklagten ab. Ob er auch als Geschäftsführer der S***** GmbH tätig war bzw wesentlichen Einfluss auf die V***** hatte, könne dahingestellt bleiben, „entsprechen diese getätigten Zahlungen doch von ihm bestätigten Leistungen und sind diese auch aufgrund der Belege durchaus nachvollziehbar“, was sich aus der Stellungnahme des Sachverständigen in der Hauptverhandlung ergäbe (US 11).
Zutreffend zeigt die Beschwerdeführerin auf, dass diesen ausschließlich die Angaben des Angeklagten in Blick nehmenden Urteilserwägungen Begründungsmängel (Z 5) anhaften.
Soweit das Erstgericht das Bestehen echter Verbindlichkeiten aus der Stellungnahme des Sachverständigen in der Hauptverhandlung ableitete, zeigt sie einen Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) begründenden Widerspruch zu dessen Ausführungen auf, weil dieser – schon mangels nachvollziehbarer Verbuchung – die Verantwortung des Beschwerdeführers zwar nicht widerlegen, jedenfalls aber nicht bestätigen konnte (ON 105 AS 51 ff).
Die Nichtigkeitswerberin moniert zu Recht, dass die Konstatierungen, wonach die M***** GmbH aufgrund vertraglicher Regelung monatlich einen Betrag von 7.500 Euro an die V***** zu leisten hatte (US 9), gänzlich unbegründet (Z 5 vierter Fall) geblieben ist und die weitere Urteilsannahme, wonach von 4. April bis 6. Mai (richtig:) 2013 vier Zahlungen in Höhe von jeweils 7.500 Euro geleistet wurden (US 9), in erörterungsbedürftigem Widerspruch dazu steht, dass tatsächlich zwei Zahlungen in Höhe von 10.000 und 20.000 Euro erfolgten, was übrigens im Urteilstenor auch so wiedergegeben wird (US 2 f; Sachverständigengutachten ON 23 AS 153 iVm den auf dem beiliegenden Datenträger enthaltenen Anlagen ./15.1 und ./15.2).
Ferner weist die Staatsanwaltschaft zutreffend darauf hin, dass über die Marketinggebühren in Höhe von 138.000 Euro hinausgehend weitere Lizenz- und Marketinggebühren an die V***** bezahlt wurden (Marketingvertrag ON 65 AS 19; ON 23 AS 141 Rz 89), welche – soweit sich das Gericht auf die Anmeldung im Insolvenzverfahren stützte (US 7) – trotz Verweigerung der Anerkennung durch den Masseverwalter (Zeuge Dr. M*****, ON 105 AS 29) nicht weiter betrieben wurden. Auch diese unerörtert gebliebenen Umstände (Z 5 zweiter Fall) indizieren, dass Zahlungen an dieses Unternehmen bloß der Vermögensverschiebung ins Ausland ohne tatsächliche Gegenleistung dienten.
Schließlich unterließ das Erstgericht die gebotene Auseinandersetzung (Z 5 zweiter Fall) mit den – dem konstatierten Erbringen werthaltiger Leistungen entgegenstehenden – Angaben der Betriebsprüferin des Finanzamts Stadt-Graz, Mag. Gerda F*****, dass es sich bei der S***** GmbH mit Sitz in M***** lediglich um eine „Briefkastenfirma“ ohne jegliche Angestellte gehandelt hatte (ON 105 S 19 f).
Damit erweisen sich die den Freispruch zu 1./ begründenden Sachverhaltsannahmen als mangelhaft im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO.
Indem die Beschwerde hinsichtlich der subjektiven Tatseite, zu der der Schöffensenat im Hinblick auf die eingangs zum Freispruch referierten Urteilsannahmen keine Aussage getroffen hat, unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse Feststellungsmängel (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) geltend macht, entspricht sie auch den Kriterien erfolgreicher Freispruchsanfechtung (RIS‑Justiz RS0127315).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass dem Schuldspruch 1./, im Umfang des Vorwurfs, Gernot M***** habe im September 2013 Warenbestände im Wert von 94.586,70 Euro aus dem Lager verbracht und zur Verschleierung Rechnungen in dieser Höhe an die V***** gelegt, der Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO anhaftet, der gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen wahrzunehmen war.
Laut ursprünglicher schriftlicher Urteilsausfertigung war der in Rede stehende Vorwurf von dem zu Punkt 1./ erfolgten Freispruch umfasst, der infolge erfolgter Urteilsangleichung nunmehr Gegenstand des Schuldspruchs 1./ ist.
Nach den hiezu erfolgten Feststellungen war die Verbindlichkeit der M***** GmbH gegenüber der V***** weit höher als die gelegte Rechnung iHv 94.586,70 Euro, sodass von Gernot M***** nicht beabsichtigt war, Warenbestände im Ausmaß dieser bestehenden Schuld der GmbH zu entziehen oder Gläubiger der M***** GmbH zu benachteiligen (US 7 f), womit ein Schuldspruch wegen § 156 Abs 1 StGB nicht getragen wird. Diese Konstatierung kann jedoch schon deshalb nicht Grundlage für einen sofortigen Freispruch sein, weil sie eine im Ergebnis nicht festgestellte (arg: „so sie von Berechtigten dieser Firma abgeholt und abtransportiert wurden“; US 10) Übergabe der Lagerbestände an die V***** voraussetzt, nicht aber einen Dolus bei Verbringung der Waren an einen unbekannten Ort ausschließt, wobei nicht ersichtlich ist, weshalb einer Rechnungslegung bei Geltendmachung von Aus- und Absonderungsrechten Bedeutung zukommen sollte.
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und aus deren Anlass war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der Äußerung der Verteidigung – das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in den Freisprüchen und im Schuldspruch 1./, soweit Gernot M***** vorgeworfen wird, er habe im September 2013 Warenbestände im Wert von 94.586,70 Euro aus dem Lager verbracht und zur Verschleierung Rechnungen in dieser Höhe an die V***** gelegt, also in seinem 157.500 Euro übersteigenden Teil, demnach auch in der zu 1./ und 2./ des Schuldspruchs gebildeten Subsumtionseinheit sowie im Strafausspruch aufzuheben und das Verfahren im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zu neuer Verhandlung und Entscheidung zu verweisen.
Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung, die die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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