European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00109.19G.0226.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – Isa D***** der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A) und des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 3, Abs 2 Z 1 StGB (B) und der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (C) und des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall, Abs 2, 148 erster Fall StGB (D) sowie Jusup Z***** mehrerer Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (E/I) und des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB (E/II) schuldig erkannt.
Danach haben
Isa D*****
(A) am 28. Juli 2017 in D***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Mittätern (§ 12 erster Fall StGB) Gerald S***** 15 Gramm Cannabiskraut mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt, indem sie ihm mehrere Faustschläge in das Gesicht versetzten,
(B) vom 15. Oktober 2017 bis zum 17. Oktober 2017 in H***** und andernorts teils als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB), teils als Beitragstäter (§ 12 dritter Fall StGB), in mehreren Angriffen im Urteil bezeichneten Unternehmen und Personen fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Gesamtwert durch Einbruch, teils in eine Wohnstätte, weggenommen,
(C) Gerald S***** durch die zu Punkt A geschilderte Tathandlung leicht am Körper verletzt (Schwellung im Bereich der Oberlippe) und
(D) vom 21. Jänner 2015 bis zum November 2017 in K***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz sowie ab dem dritten Angriff in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrugshandlungen eine längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, wobei er bereits zwei solche Taten begangen hatte, Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft B***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die wahrheitswidrige Vorgabe, er lebe alleine in einer Wohnung, obwohl er tatsächlich im Haushalt seiner Eltern Letschi D***** und Manzor D***** wohnhaft war, zu einer Handlung, und zwar zur Auszahlung bedarfsorientierter Mindestsicherung, „nämlich von insgesamt EUR 5.879,02 an Isa D***** und gesamt EUR 8.562,70 an Letschi D***** und Manzor D*****“, verleitet, die das „Land Steiermark bzw. den Sozialhilfeverband B*****“ in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag von 14.441,72 Euro am Vermögen schädigte, indem er im Zuge der Antragstellung zur Täuschung ein falsches Beweismittel, nämlich einen „falschen“ Meldezettel, benützte und es unterließ, der Bezirkshauptmannschaft B***** seinen tatsächlichen Wohnsitz bekannt zu geben, weiters
Jusup Z*****
(E/I) in sechs Angriffen vom Sommer 2015 bis zum Oktober 2017 in L***** und andernorts mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Gökberg A***** fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld und andere Wertgegenstände, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen und
(E/II) Anfang August 2017 sich ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht verfügen durfte, nämlich die Bankomatkarte des Gökberg A*****, im Zuge einer der zu E/I geschilderten Tathandlungen mit dem Vorsatz verschafft, dass er oder ein Dritter durch dessen Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die auf Z 5a, von Isa D***** auch auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Isa D*****:
Zu A und C leitete das Erstgericht die Mittäterschaft des Isa D***** aus den gleichlautenden und insoweit auch für glaubwürdig befundenen Angaben der (vormals) mitangeklagten He***** und Ha***** vor der Polizei ab (US 14).
Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist diese Ableitung entgegen dem Einwand der Mängelrüge (Z 5) keineswegs zu beanstanden.
Soweit die Rüge eigene Überlegungen anstellt und auf dieser Basis die von den Tatrichtern aus Verfahrensergebnissen gezogenen Schlüsse kritisiert, verlässt sie den aus Z 5 eröffneten Anfechtungsrahmen.
Dem Mitangeklagten Jusup Z***** nur bezüglich eines Teils seiner Angaben Glauben zu schenken, bezüglich anderer Angaben nicht, stellt für sich keinen Begründungsmangel her (RIS‑Justiz RS0098372).
Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht die Einlassung der gesondert verurteilten (US 11) Mitangeklagten Letschi D***** und Manzor D***** bei den Feststellungen zu D nicht übergangen, sondern als unglaubwürdig verworfen (US 22).
Der aus dem niedrigen Stromverbrauch und den Fotos zum Zustand der Wohnung gezogene und für den Schuldspruch D entscheidende Schluss der Tatrichter, Isa D***** (vgl dazu US 22 f) habe nicht an der gegenüber den Beamten der Bezirkshauptmannschaft behaupteten Adresse, sondern bei seinen Eltern gewohnt, widerspricht weder grundlegenden Erfahrungssätzen noch den Denkgesetzen. Indem die Mängelrüge einzelne der beweiswürdigenden Erwägungen zu D isoliert betrachtet, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS‑Justiz RS0119370). Das Gericht ist im Übrigen nicht nur berechtigt (§ 258 Abs 2 StPO), „zwingende“ Schlüsse, sondern auch Wahrscheinlichkeits-schlüsse zu Tatsachenfeststellungen zu ziehen, welche, wenn sie wie hier logisch, somit vertretbar sind, als Ergebnis freier richterlicher Beweiswürdigung einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen sind (RIS‑Justiz RS0098471 [T3 und T4]).
Mit dem Hinweis auf das Unvermögen des Gerald S*****, Isa D***** als einen der Angreifer zu identifizieren, obwohl er den dritten Täter vor der Polizei genau beschreiben konnte, erweckt die Tatsachenrüge (Z 5a) beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.
Die nicht konkret auf Aktenbestandteile bezogenen Spekulationen der Rüge sind aus Z 5a unbeachtlich (RIS-Justiz RS0117446 [T2]).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Jusup Z*****:
Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) aus den inkonsistenten Angaben des Zeugen Gökberg A***** und der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers anhand eigener Beweiswerterwägungen andere, nämlich für diesen günstigere Schlüsse zieht als das Erstgericht, weckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu E.
Das weitere zu diesem Nichtigkeitsgrund erstattete Vorbringen ist unbeachtlich, weil es sich darin erschöpft, Bedenken ohne direkten Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial aus den Erwägungen der Tatrichter abzuleiten (vgl dazu RIS-Justiz RS0119424).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Zu den Schuldsprüchen des Isa D***** sei hinzugefügt (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO):
Der Schuldspruch C ist verfehlt (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO). Bei allen Delikten, bei denen der Eintritt schwerer Verletzungsfolgen zu einem höheren Strafsatz führt (hier: § 143 Abs 2 erster und zweiter Fall StGB), tritt die Zufügung einer leichten Körperverletzung nicht echt idealkonkurrierend als zusätzliche Deliktsverwirklichung nach § 83 Abs 1 oder Abs 2 StGB hinzu, sondern wird infolge scheinbarer Idealkonkurrenz (Konsumtion) verdrängt (RIS‑Justiz RS0091004 [T2 und T3], RS0092619 [T1 und T18], RS0092807 [T1], Burgstaller/Fabrizy in WK2 StGB § 83 Rz 55 und Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28 bis 31 Rz 61 f).
Zu D enthält das Urteil keine ausreichende Sachverhaltsgrundlage für die rechtliche Konsequenz gewerbsmäßiger Begehung des Betrugs (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO). Diese setzt nämlich (auch) die Absicht voraus, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat über längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, wozu sich im Urteil (US 21) bloß eine Wiedergabe der verba legalia ohne Sachverhaltsbezug findet (RIS‑Justiz RS0119090).
Da sich beide – von der Generalprokuratur zutreffend aufgezeigten – Subsumtionsfehler (Z 10) nicht auf den Strafrahmen auswirkten und auch sonst ohne erkennbare nachteilige Wirkung für Isa D***** blieben, sah sich der Oberste Gerichtshof nicht zu amtswegiger Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) veranlasst.
Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO liegt – entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur – deshalb nicht vor, weil der vom Erstgericht unter dem Gesichtspunkt eines „Zusammentreffen[s] von zwei Verbrechen und zwei Vergehen“ (US 36) herangezogene Erschwerungsgrund nach § 33 Abs 1 Z 1 StGB schon durch das Zusammentreffen von (richtig) drei Verbrechen (vgl dazu US 9 und 12 in Bezug auf die Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Leoben zu AZ 35 Hv 9/19g) mit einem Vergehen jedenfalls abgedeckt ist.
Die Entscheidung über die Berufungen sowie die (teils implizit erhobenen) Beschwerden kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
An die aufgezeigten Rechtsfehler ist das Oberlandesgericht aufgrund der Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof bei der Entscheidung über die Berufung nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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