OGH 14Os109/19i

OGH14Os109/19i14.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Jänner 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart des Schriftführers Mag. Hauer in der Strafsache gegen Imran I***** und andere Angeklagte wegen der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Imran I*****, Yusup M*****, Musa Ma*****, Adam B*****, Okan E***** und Aladin Im***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 5. März 2019, GZ 28 Hv 107/18f‑148, und weiters über die Beschwerde des Angeklagten Imran I***** gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00109.19I.0114.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Yusup M*****, Musa Ma*****, Adam B***** und Okan E***** sowie aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch B./I./1./ der Angeklagten I*****, M*****, Ma*****, B***** und E*****, im Schuldspruch B./I./3./ der Angeklagten S***** und Im***** sowie hinsichtlich des Angeklagten Ma***** in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch B./I./2./ erfassten Tat (auch) nach § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB, demgemäß auch in den Strafaussprüchen sämtlicher Angeklagten (einschließlich der jeweiligen Vorhaftanrechnung), im Ausspruch über den die Angeklagten I*****, M*****, Ma*****, B***** und E***** betreffenden Verfall von 3.120 Euro und im Kostenausspruch des Angeklagten Im***** ebenso wie der die Angeklagten I***** und Ma***** betreffende Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck als Jugendschöffengericht verwiesen.

Der Angeklagte Im***** wird mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, die Angeklagten M*****, Ma*****, B***** und E***** werden mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden soweit sie sich auf die von der Aufhebung umfassten Schuldsprüche beziehen, auf die Kassation verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten M*****, Ma*****, B***** und E***** werden im Übrigen, jene des Angeklagten I***** wird zur Gänze zurückgewiesen.

Die Angeklagten I*****, M*****, Ma*****, B*****, Im***** und E***** werden mit ihren Berufungen, soweit sie den Ausspruch über die Strafen bekämpfen, derAngeklagte I***** auch mit seiner Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss, auf die Kassation verwiesen.

Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten I***** gegen das Adhäsionserkenntnis obliegt dem Oberlandesgericht Innsbruck.

Den Angeklagten I*****, M*****, Ma*****, B***** und E***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen – auch unbekämpft gebliebene Schuldsprüche und einen Freispruch enthaltenden – Urteil wurden, soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden und für die amtswegige Maßnahme von Bedeutung, Imran I***** je zweier Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster Fall StGB (B./I./1./ und 3./) und nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster und zweiter Fall, in einem Fall iVm § 15 StGB (B./I./2./ und 4./), Yusup M***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142, 143 Abs 1 erster Fall, im zweiten Fall als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB (B./I./1./ und III./) und nach §§ 142, 143 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB (B./I./2./), Musa Ma***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142, 143 Abs 1 erster Fall StGB (B./I./1./ und 3./) und nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB (B./I./2./), Adam B***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142, 143 Abs 1 erster Fall StGB (B./I./1./ und 3./) und nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster und zweiter Fall, in einem Fall iVm § 15 StGB (B./I./2./ und 4./), Okan E***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (B./I./1.), Patrick S***** sowie Aladin Im***** jeweils des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (B./I./3./), sowie zudem I*****, M*****, Ma***** und B***** je des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 erster Fall StGB (B./V./) und die vier Letztgenannten sowie E***** jeweils des Verbrechens der Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB (B./II./) schuldig erkannt.

Danach haben

B./ in I***** und an anderen Orten

I./ I*****, M*****, Ma***** und B***** als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12 StGB) anderer Mitglieder dieser Vereinigung mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), teils unter Verwendung von Waffen (B./I./2./ und 4./), fremde bewegliche Sachen Nachgenannten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, abgenötigt und abzunötigen versucht, und zwar

1./ I*****, M*****, Ma*****, B***** und Okan E***** am 21. Dezember 2017 Dino Mar***** „durch strategische Positionierung der beteiligten Personen im Lokal und die Äußerung des E*****, ab sofort beginne der Tschetschenenkrieg, verbunden mit der Forderung, ihm die Kellnergeldtasche samt Bargeld sowie die Schlüssel zum Wettlokal und zu den Spielautomaten auszuhändigen, wobei er in der Folge das in den Spielautomaten enthaltene Bargeld entnahm, Bargeld in Höhe von ca 3.120 Euro“ (abgenötigt);

2./ I*****, M*****, Ma*****, B***** und ein unbekannter Täter am 31. Dezember 2017 Onur G***** durch Versetzen von zwei Schlägen ins Gesicht, sowie die Äußerung, „mach die Kassa auf und gib uns das ganze Geld, sonst zerstören wir hier alles und machen alles kaputt, dich auch“, wobei M***** oder I***** deutlich sichtbar eine Faustfeuerwaffe im Gürtel trug, 3.300 Euro Bargeld (abgenötigt und weggenommen);

3./ I*****, Ma*****, B*****, Patrick S*****, Aladin Im***** und zwei unbekannte Täter am 2. Jänner 2018 Hasan Mi***** durch Versetzen mehrerer Faustschläge und Fußtritte, dessen PKW Mercedes, eine Geldtasche und ein Mobiltelefon „unerhobenen Wertes“ (weggenommen);

4./ I***** und B***** am 10. März 2017 Okan E*****, indem sie an ihm zerrten, B***** eine Faustfeuerwaffe vorzeigte, I***** gut sichtbar an seiner Hand einen Schlagring trug, (US 26) I***** den flüchtenden E***** erfasste, B***** seine Waffe zog, ihm diese an die Brust hielt und äußerte, dass er nicht weglaufen solle, sonst werde er schießen, das aufgeladene Magazin aus der Waffe nahm und es E***** zeigte, um seine Absichten zu verdeutlichen, 5.000 bis 6.000 Euro Bargeld abzunötigen versucht;

II./ I*****, M*****, Ma*****, B***** und E***** am 21. Dezember 2017 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Sezcan K***** durch die an dessen Mitarbeiter Dino Mar***** gerichtete und zur Weiterleitung bestimmte Mitteilung, E***** werde am 22. Dezember 2017 wiederkommen und die zu B./I./1./ angeführten Schlüssel nicht zurückgeben, solange er nicht 5.000 Euro erhalte, sowie die von B***** gegenüber Mar***** getätigte Äußerung, er wolle nicht, dass ihm etwas passiere, somit durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper und am Vermögen, zu einer Handlung, nämlich der Übergabe von 5.000 Euro zu nötigen versucht, die K***** in diesem Betrag am Vermögen schädigen sollte;

III./ M***** am 1. Jänner 2018 I***** durch die sinngemäße Aufforderung „die Sache mit Hasan Mi***** am nächsten Tag zu erledigen“, zur Ausführung der zu B./I./3./ beschriebenen „Tat“ bestimmt;

V./ I*****, M*****, Ma*****, B***** und unbekannte weitere Mittäter „ab“ Anfang 2017 an einem unbekannten Ort durch die Vereinbarung, künftig (US 24:) über einen längeren Zeitraum gemeinsam bewaffnete Raubüberfälle auf Wettlokale zu verüben sowie Betreiber von Wettlokalen im Raum T***** unter Drohung mit dem Tod sowie mit Gewalt zur Bezahlung von Schutzgeld zu erpressen, eine kriminelle Vereinigung gegründet.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die von I***** aus Z 5, 9 lit a und 10, von E***** aus Z 5 und 9 lit a sowie (gemeinsam ausgeführt) von M*****, Ma*****, B***** und Im***** aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden. Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten M*****, Ma*****, B***** und E***** sind teilweise berechtigt. Weiters geben die Rechtsmittel Anlass zu amtswegigem Vorgehen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster und zweiter Fall StPO).

Zum berechtigten Teil der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten M*****, Ma*****, B***** und E***** sowie zu den amtswegigen Maßnahmen:

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) der Angeklagten M*****, Ma*****, B***** und E***** zeigt zutreffend das Fehlen von Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der dem Schuldspruch B./I./1./ zu Grunde liegenden Äußerungen und Handlungen auf.

Raub verlangt unter anderem, dass die auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtete Wegnahme oder Abnötigung einer fremden beweglichen Sache – hier relevant – durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben erfolgt. Präzisiert wird die Gefahr für Leib und Leben durch den Hinweis auf § 89 StGB. Damit wird klargestellt, dass die Ankündigung einer minimalen, im Bagatellbereich liegenden Beeinträchtigung der körperlichen Integrität oder die bloße Drohung mit einer Misshandlung (§ 83 Abs 2, § 115 Abs 1 StGB) für die Subsumtion nach § 142 Abs 1 StGB nicht ausreichen (vgl Eder‑Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 28 ff; RIS‑Justiz RS0118696 [T4]).

Die rechtliche Annahme der Eignung einer (auch nonverbalen) Erklärung, dem Adressaten die begründete Besorgnis einzuflößen, der Täter sei willens und in der Lage, das angekündigte Übel herbeizuführen (RIS‑Justiz RS0092538, RS0092255; Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 74 Rz 34), setzt Feststellungen zum Bedeutungsinhalt dieser Äußerung voraus, die durch die Wiedergabe des Wortlauts oder die bloße Beschreibung des Täterverhaltens nicht ersetzt werden können. Diese Umstände dienen allenfalls der Begründung der Konstatierungen (RIS‑Justiz RS0092437 [T4], RS0092588).

Den Urteilsfeststellungen, wonach sich I*****, M*****, Ma***** und B***** „strategisch im Wettlokal verteilten, wobei sich einer von ihnen direkt neben Dino Mar***** setzte“, diese „Aufstellung“ für Mar***** „bedrohlich wirkte“ und für ihn „aus dem Gehabe der Täter“ eindeutig erkennbar gewesen sei, dass „etwas passieren“ werde, zumal „zwei der Angeklagten Handschuhe trugen“ und er die Aufforderung, die Kassa und die Schlüssel an E***** zu übergeben, dahin verstand, dass, wenn er dieser nicht Folge leisten würde, er mit „massiven Repressalien“ zu rechnen habe (US 27), ist – auch im Zusammenhang mit der im Urteilsspruch angeführten Äußerung des E*****, ab sofort beginne der „Tschetschenienkrieg“ (US 4) – nicht mit Bestimmtheit zu entnehmen, welches konkrete Übel die Täter dem Opfer ankündigten.

Ebenso vermag die Verwendung der verba legalia („durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“) im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) die fehlenden Konstatierungen zu entscheidenden Tatsachen nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0114639).

Des Weiteren fehlen (mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO) in Anbetracht der – hier relevant – konstatierten Absicht der Angeklagten, das Opfer durch die „angeführten Äußerungen“ zu nötigen (vgl US 32), Feststellungen zur subjektiven Tatseite im Hinblick auf die für die rechtliche Beurteilung nach § 142 Abs 1 StGB erforderlichen Konstatierungen zu einem den Einsatz einer qualifizierten Drohung als Nötigungsmittel (deren Bedeutungsinhalt und Ernstlichkeit) umfassenden (zumindest bedingten) Vorsatz (Eder‑Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 44).

Der aufgezeigte Rechtsfehler (Z 9 lit a) haftet dem Schuldspruch B./I./1./ unbekämpft auch zum Nachteil des Angeklagten I***** an und war daher in Bezug auf diesen von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof weiters davon (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass dem Schuldspruch B./I./3./ zum Nachteil der Angeklagten S***** und Im***** ein – von diesen nicht geltend gemachter – Rechtsfehler mangels Feststellungen zur subjektiven Tatseite (Z 9 lit a; vgl US 32) anhaftet, der von Amts wegen wahrzunehmen war.

Schließlich liegt dem Schuldspruch B./I./2./ zum Nachteil des Angeklagten Ma***** ein Rechtsfehler mangels Feststellungen zu einem auf Verwendung einer Waffe gerichteten Vorsatz (Z 10; vgl US 32) zugrunde. Dieser wurde vom Angeklagten Ma***** nicht geltend gemacht und war daher von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Die aufgezeigten Rechtsfehler erfordern die Aufhebung der Schuldsprüche B./I./1./ hinsichtlich aller davon betroffenen Angeklagten und B./I./3./ hinsichtlich der Angeklagten S***** und Im***** sowie des Schuldspruchs B./I./2./ in seiner Subsumtion der Tat (auch) nach § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB hinsichtlich des Angeklagten Ma*****.

In diesem Umfang waren die Rechtsmittelwerber mit ihren Beschwerdeausführungen auf die Aufhebung zu verweisen.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten I*****:

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) kritisiert zu B./I./2./ zur konstatierten Verwendung einer Faustfeuerwaffe beim Raub das Fehlen einer Auseinandersetzung mit den Angaben des Zeugen Onur G***** in der ersten polizeilichen Vernehmung (richtig: ON 53 S 123 ff in ON 75), in der er keinen „metallischen Gegenstand“ erwähnt habe und mit dessen Aussage in der Hauptverhandlung, wonach er nicht genau sagen könne, ob das „Metallische“ eine Waffe gewesen sei (ON 147 S 25, 29).

Die behauptete Unvollständigkeit liegt nicht vor. Denn die Tatrichter, die den Feststellungen zum Tathergang zu B./I./2./ (US 28 ff) die Schilderung des genannten Zeugen zu Grunde legten und dessen Angaben eingehend würdigten (US 49 ff), waren – dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe folgend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) – nicht verhalten, jedes Aussagedetail gesondert zu erörtern (RIS‑Justiz RS0106295). Im Übrigen zitiert die Rüge die relevierte Passage der Aussage des Zeugen G***** unvollständig, da dieser in der Hauptverhandlung angegeben hat, einen „metallischen, waffenähnlichen Gegenstand im Gürtelbereich“ gesehen zu haben (ON 147 S 29). Des Weiteren hat sich der Schöffensenat mit der vom Zeugen zum Ausdruck gebrachten Unsicherheit, ob es sich um eine Waffe handelte, befasst und – logisch und empirisch einwandfrei – dargelegt, dass aufgrund dessen weiteren Angaben (US 49 f) in Zusammenhalt damit, dass dieser trotz abgesonderter Vernehmung in der Hauptverhandlung sichtlich verängstigt gewirkt habe, von einer Tatbegehung unter Verwendung einer Waffe auszugehen gewesen sei (US 50 f). Im Umstand, dass G***** im Rahmen seiner ersten polizeilichen Vernehmung keine Waffe erwähnte, ist ein erörterungspflichtiger Widerspruch mit der bekämpften Feststellung nicht zu erblicken (vgl RIS‑Justiz RS0098646).

Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also über schuld- und subsumtionsrelevante Tatumstände (RIS‑Justiz RS0106268).

Mit der zu B./II./ erhobenen Behauptung von Undeutlichkeit und eines inneren Widerspruchs (Z 5 erster und dritter Fall), betreffend den (mittelbaren oder unmittelbaren) Adressaten der Drohung, da „das Urteil nicht eindeutig erkennen lässt, wer nun der Genötigte ist bzw die Genötigten sind (Dino Mar***** und/oder Sezcan K*****)“, spricht die Mängelrüge keine für die Subsumtion entscheidende Tatsache an (vgl US 28, 32 f iVm US 5; RIS‑Justiz RS0092551).

Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen. Davon ausgehend ist klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz hätte abgeleitet werden sollen (RIS‑Justiz RS0099810; Ratz,WK‑StPO § 281 Rz 581).

Diesen Kriterien entsprechen die Rechts- und die Subsumtionsrüge nicht.

Die zu B./II./ eine rechtliche Beurteilung der Tat nach § 107 Abs 1 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10, nominell auch Z 5) vermisst Feststellungen dazu, „durch welches Verhalten von welchem Genötigten eine unmittelbare Vermögensschädigung“ erfolgt ist.

Nach den Urteilskonstatierungen (US 28, 32 f), forderte E***** am 21. Dezember 2017 von Mar***** die Schlüssel für das Lokal und für die Automaten, behielt den gesamten Schlüsselbund und äußerte gegenüber Mar***** – zur Weiterleitung an dessen Arbeitgeber K***** bestimmt –: „Bevor ich von Chicco (vgl US 27: gemeint K*****) nicht die 5.000 Euro bekomme, und ich komme am 22. Dezember 2017 wieder, werden die Schlüssel nicht zurückgegeben“. Weiters äußerte B***** gegenüber Mar*****, er wolle nicht, dass diesem etwas passiere, wobei die Tat „beim Versuch blieb, weil sie bei der Polizei zur Anzeige gebracht wurde“. Die mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz handelnden Angeklagten hielten es durch diese Äußerungen ernstlich für möglich und fanden sich damit ab, Mar***** „bzw“ K***** mit der Begehung eines „(weiteren) Raubüberfalls“ gefährlich zu bedrohen und „sie“ auf diese Weise zur Übergabe von 5.000 Euro zu nötigen, welche „diese“ im angeführten Betrag geschädigt hätte.

Weshalb diese Konstatierungen die rechtliche Unterstellung nach § 144 Abs 1 StGB in Form des Versuchs (§ 15 StGB) nicht zu tragen vermögen und welche darüber hinausgehenden Feststellungen zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich sein sollten, leitet die Rüge, die das Entwicklungsstadium des Versuchs verkennt (vgl Eder-Rieder in WK2 StGB § 144 Rz 21, 36) und nicht darlegt, inwiefern die Person des Geschädigten die Subsumtion beeinflussen sollte („diesen oder einen anderen schädigt“), nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565). Die vom Beschwerdeführer zitierte oberstgerichtliche Entscheidung (12 Os 49/15w) betrifft einen nicht vergleichbaren Sachverhalt.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet das Fehlen von Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu B./V./, legt aber nicht methodengerecht dar (vgl erneut RIS‑Justiz RS0116565), warum die Konstatierung, wonach es I*****, M*****, Ma***** und B***** hinsichtlich der zu B./I./, II./ und III./ angeführten Taten in der jeweils beschriebenen Zusammensetzung ernstlich für möglich hielten und sich damit abfanden, dass sie als Mitglieder einer zumindest aus den Genannten bestehenden kriminellen Vereinigung, sohin eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses von mehr als zwei Personen unter Mitwirkung anderer Mitglieder dieser Vereinigung, handelten (US 24 f), in Zusammenhalt mit der Feststellung, dass I*****, M*****, Ma***** und B***** sowie unbekannt gebliebene Mittäter zumindest „seit“ Anfang Jänner 2017 beschlossen, über einen längeren Zeitraum von jedenfalls mehreren Monaten in T***** Glücksspiellokale auszurauben und deren Eigentümer zur Zahlung von Geldbeträgen zu erpressen, wobei sie in der Folge mit der Umsetzung ihres Tatplans begannen und diesen bis zu ihren Festnahmen im Jänner 2018 fortsetzten (US 24), nicht ausreichend sei und es zusätzlicher Feststellungen zur inneren Tatseite bedürfe (vgl Plöchl in WK2 StGB § 278 Rz 41; Fabrizy,StGB13 § 278 Rz 5).

 

Zur (gemeinsam ausgeführten, weiteren) Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten M*****, Ma***** und B*****:

Soweit die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zu B./I./2./ in Bezug auf die Verwendung einer Waffe das Fehlen einer vollständigen Auseinandersetzung mit den Angaben des Zeugen G***** releviert, werden die Beschwerdeführer M***** und B***** auf die Antwort zum inhaltsgleichen Vorbringen des Angeklagten I*****, und Ma***** auf die ihn betreffende Kassation des Schuldspruchs B./I./2./ in der Subsumtion der Tat (auch) nach § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB verwiesen.

Mit den Aussagen des Zeugen Hasan Mi***** zu B./I./3./ hat sich das Erstgericht eingehend auseinandergesetzt (US 52, 54 f). Dem Beschwerdestandpunkt (Z 5 zweiter Fall) zuwider, war eine ausdrückliche Erörterung des Umstands, dass der Zeuge bei seiner polizeilichen Vernehmung angab, S***** und Im***** seien vor dem Vorfall wieder weggefahren und er wisse nicht, ob es sich bei dem anschließend hinzugekommenen Kleinwagen um das Fahrzeug S*****s gehandelt habe (AS 283 in ON 236 in [richtig:] ON 79), nicht erforderlich (vgl RIS‑Justiz RS0098646).

Die erhobene Forderung, aufgrund „erheblicher Widersprüchlichkeiten“ der Aussage des Zeugen Mi***** den „Zweifelsgrundsatz“ anzuwenden, übersieht, dass der Grundsatz „in dubio pro reo“ niemals Gegenstand des formellen Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5 StPO sein kann (RIS‑Justiz RS0102162, RS0099419).

Soweit die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zu B./I./4./ kritisiert, die Aussage des Zeugen K***** zu den Eigentums- und Besitzverhältnissen des Wettlokals (ON 147 [richtig:] S 17) sei übergangen worden, spricht sie keinen für die rechtliche Beurteilung entscheidenden Umstand an. Indem die Beschwerde eigene Beweiswerterwägungen zu den Aussagen des Angeklagten E***** und des Zeugen K***** anstellt, erschöpft sie sich in einer unzulässigen Kritik an der Beweiswürdigung der Tatrichter.

Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431).

Die weitere Rüge (zu B./II./) kritisiert die festgestellte Äußerung des Adam B***** gegenüber Dino Mar*****, er wolle nicht, dass ihm etwas passiere (US 28), als aktenwidrig, weil diese den Angaben des Zeugen Mar***** nicht zu entnehmen sei (vgl im Übrigen ON 236 S 211 in ON 79 iVm ON 236 S 155 in ON 79). Eine unrichtige oder unvollständige Wiedergabe des Inhalts der Aussage im Sinn der Z 5 fünfter Fall wird damit allerdings nicht geltend gemacht (RIS‑Justiz RS0099547).

Indem die Mängelrüge (Z 5 fünfter Fall) zu B./III./ aus dem Inhalt des Telefonüberwachungsprotokolls über ein, zwischen M***** und I***** am 1. Jänner 2018 geführtes Telefongespräch (ON 235 [richtig:] S 99 in ON 78) andere (eine Bestimmungstäterschaft des M***** verneinende) Schlüsse als das Erstgericht zieht, entfernt sie sich von der dargelegten Anfechtungskategorie.

Die zu B./I./4./ und B./V./ ausgeführte Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit dem erneuten Hinweis auf die schon in der Mängelrüge angesprochene – im Übrigen keinen entscheidenden Aspekt betreffende – Aussage des Zeugen K***** zu den Besitzverhältnissen des Wettlokals und zu dessen Dienstgebereigenschaft hinsichtlich des E***** [zu B./I./4./] sowie zur fehlerhaften personellen und örtlichen Zuordnung der vier sichergestellten Faustfeuerwaffen [zu B./V./] keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Mit dem Vorwurf einer „Außerachtlassung der amtswegigen Wahrheitsforschung“ – der weder erkennen lässt, welche Beweisaufnahmen die Beschwerdeführer vermissen noch wodurch sie an einer entsprechenden Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert waren – wird die Subsidiarität der Aufklärungsrüge (Z 5a) gegenüber der Verfahrensrüge (Z 4) außer Acht gelassen (RIS‑Justiz RS0115823 [T2], Ratz,WK‑StPO § 281 Rz 479 f). Soweit die Rüge einzelne tatrichterliche Erwägungen zu B./V./ pauschal als „nicht überzeugend“ und als „Scheinbegründung“ kritisiert, richtet sie sich in unzulässiger Form gegen die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.

Der mit Rechtsrüge (Z 9 lit a) erhobene Einwand des Fehlens von Feststellungen zum Begehungsmittel beim Raub zu B./I./2./, weil die konstatierte Ohrfeige (US 29) das Tatbestandsmerkmal der „Gewalt“ im Sinn des § 142 Abs 1 StGB nicht verwirkliche, übergeht prozessordnungswidrig die Gesamtheit der – insoweit unbekämpft gebliebenen – Urteilskonstatierungen (RIS‑Justiz RS0117247 [T2, T5]), wonach das Tatopfer durch Versetzen von zwei Schlägen ins Gesicht (US 29: „links und rechts geohrfeigt“) und durch die Äußerung „Mach die Kassa auf und gib uns das ganze Geld, sonst zerstören wir hier alles und machen alles kaputt, dich auch“ zur Herausgabe von Bargeld genötigt wurde (US 29 iVm US 4).

Zufolge dieser Urteilskonstatierungen spricht die Rechtsrüge keine entscheidende Tatsache an, weil Gewalt und (qualifizierte) Drohung beim Tatbestand des § 142 Abs 1 StGB rechtlich gleichwertige Begehungsformen sind (RIS‑Justiz RS0093803, RS0116655).

Die Rüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) eines substanzlosen Gebrauchs der verba legalia betreffend die Konstatierungen zum Bereicherungsvorsatz zu B./I./3./ legt nicht dar, weshalb es den dazu getroffenen Feststellungen (US 32) am gebotenen Sachverhaltsbezug fehlen sollte (vgl RIS‑Justiz RS0119090).

Das weitere, die Annahme der Unrechtmäßigkeit der Bereicherung kritisierende Vorbringen („... aus nahezu sämtlichen Aussagen ergibt sich, dass Mi***** 4.000 Euro Schulden bei B***** hatte ...“) erschöpft sich bloß unzulässig in eigenen Beweiswerterwägungen (RIS‑Justiz RS0099810 [T33]).

Das Erfordernis einer Feststellung zum Wert des weggenommenen Fahrzeugs des Mi***** wird ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz bloß behauptet (RIS‑Justiz RS0116565; vgl auch RS0090611).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die zu B./III./ das Fehlen von Konstatierungen zur Bestimmungstäterschaft des M***** behauptet, übergeht prozessordnungswidrig die gerade dazu getroffenen Feststellungen (US 30, 32).

Soweit die Rechtsrüge – inhaltsgleich zur Mängelrüge – aufgrund eigener Beweiswerterwägungen zum Inhalt des zwischen M***** und I***** am 1. Jänner 2018 geführten Telefongesprächs (ON 235 [richtig:] S 99 in ON 78) schließt, dass das Erwecken eines Tatentschlusses bei I***** nicht festgestellt werden könne, verfehlt sie den Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

 

Zur (weiteren) Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten E*****:

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst zu B./II./ Feststellungen zu jeglicher Täterschaftsform betreffend E***** und zu einem bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den Mittätern. Sie legt aber nicht dar, weshalb die konstatierte Drohung des E***** gegenüber Mar***** (US 28) in Zusammenhalt mit den in subjektiver Hinsicht getroffenen Feststellungen (US 32 f) die Annahme unmittelbarer Täterschaft (§ 12 erster Fall StGB) nicht tragen sollte und welcher weiteren Feststellungen es bedurft hätte (RIS‑Justiz RS0099620).

Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten M*****, Ma*****, B***** und E***** sowie aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang bereits bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben und diesbezüglich Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 285e StPO).

Gemäß § 285d Abs 1 StPO waren die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten I***** zur Gänze, jene der Angeklagten M*****, Ma*****, B***** und E***** im Übrigen – gleichfalls im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – sofort zurückzuweisen.

Die Angeklagten I*****, M*****, Ma*****, B*****, Im***** und E***** werden mit ihren Berufungen, soweit sie den Ausspruch über die Strafe bekämpfen, derAngeklagte I***** auch mit seiner Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss auf die Kassation verwiesen.

Im weiteren Rechtsgang wird – mit Blick auf das Alter des Angeklagten Im***** zur Tatzeit – gemäß § 46a Abs 1 JGG das Landesgericht Innsbruck als Jugendschöffengericht zu entscheiden haben.

Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten I***** gegen das Adhäsionserkenntnis kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten I*****, M*****, Ma*****, B***** und E***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Die Ersatzpflicht der Angeklagten I***** und Ma***** erstreckt sich nicht auf die mit dem amtswegigen Vorgehen verbundenen Kosten (RIS‑Justiz RS0101558).

Eine Kostenentscheidung zu Im***** entfällt, weil das Urteil im ihn betreffenden Umfang zur Gänze aufgehoben wurde (Lendl,WK‑StPO § 390a Rz 7).

Bleibt zur Aufhebung des Verfallserkenntnisses über 3.120 Euro betreffend die Angeklagten I*****, M*****, Ma*****, B***** und E***** für den zweiten Rechtsgang anzumerken, dass das Gesetz eine Solidar- oder Kumulativhaftung nicht vorsieht (vgl RIS‑Justiz RS0129964).

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