European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060NC00032.19M.1209.000
Spruch:
Als örtlich zuständiges Gericht wird das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien bestimmt.
Begründung:
Die Antragstellerin mit Sitz in Österreich begehrt von der Antragsgegnerin, einem ausländischen Staat, die Zahlung eines Werklohns in Höhe von 75.000 EUR. Sie beantragt unter Anschluss eines Entwurfs der Klage, ein zur Verhandlung und Entscheidung örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen. Die Rechtsverfolgung im Irak sei unzumutbar.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
1. Der aus Planungsarbeiten für den Umbau des Botschaftsgebäudes abgeleitete Anspruch der Antragstellerin unterliegt der österreichischen inländischen Gerichtsbarkeit im engeren Sinn. Dies ist generell der Fall, wenn Bauarbeiten in einem Gesandschaftsgebäude (SZ 2/1), ein Architektenvertrag wegen derartiger Arbeiten (1 Ob 100/98g) oder Reparaturarbeiten an der Heizungsanlage in einem Botschaftsgebäude (Bundesverfassungsgericht NJW 1963, 1732) den Gegenstand der Klage bilden ( Matscher in Fasching/Konecny 3 IX EGJN Rz 215; 8 Nc 16/19y).
2.1. Wie die Antragstellerin zutreffend ausführt, befindet sich der allgemeine Gerichtsstand der Antragsgegnerin in der Republik Irak. Einer Lokalisierung des allgemeinen Gerichtsstands der Antragsgegnerin (auch) in Österreich steht die Judikatur entgegen, wonach ein allgemeiner Gerichtsstand am Sitz der diplomatischen oder konsularischen Vertretung des ausländischen Staats dem österreichischen Recht fremd ist (2 Ob 32/08g).
2.2. Der Missionssitz einer ausländischen Vertretung bildet auch keinen Anknüpfungspunkt für den Vermögensgerichtsstand nach § 99 JN (OLG Wien 17 R 226/86 WR 257; OLG Wien 11 R 1/08 EvBl 1988/76). Auch der Gerichtsstand nach § 99 Abs 3 JN wirkt für ausländische Staaten nicht zuständigkeitsbegründend (RS0124242). Ebenso liegt mangels ausdrücklicher und urkundlich nachweisbarer Vereinbarung des Erfüllungsorts kein Gerichtsstand des Erfüllungsorts gemäß § 88 Abs 1 JN vor.
3.1. § 28 Abs 1 Z 2 JN soll Fälle abdecken, in denen trotz Fehlens eines Gerichtsstands im Inland ein Bedürfnis nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes vorhanden ist, weil ein Naheverhältnis zum Inland besteht und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland nicht gegeben ist (6 Nc 1/19b; 8 Nc 16/19y; Garber in Fasching/Konecny 3 § 28 JN Rz 54).
3.2. Die Klägerin erfüllt die erste der beiden von § 28 Abs 1 Z 2 JN aufgestellten Voraussetzungen mit ihrem Sitz im Inland.
3.3. Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland wird in der Rechtsprechung und Lehre insbesondere dann bejaht, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt oder vollstreckt wird, eine dringende Entscheidung im Ausland nicht rechtzeitig erreicht werden kann, eine Prozessführung im Ausland wenigstens eine der Parteien politischer Verfolgung aussetzen würde oder im Ausland äußerst kostspielig wäre (RS0046148).
3.4. Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland wird aber auch im Fall der Klage gegen einen fremden Staat im Rahmen seiner als privatrechtlich einzustufenden Tätigkeit im Inland angenommen, und zwar vor allem dann, wenn eine – allenfalls in jenem Staat zu erwirkende – Entscheidung mangels Vollstreckungsvertrag im Inland, wo die beklagte Partei exequierbares Vermögen besitzt, nicht möglich ist ( Garber aaO § 28 JN Rz 75 mwN; 8 Nc 16/19y).
3.5. Mangels Vorliegens eines entsprechenden Staatsvertrags wären Entscheidungen irakischer Gerichte in Österreich nicht vollstreckbar (vgl § 406 EO). Schon deshalb wäre im konkreten Fall die Rechtsverfolgung im Ausland unzumutbar.
3.6. Zudem besteht seit 21. 11. 2018 eine Reisewarnung der Stufe 6 für das gesamte Staatsgebiet. Ausdrücklich wird vor Reisen in den Irak gewarnt. Die österreichische Botschaft in Bagdad ist aus Sicherheitsgründen geschlossen. Auf der Website des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres findet sich der wörtliche Hinweis: „Reisewarnungen werden im Regelfall nur in besonderen Krisensituationen ausgesprochen, wenn eine generelle Gefährdung für Leib und Leben besteht. Reisende, die sich in ein Gebiet mit Reisewarnung begeben, müssen sich der möglichen Konsequenzen bewusst sein.“
4. Dem Ordinationsantrag war daher stattzugeben. Unter Bedachtnahme auf die Kriterien der Sach‑ und Parteinähe sowie der Zweckmäßigkeit (RS0106680 [T13]) hatte eine Zuweisung an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu erfolgen, in dessen Sprengel das der Forderung der Antragstellerin zugrunde liegende Bauprojekt ausgeführt wurde (8 Nc 16/19y).
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