OGH 2Ob54/19h

OGH2Ob54/19h28.11.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 2015 verstorbenen J* M*, zuletzt *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Ing. F* M*, vertreten durch Dr. Jürgen Nowotny, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 22. Jänner 2019, GZ 15 R 484/18d‑135, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126947

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die Feststellung der Erbhofeigenschaft zweier Höfe in der Umgebung von Linz nach dem Anerbengesetz.

Das Rekursgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung, mit der die Erbhofeigenschaft lediglich eines Hofs ausgesprochen wurde, ab und stellte die gemeinsame Erbhofeigenschaft beider Höfe fest.

Der Revisionsrekurswerber, der die Feststellung anstrebt, die beiden Höfe stellten weder einzeln noch gemeinsam einen Erbhof dar, zeigt in seinem Rechtsmittel keine Rechtsfrage der in § 62 Abs 1 AußStrG genannten Qualität auf:

Rechtliche Beurteilung

1. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG).

2. Nach der Rechtsprechung bestimmt sich die Frage, ob eine Liegenschaft ein Erbhof im Sinne des Anerbengesetzes ist, danach, ob es sich objektiv um einen landwirtschaftlichen Betrieb handelt, der die Kriterien des § 1 AnerbenG erfüllt (RS0050260). Wesentlich ist nicht, ob eine Liegenschaft tatsächlich von der Hofstelle aus genutzt wird, sondern nur, ob dies objektiv (mit wirtschaftlichen Mitteln) möglich ist. Auch die Verpachtung von Flächen hat auf die Qualifikation als Erbhof keinen Einfluss, weil es auf die objektiven Nutzungsmöglichkeiten ankommt (2 Ob 235/17y mwN). Daher sind die subjektiven Vorstellungen des Erblassers – etwa ob er die Liegenschaft als Wertanlage erworben hat – nicht entscheidend.

3. Zur Frage, ob eine von der Hofstelle entfernte landwirtschaftliche Liegenschaft objektiv, also mit wirtschaftlichen Mitteln, von der Stammliegenschaft aus genutzt werden kann, wurde bereits ausgesprochen, dass der Anerbe weder persönlich Hand anlegen noch ununterbrochen anwesend sein muss, sondern es ausreicht, wenn er den Betrieb leitet (2 Ob 235/17y; 6 Ob 224/09y). Daher wurde selbst eine von der Hofstelle ca 120 km entfernt liegende landwirtschaftliche Liegenschaft, auf der ein Wirtschaftsgebäude vorhanden war, als erbhofzugehörig beurteilt (2 Ob 235/17y).

Wie der Revisionsrekurswerber in seinem Rechtsmittel richtig erkennt, handelt es sich bei der Frage, ob landwirtschaftlich genutzte Liegenschaften eine wirtschaftliche Einheit iSd § 2 Abs 1 AnerbenG bilden, um eine Rechtsfrage. Die Ansicht des Rekursgerichts, die Bewirtschaftung der von der Stammliegenschaft ca 55 km auf der (Bundes‑)Straße entfernt liegenden weiteren Liegenschaften sei von der Stammliegenschaft aus objektiv möglich, sodass eine wirtschaftliche Einheit bejaht werden könne, hält sich im Rahmen der erörterten Rechtsprechung.

4. Der angemessene Erhaltungsbedarf iSd § 1 Abs 1 AnerbenG ist immer nach den örtlichen Verhältnissen zu ermitteln (RS0114347). Seine Ermittlung betrifft somit grundsätzlich den Einzelfall und begründet im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (6 Ob 272/07d; 6 Ob 195/06d). Die Beurteilung des Rekursgerichts, der aus beiden Höfen (jedenfalls) zu erwirtschaftende Durchschnittsertrag von insgesamt rund 49.000 EUR jährlich reiche zu einer angemessenen Erhaltung von zwei erwachsenen Personen nach den örtlichen Verhältnissen aus, bedarf keiner Korrektur.

Stichworte