OGH 10ObS79/19v

OGH10ObS79/19v19.11.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Faber, sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Josef Putz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Ing. Mag. Andreas Reiff, Rechtsanwalt in Stockerau, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. Februar 2019, GZ 8 Rs 90/18s‑66, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00079.19V.1119.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin absolvierte die Matura sowie eine Lehre als Bürokauffrau. Sie übte im (erstreckten, vgl die in diesem Verfahren ergangene Entscheidung 10 ObS 143/15z) Beobachtungszeitraum gemäß § 273 Abs 1 ASVG in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Tätigkeit als Angestellte aus. Sie war zuletzt nicht bloß vorübergehend als Verkaufsleiterin bei zwei Fluglinien beschäftigt. Die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit entspricht der früheren Beschäftigungsgruppe 5 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte. Ihr sind noch Tätigkeiten als Sachbearbeiterin bzw Referentin mit eigenverantwortlichem Tätigkeitsbereich möglich, die in der früheren Beschäftigungsgruppe 4 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte einzustufen sind und bei denen sie ihre mit der Matura, der Lehre und der Tätigkeit als Verkaufsleiterin erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten verwerten kann. Darüber hinaus ist ihr die Tätigkeit einer Statistikerin, ebenfalls einzustufen in der Beschäftigungsgruppe 4 des früheren Kollektivvertrags für Handelsangestellte, möglich.

Die Vorinstanzen wiesen das auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension ab dem 1. 12. 2013 gerichtete Klagebegehren ab.

In ihrer außerordentlichen Revision macht die Klägerin geltend, mit der Verweisung auf die genannten Berufe der Beschäftigungsgruppe 4 sei ein unzumutbarer sozialer Abstieg verbunden.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist nicht zulässig.

1.1. Fragen des sozialen Abstiegs können stets nur einzelfallbezogen beurteilt werden (RIS-Justiz RS0085599 [T30]; RS0084890 [T13]).

1.2. Der Versicherte darf nicht auf Berufe verwiesen werden, die für ihn einen unzumutbaren sozialen Abstieg bedeuten würden. Dabei kommt es auf den sozialen Wert an, den die Ausbildung und die Kenntnisse und Fähigkeiten, die in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit von Bedeutung waren, unter den Verhältnissen zur Zeit des Stichtags haben (RS0084890 [T1]). Die Einstufung einer Tätigkeit in einem Kollektivvertrag kann ein Indiz für die Einschätzung des sozialen Werts sein und daher zur Beurteilung des sozialen Abstiegs herangezogen werden (RS0084890 [T3, T9]).

1.3. Die Verweisung eines Angestellten auf Tätigkeiten, die einer Beschäftigungsgruppe entsprechen, die der bisherigen Beschäftigungsgruppe unmittelbar nachgeordnet ist, wird in ständiger Rechtsprechung in der Regel für zulässig erachtet (RS0085599 [T6, T7, T32]). Dies gilt auch, wenn es sich dabei um Tätigkeiten mit einer geringeren Eigenverantwortung handelt (RS0085599 [T2, T5]). Auch gewisse Einbußen an Entlohnung und sozialem Prestige muss ein Versicherter hinnehmen (RS0085599 [T2, T5, T14]; RS0084890 [T9]). So billigte der Oberste Gerichtshof etwa die Verweisung eines Versicherten, der als Leiter der Vertriebsabteilung in Beschäftigungsgruppe 5 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte einzureihen war, auf die der Beschäftigungsgruppe 4 dieses Kollektivvertrags zugehörende Verkaufstätigkeit mit selbständiger Preisdisposition (10 ObS 124/13b SSV‑NF 27/72).

2.1. Die Revisionsausführungen lassen außer Acht, dass das Berufungsgericht die Verweisbarkeit der Klägerin auf Tätigkeiten einer Sachbearbeiterin bzw Referentin mit eigenverantwortlichem Tätigkeitsbereich – nicht auf „bloße Durchführungstätigkeiten“ – bejahte. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung.

2.2. Die Ausführungen zur Verweisbarkeit eines Geschäftsführers gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (vgl RS0043603; RS0043312), da die Klägerin eine derartige Tätigkeit nicht augeübt hat. Damit wird daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.

2.3. Auf die Frage, ob der vom Berufungsgericht ebenfalls angenommene Verweisungsberuf einer Statistikerin derselben Berufsgruppe (dazu RS0084904; RS0085599 [T27]) zuzuordnen ist wie jener der Verkaufsleiterin kommt es aufgrund der vertretbar angenommenen Verweisbarkeit auf Tätigkeiten einer Sachbearbeiterin bzw Referentin mit selbständigem Tätigkeitsbereich nicht an. Auch in diesem Zusammenhang wird daher keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

Stichworte