OGH 10ObS143/15z

OGH10ObS143/15z15.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Johann Schneller (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Johannes Schuster Mag. Florian Plöckinger Rechtsanwälte GesbR in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich‑Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. September 2015, GZ 8 Rs 67/15d‑25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 11. März 2015, GZ 7 Cgs 167/14h‑22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00143.15Z.0315.000

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die am ***** 1966 geborene Klägerin hat von Juni 1987 bis Mai 1990 eine Lehre als Bürokauffrau absolviert. Von 7. Jänner 2003 bis 31. Dezember 2008 war sie bei einer Fluglinie als Verkaufsleiterin beschäftigt. Eine Tätigkeit wie diese, die in die Beschäftigungsgruppe 5 des Kollektivvertrags für die Handelsangestellten einzustufen ist, ist der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen weder im Innen- noch im Außendienst möglich.

Der Klägerin sind noch Tätigkeiten möglich, die in die Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrags für die Handelsangestellten einzustufen sind.

In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag, das ist im Zeitraum von 1. Dezember 1998 bis 30. November 2013, liegen 41 Monate an Wochengeldbezug und Kindererziehungszeiten. Im Zeitraum von 1. Juli 1995 bis 1. Dezember 1998 liegen 40 Monate an Wochengeldbezug und Kindererziehungszeiten sowie ein Monat einer Erwerbstätigkeit als Angestellte einer Fluglinie (11/1998).

Mit Bescheid vom 27. Februar 2014 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag der Klägerin vom 10. November 2013 auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension ab.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab. Die Klägerin weise die für die Anwendung des § 273 Abs 1 ASVG erforderlichen 90 Pflichtversicherungsmonate einer Erwerbstätigkeit im Zeitraum von 1. Dezember 1998 bis 1. Dezember 2013 „nicht auf“ und könne berufsschutzerhaltend verwiesen werden; eine Verlängerung des Rahmenzeitraums komme nicht in Betracht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und ließ die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Da zwischen dem Ende der Ausbildung und dem Stichtag (1. Dezember 2013) mehr als 15 Jahre lägen, verlängere sich der Rahmenzeitraum, innerhalb dessen zumindest 90 Pflichtversicherungsmonate einer Erwerbstätigkeit als Angestellte (oder nach § 255 Abs 1 ASVG) ausgeübt werden müssten, um Versicherungsmonate nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a ASVG (Zeiten des Wochengeldbezugs), lit d (Präsenzdienst), lit e (Zivildienst) und lit g (Kindererziehungszeiten). Im Fall der Klägerin würde nicht einmal die Verlängerung des Rahmenzeitraums um Zeiten des Wochengeldbezugs und der Kindererziehung vor dem 1. Jänner 2005 dazu führen, dass im Beobachtungszeitraum 90 Pflichtversicherungsmonate einer Erwerbstätigkeit der Klägerin als Angestellte vorlägen. Der Rahmenzeitraum sei nämlich nicht um alle jemals erworbenen Zeiten des Wochengeldbezugs und der Kindererziehung zu erstrecken, sondern nur um jene Zeiten, die in den Beobachtungszeitraum, also in die letzten 15 Jahre vor dem Stichtag fielen. Die Klägerin habe in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1. Dezember 1998 bis 1. Dezember 2013) in 78 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit als Angestellte ausgeübt. In diesem Beobachtungszeitraum von 1. Dezember 1998 bis 1. Dezember 2013 lägen auch 41 Versicherungsmonate (Ersatzzeiten) infolge des Bezugs von Wochengeld und an Kindererziehungszeiten. Eine Verlängerung des 15jährigen Rahmenzeitraums um 41 Monate führe zu einer Ausdehnung des Beobachtungszeitraums auf die Zeit ab 1. Juli 1995. Im Verlängerungszeitraum von 1. Juli 1995 bis 1. Dezember 1998 fielen 40 Versicherungsmonate einer Ersatzzeit an Zeiten des Wochengeldbezugs und der Kindererziehung und ein Versicherungsmonat aufgrund einer Erwerbstätigkeit als Angestellte einer Fluglinie (11/1998). Auch unter Einbeziehung dieses zusätzlichen Versicherungsmonats als Angestellte habe die Klägerin im verlängerten Beobachtungszeitraum von 1. Juli 1995 bis 1. Dezember 2013 nicht in 90, sondern nur in 79 Versicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit als Angestellte ausgeübt.

Der von der Klägerin begehrten weiteren Ausdehnung des Rahmenzeitraums zurück bis Februar 1994 könne nicht gefolgt werden. § 255 Abs 2 Satz 4 ASVG sehe die Verlängerung des Rahmenzeitraums um die in die letzten 15 Jahre vor dem Stichtag fallenden Zeiten nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a, d, e und g ASVG vor; eine weitergehende Verlängerung des Rahmenzeitraums, wenn auch in dem Zeitraum, um den der ursprüngliche Rahmenzeitraum verlängert worden sei, Zeiten nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a, d, e und g ASVG lägen, sei nach dem Wortlaut des § 255 Abs 2 Satz 4 ASVG nicht vorgesehen und ergebe sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien.

Da eine weitere Verlängerung des Rahmenzeitraums um die zwischen 1. Juli 1995 und 1. Dezember 1998 gelegenen Zeiten des Wochengeldbezugs und der Kindererziehung nicht stattfinde, sei das Vorliegen von Berufsunfähigkeit nicht nach § 273 Abs 1 ASVG, sondern nach § 273 Abs 2 ASVG zu beurteilen. Berufsunfähigkeit liege in diesem Fall nur dann vor, wenn der Gesundheitszustand der betroffenen Person so beeinträchtigt sei, dass sie keine Tätigkeit mehr ausüben könne, die am Arbeitsmarkt angeboten wird und ihr auch zumutbar sei. Die Klägerin sei allerdings noch in der Lage, verschiedene kaufmännische Angestelltenberufe auszuüben, weshalb sie nicht berufsunfähig nach § 273 Abs 2 ASVG sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagestattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs‑ und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Eine ‑ der beklagten Partei freigestellte ‑ Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus Gründen der Klarstellung zulässig; sie ist auch im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

In ihrer außerordentlichen Revision stellt die Klägerin in den Vordergrund, dass es in ihrem Fall nicht um den Erwerb, sondern um den Erhalt des Berufsschutzes gehe. Zur Vermeidung einer Benachteiligung von Müttern mit mehreren Kindern sei es zur Erhaltung ihres Berufsschutzes notwendig, den Rahmenzeitraum um alle Zeiten der Kindererziehung auszudehnen. Im Fall der Klägerin wäre der Rahmenzeitraum um mindestens 57 Monate (Wochengeldbezug, Kindererziehungszeiten) zurück bis Februar 1994 zu erstrecken. Dadurch seien 12 Monate ihrer Tätigkeit als Verkaufsleiterin bei einer Fluglinie hinzuzuzählen und es ergäben sich 90 Pflichtversicherungsmonate für die Erhaltung des Berufsschutzes.

Dazu ist auszuführen:

1. § 273 Abs 1 ASVG erhielt die heute noch geltende Fassung mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 2010/111:

„(1) Als berufsunfähig gilt die versicherte Person, deren Arbeitsfähigkeit infolge ihres körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen einer körperlich und geistig gesunden versicherten Person von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist, wenn innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (§ 223 Abs. 2) in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit als Angestellte/r oder nach § 255 Abs. 1 ausgeübt wurde. § 255 Abs. 2 dritter und vierter Satz sowie Abs. 2a sind anzuwenden.“

1.1. Hintergrund des Abstellens auf die Ausübung einer qualifizierten Erwerbstätigkeit in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten war, dass „nur eine längere tatsächliche Ausübung des erlernten (angelernten) Berufes geschützt werden und daher zur Erlangung des Berufsschutzes erforderlich sein soll“ (ErläutRV 981 BlgNR 24. GP  205).

1.2. Die in § 273 Abs 1 ASVG angesprochenen Sätze 3 und 4 des § 255 Abs 2 ASVG in der Fassung des BBG 2011 lauten:

„Liegen zwischen dem Ende der Ausbildung (Abs. 2a) und dem Stichtag weniger als 15 Jahre, so muss zumindest in der Hälfte der Kalendermonate, jedenfalls aber für zwölf Pflichtversicherungsmonate, eine Erwerbstätigkeit nach Abs. 1 oder als Angestellte/r vorliegen. Liegen zwischen dem Ende der Ausbildung (Abs. 2a) und dem Stichtag mehr als 15 Jahre, so verlängert sich der im zweiten Satz genannte Rahmenzeitraum um Versicherungsmonate nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. a, d, e und g.“

Die spätere Ergänzung von Satz 4 (mit dem SVAG, BGBl I 2015/2) um weitere Verlängerungskriterien spielt für die vorliegende Entscheidung keine Rolle.

1.3. § 255 Abs 2a ASVG definiert das „Ende der Ausbildung“ mit dem Abschluss eines Lehrberufes, dem Abschluss einer mittleren oder höheren Schulausbildung oder Hochschulausbildung sowie dem Abschluss einer dem Schul- oder Lehrabschluss vergleichbaren Ausbildung, jedenfalls aber dem Beginn einer Erwerbstätigkeit nach § 255 Abs 1 oder als Angestellte/r.

2. Entscheidend ist, in welchem Rahmenzeitraum die Klägerin in „zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit als Angestellte/r“ ausüben musste, damit für sie der erleichterte Zugang zur Berufsunfähigkeitspension nach § 273 Abs 1 ASVG in Betracht kommt. Wie erwähnt verweist die genannte Bestimmung auf die in § 255 Abs 2 dritter und vierter Satz ASVG vorgesehene Möglichkeit der Verlängerung des Rahmenzeitraums.

2.1. Im Fall der Klägerin liegen zwischen dem Ende ihrer Ausbildung im Mai 1990 (§ 255 Abs 2a ASVG) und dem Stichtag (1. Dezember 2013) mehr als 15 Jahre. In diesem Fall verlängert sich der an sich nach § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG maßgebliche Rahmenzeitraum von 15 Jahren vor dem Stichtag (1. Dezember 1998 bis 30. November 2013) um Versicherungsmonate nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a ASVG (Zeiten des Wochengeldbezugs), lit d (Präsenzdienst), lit e (Zivildienst) und lit g (Kindererziehungszeiten).

Die Klägerin weist in diesem Zeitraum 41 Monate an Wochengeldbezug und Kindererziehungszeiten auf, sodass sich der Rahmenzeitraum zurück bis 1. Juli 1995 verlängert. Im Verlängerungszeitraum von 1. Juli 1995 bis 1. Dezember 1998 wiederum liegen 40 Monate an Wochengeldbezug und Kindererziehungszeiten sowie ein Monat einer Erwerbstätigkeit als Angestellte einer Fluglinie (11/1998).

2.2. Fraglich ist nun,

‑ ob die Verlängerung um alle jemals erworbenen Zeiten dieser Qualifikation erfolgt, wie die Klägerin meint, oder

‑ ob nur die im 15jährigen Zeitraum vor dem Stichtag gelegenen Zeiten dieser Qualifikation den Rahmenzeitraum verlängern, wovon die Vorinstanzen ausgegangen sind.

Denkbar ist auch noch eine weitere Variante, wonach die im 15jährigen Zeitraum vor dem Stichtag gelegenen Versicherungsmonate nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a, d, e oder g ASVG den Rahmenzeitraum verlängern; allfällige im Verlängerungszeitraum gelegene Versicherungsmonate nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a, d, e oder g ASVG verlängern dann erneut den (bereits verlängerten) Rahmenzeitraum.

3.1. Der ‑ nicht ganz eindeutige ‑ Gesetzeswortlaut des § 255 Abs 2 Satz 4 ASVG lässt die Möglichkeit offen, dass im Fall eines Zeitraums von mehr als 15 Jahren zwischen dem Ende der Ausbildung und dem Stichtag alle Versicherungsmonate nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a, d, e und g ASVG, wann immer sie nach dem Ende der Ausbildung gelegen sind, den 15jährigen Rahmenzeitraum verlängern.

3.2. Nach den Gesetzesmaterialien des Budgetbegleitgesetzes 2011 (ErläutRV 981 BlgNR 24. GP  205) kommt es zu einer „Rahmenfristerstreckung“ um Zeiten der Kindererziehung (etc), wenn mehr als 15 „Beobachtungsjahre“ vorliegen und in den „Beobachtungszeitraum“ Zeiten der Kindererziehung, des Bezugs von Wochengeld oder des Präsenz‑ oder Zivildienstes fallen.

Auch diese Erläuterungen lassen die Möglichkeit für eine Verlängerung der 15jährigen Rahmenfrist um alle in der Zeit zwischen dem Ende der Ausbildung und dem Stichtag gelegenen Zeiten der Kindererziehung, des Bezugs von Wochengeld oder des Präsenz‑ oder Zivildienstes offen.

3.3. Nach Sonntag (in Sonntag , ASVG 6 [2015] § 255 Rz 73) führen (nur) solche Zeiten nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a, d, e und g ASVG zu einer Verlängerung des 15jährigen Rahmenzeitraums, die in diesem 15jährigen Zeitraum gelegen sind. Auch Födermayr (in Der SV‑Komm [139. ErgLfg] § 255 Rz 114) geht für eine Rahmenfristerstreckung offenbar davon aus, dass die Zeiten der Kindererziehung, des Wochengeldbezugs und des Präsenz‑ bzw Zivildienstes im (15jährigen) Rahmenzeitraum liegen.

4.1. Diese Ansicht ist angesichts des gesetzgeberischen Ziels (siehe 1.1.) konsequent: Der Berufsschutz nach § 255 Abs 1 bzw § 273 Abs 1 ASVG soll dann eingreifen, wenn in einem bestimmten, unmittelbar vor dem Stichtag gelegenen Zeitraum überwiegend ein qualifizierter Beruf ausgeübt wurde. Die Rahmenfristerstreckung um Zeiten der Kindererziehung etc steht im Zusammenhang damit, dass in diesen speziellen Zeiten der qualifizierte Beruf nicht ausgeübt werden konnte, aber die dafür maßgebenden Gründe (Kindererziehung, Wochengeldbezug, Präsenz‑ oder Zivildienstleistung) vom Gesetzgeber als schützenswert angesehen werden; deshalb wird die 15jährige Rahmenfrist um die entsprechenden Zeiten verlängert, um dem/der Versicherten die effektive Möglichkeit zu bieten, die erforderlichen Beschäftigungszeiten zu erlangen.

Eine länger zurückliegende, vor der jeweiligen (allenfalls verlängerten) Rahmenfrist gelegene Zeit der Kindererziehung, des Wochengeldbezugs, des Präsenzdienstes oder des Zivildienstes steht demgegenüber in keinem Zusammenhang mit der Unmöglichkeit der Ausübung eines qualifizierten Berufs in den unmittelbar vor dem Stichtag gelegenen 15 Jahren; es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum wegen einer Kindererziehungszeit, die beispielsweise 30 Jahre vor dem Stichtag gelegen ist, der 15jährige Rahmenzeitraum verlängert werden sollte.

4.2. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass nicht alle Zeiten der Kindererziehung, des Wochengeldbezugs und des Präsenz‑ oder Zivildienstes zu einer Verlängerung des 15jährigen Rahmenzeitraums führen, sondern in erster Linie nur diejenigen Zeiten dieser Qualifikation, die im 15jährigen Rahmenzeitraum gelegen sind.

Im Fall der Klägerin verlängert sich damit der Rahmenzeitraum um 41 Monate an Wochengeldbezug und Kindererziehungszeiten zurück bis 1. Juli 1995.

5. Bei der Klägerin liegen aber auch im Verlängerungszeitraum (1. Juli 1995 bis 30. November 1998) ‑ neben einem Monat einer Erwerbstätigkeit als Angestellte einer Fluglinie (11/1998) ‑ 40 Monate an Wochengeldbezug und Kindererziehungszeiten vor.

5.1. Ausgehend vom Zweck der Verlängerung des Rahmenzeitraums, dass die Gründe für die Nichtausübung des qualifizierten Berufs als schützenswert betrachtet werden und der Versicherten die effektive Möglichkeit offen stehen soll, in einem angemessenen Zeitraum die erforderlichen Beschäftigungszeiten zu erlangen, ist der Beobachtungszeitraum erneut auszudehnen, hier um 40 Monate an Wochengeldbezug und Kindererziehungszeiten, sodass der maßgebliche Rahmenzeitraum von 1. März 1992 bis 30. November 2013 läuft. Die Wertung des Gesetzgebers, weshalb die genannten Zeiten zu keinem Nachteil der Versicherten beim Erwerb bzw Erhalt des Berufsschutzes führen sollen, trifft in gleicher Weise auch auf die im ersten Verlängerungszeitraum gelegenen Zeiten des Wochengeldbezugs und der Kindererziehung zu.

5.2. Den Feststellungen ist nicht zu entnehmen, ob in diesem Rahmenzeitraum (der im Fall von im letzten Verlängerungszeitraum gelegenen Versicherungszeiten nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a, d, e und g ASVG erneut auszudehnen wäre) 90 Pflichtversicherungsmonate einer qualifizierten Erwerbstätigkeit liegen; dies ist im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen.

6. Festzuhalten ist, dass auch vor dem 1. Jänner 2005 liegende Zeiten, die den Zeiten nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a, d, e und g ASVG entsprechen, den Rahmenzeitraum verlängern können.

Zwar sind in § 255 Abs 2 Satz 4 ASVG die Ersatzzeiten nach § 227 Abs 1 Z 3, 7 und 8 sowie § 227a ASVG nicht genannt. Gerade der 15jährige Rahmenzeitraum, der regelmäßig auch in die Zeit vor dem 1. Jänner 2005 zurückreicht, lässt erkennen, dass es dem Gesetzgeber darum ging, Zeiten einer bestimmten Qualität als geeignet für eine Verlängerung des Rahmenzeitraums anzusehen und nicht nur Zeiten allein nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a, d, e und g ASVG. Offensichtlich hat der Gesetzgeber übersehen, eine normative Gleichstellung mit den Ersatzzeiten nach § 227 Abs 1 Z 3, 7 und 8 sowie § 227a ASVG vorzunehmen, sodass eine planwidrige Lücke anzunehmen ist.

Lehnte man eine planwidrige Lücke und eine verfassungskonforme Analogie ab, wäre die Regelung wohl gleichheitswidrig ( Sonntag , Verfahrens‑ und materiellrechtliche Probleme des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2012, ASoK 2013, 414 [420]; Sonntag in Sonntag , ASVG 6 § 255 Rz 73).

7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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