OGH 5Ob170/19i

OGH5Ob170/19i22.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. A*, 2. C*, beide vertreten durch Dr. Daniela Altendorfer-Eberl, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegner 1. W* Gesellschaft mit beschränkter Haftung, *, vertreten durch die Salzborn Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Wien, 2. A* GmbH, *, vertreten durch Dr. Johann Gelbmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 2 Abs 3 iVm § 37 Abs 1 Z 1 MRG, § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 5. Juni 2019, GZ 39 R 313/18w‑26, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126673

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 22 Abs 4 WGG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Besteht bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln, dass ein Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem Mietrechtsgesetz zustehenden Rechte geschlossen wurde, so kann der Mieter, mit dem der Untermietvertrag geschlossen wurde, begehren, als Hauptmieter des Mietgegenstands mit den sich aus dem Mietrechtsgesetz ergebenden Rechten und Pflichten anerkannt zu werden (§ 2 Abs 3 MRG). Diese Bestimmung des MRG gilt auch für den Anwendungsbereich des WGG (§ 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG).

1.2 Gestützt darauf begehrten die Antragsteller die Feststellung, dass sie aufgrund des mit der Zweitantragsgegnerin geschlossenen Bestandvertrags vom 6. 8. 2007 samt Zusatzvereinbarungen bis zum 31. 12. 2016 Hauptmieter bzw Nutzungsberechtigte von Geschäftsflächen gewesen seien. Der zwischen der Erstantragsgegnerin, einer gemeinnützigen Bauvereinigung, und der Zweitantragsgegnerin abgeschlossene „Generalmietvertrag“ habe nur der Umgehung der Mietzinsbildungsvorschriften des WGG und dem Zweck einer gewinnbringenden Weitervermietung der in einem Nahversorgungszentrum gelegenen Objekte und damit der Umgehung der Förderungsbestimmungen gedient. Das Rekursgericht verneinte ein Zusammenwirken der Antragsgegner zur Umgehung von mietrechtlichen Bestimmungen und bestätigte den diesen Antrag abweisenden Sachbeschluss des Erstgerichts.

2. Materiell‑rechtliche Voraussetzung für die Anerkennung als Hauptmieter nach § 2 Abs 3 MRG ist das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts (RIS-Justiz RS0069660, RS0069854), wobei die von der zitierten Bestimmung erfasste Umgehungsabsicht in der Regel darauf gerichtet ist, durch die Untervermietung ein den sonst zulässigen Mietzins übersteigendes Bestandentgelt zu erzielen und/oder den Kündigungsschutz dadurch auszuschalten, dass das Untermietverhältnis faktisch mit dem Hauptmietverhältnis endet oder aber weitergehende Befristungsmöglichkeiten als beim Hauptmietvertrag zulässig sind (RS0113178).

3.1 Die Revisionsrekurswerber stellen diese Grundsätze nicht in Frage, behaupten aber, dem Rekursgericht sei eine Fehlbeurteilung unterlaufen, weil es die Beweislastverteilung verkannt habe. Liegen genügend Anhaltspunkte für eine Umgehungsabsicht vor oder ist sie offenkundig, ist es Sache der Vermieter, den Anschein dadurch zu widerlegen, dass sie Tatsachen behaupten und beweisen, wonach eine Umgehungsabsicht nicht bestanden hat (RS0069630). Ob es dem Antragsgegner gelungen ist, vorhandene Indizien für eine Umgehungsabsicht zu entkräften, kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RS0069728 [T2]).

3.2 Bereits das Rekursgericht hat unter Berufung auf die Entscheidung zu 5 Ob 128/15g festgehalten, dass die Mietzinsbildungsvorschriften der §§ 62 ff WWFSG keine Anwendung finden, wenn es sich um Wohnungen oder – wie hier – Geschäftsräume handelt, die von einer Gemeinnützigen Bauvereinigung gegen Entgelt überlassen werden. Die Behauptung der Antragsteller, der Generalmietvertrag habe dazu gedient, die nach den Förderbestimmungen geltenden Zinsbeschränkungen zu umgehen, trifft damit nicht zu. Der Umgehung welcher anderer förderrechtlichen Bestimmungen der Abschluss des Hauptmietvertrags mit der Zweitantragsgegnerin gedient haben soll, legen die Rekurswerber auch nicht ansatzweise dar, wenn sie eine erhebliche Rechtsfrage darin zu erblicken vermeinen, ob bereits die Umgehung von Förderbestimmungen „zur Bejahung des Umgehungstatbestands“ führe.

3.3 Demgegenüber steht fest, dass auf Seiten der Erstantragsgegnerin der Hauptgrund für den Abschluss des Generalmietvertrags mit der Zweitantragsgegnerin war, dass ein allfälliges Leerstehungsrisiko, verbunden mit Mietzinsausfällen, auf die Zweitantragsgegnerin überwälzt werden sollte. Die Anwendbarkeit des § 2 Abs 3 MRG ist aber schon dann ausgeschlossen, wenn der Hauptmietvertrag nicht nur (ausschließlich) zu dem nach den Vorstellungen des Gesetzgebers verpönten Umgehungsziel geschlossen wurde, sondern einen anderen Vertragszweck hatte (5 Ob 216/02d, vgl RS0069820 [T4]). Wenn die Antragsteller dem entgegenhalten, dass ein solches Risiko in Wahrheit auf sie als Untermieter überwälzt worden sei, bleiben sie jede Erklärung dafür schuldig, auf welcher Rechtsgrundlage ein solcher Mietzinsausfall durch sie als Untermieter anderer Geschäftsräumlichkeiten kompensiert werden hätte müssen oder – in Anbetracht der festgestellten Leerstehungen und der damit für die Zweitantragsgegnerin verbundenen Mietzinsausfälle – tatsächlich kompensiert wurde. Vielmehr ist mit den Vorinstanzen davon auszugehen, dass das primäre Augenmerk der Zweitantragsgegnerin auf die Vermeidung eines solchen Leerstehungsrisikos gerichtet sein musste, sodass deren Annahme, die Antragsgegner hätten mit dem Hauptmietvertrag auch nicht die Umgehung von Kündigungsvorschriften beabsichtigt, nicht korrekturbedürftig ist. Die Antragsteller behaupten auch gar nicht, dass der Kündigungsschutz zu ihren Lasten beschränkt worden wäre, sondern mutmaßen, dass nach Fristablauf eine Verlängerung des Bestandverhältnisses – bei besseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als den tatsächlich gegebenen – möglicherweise von einer (übermäßigen) Erhöhung des Bestandzinses abhängig gemacht werden hätte können. Damit ergehen sie sich aber in reinen Spekulationen, die von vornherein nicht geeignet sind, eine allenfalls auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts aufzuzeigen.

4. Von im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht kommenden Ausnahmen (dazu RS0030748 [T6; T14]) abgesehen, können auch im Außerstreitverfahren vom Rekursgericht verneinte Verfahrensmängel erster Instanz im Revisionsrekurs nicht nochmals geltend gemacht werden (RS0050037; RS0030748). Das Rekursgericht hat den behaupteten Verfahrensmangel erster Instanz, weil Akten nicht beigeschafft worden sind, nach inhaltlicher Prüfung verneint. Dieser Umstand kann daher unter dem Revisionsrekursgrund des § 66 Abs 1 Z 2 AußStrG nicht mehr releviert werden.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG).

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