OGH 15Os110/19v

OGH15Os110/19v17.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Oktober 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs

Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter H***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. Juli 2019, GZ 14 Hv 8/19z‑30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00110.19V.1017.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die (verbleibenden) Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Begründung:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter H***** des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach § 85 Abs 2 iVm Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 6. Mai 2019 in W***** Gerhard M***** am Körper verletzt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Dauerfolge bei diesem herbeigeführt, indem er mit einem Stanleymesser mehrere Schnittbewegungen gegen dessen linke Halsseite, linken Oberschenkel und rechte Hand führte, wodurch Genannter eine 10 cm lange klaffende Schnittwunde im Halsbereich, eine 8 cm lange Schnittwunde am linken Oberschenkel und eine 2 cm lange Schnittwunde am rechten Daumen erlitt, wobei die Tat im Halsbereich eine auffallende Verunstaltung, nämlich eine (US 3: nach Abheilung dauerhafte, wulstige, weiß gefärbte und deutlich sichtbare) Narbe im Bereich unterhalb des Unterkiefers links zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit b und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Mit dem Vorbringen, aufgrund näher bezeichneter Passagen der Aussagen des Angeklagten und des Zeugen M***** wäre „davon auszugehen gewesen, dass der Angeklagte sich in einer Notwehrsituation befunden habe“, das Erstgericht habe „die entsprechenden Beweise nicht berücksichtigt“, wird kein Begründungsmangel iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO deutlich und bestimmt bezeichnet.

Unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) betrachtet wurden die Aussagen der Genannten, insbesondere jene des Angeklagten, er habe sich bloß gegen einen (einseitigen) Angriff des M***** gewehrt, und jene des Zeugen, er sei dem Angeklagten nachgegangen und habe diesen (im Zuge eines Raufhandels) geschlagen, von den Tatrichtern jedenfalls berücksichtigt, allerdings nicht im vom Angeklagten gewünschten Sinn gewürdigt (US 5–9).

Dem Rechtsmittel gelingt es mit dem Hinweis auf die oben erwähnten Aussagen nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (Z 5a) hervorzurufen.

Die sich auf Notwehr berufende Rechtsrüge (Z 9 lit b) ist prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit des Urteilssachverhalts orientiert, wonach der Angeklagte und sein Rivale nach vorangegangener verbaler Auseinandersetzung in einem schwelenden Konflikt aufeinander zugingen und eine körperliche Auseinandersetzung mit gleichzeitig geführten gegenseitigen Angriffen austrugen, wobei (nur) der Angeklagte ein Messer einsetzte (US 3, 5, 9, 12). Das Vorkommen besonderer (nicht durch Feststellungen geklärter) Umstände in der Hauptverhandlung, die ausnahmsweise die Annahme einer Notwehrsituation zulassen könnten (vgl RIS‑Justiz RS0088726), behauptet selbst die Beschwerde nicht, sodass insoweit auch kein Feststellungsmangel in Rede steht.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) bestreitet unter Berufung auf die Aussagen des Zeugen M***** (vgl dazu US 10) und des gerichtsmedizinischen Sachverständigen (vgl dazu US 11) das Vorliegen einer auffallenden Verunstaltung iSd § 85 Abs 2 (iVm Abs 1 Z 2 zweiter Fall) StGB. Weshalb es aber ungeachtet der im Urteil getroffenen Feststellungen zur verbliebenen Narbe am Hals (US 3, 10 ff) für die rechtsrichtige Beurteilung auf die Bewertung der Auffälligkeit durch das Opfer selbst oder den Sachverständigen ankommen sollte (vgl RIS‑Justiz RS0092584), erklärt die Beschwerde allerdings nicht (vgl dagegen RIS‑Justiz RS0031128, RS0092649, RS0092657). Damit verabsäumt sie abermals die prozessordnungskonforme Darstellung des in Anspruch genommenen materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0099810, RS0116569).

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Gleiches gilt für die – im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (RIS‑Justiz RS0098984). Über die verbleibenden Berufungen wird das Oberlandesgericht zu entscheiden haben (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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