OGH 13Os41/19g

OGH13Os41/19g9.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Oktober 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Jukic in der Strafsache gegen Alena S***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Alena S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 10. Oktober 2018, GZ 43 Hv 41/17f‑687, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00041.19G.1009.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten Alena S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – Alena S***** des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie vom Februar 2013 bis zum 19. Dezember 2013 in B*****, Bratislava und an anderen Orten im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit mehreren Mittätern mit dem Vorsatz, sich oder Dritte durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verantwortliche der Sc***** GmbH und der Sch***** S.R.O. durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, dass

1) die M***** S.R.O. ein Unternehmen sei, das eine mehrjährige und werthaltige Geschäftsbeziehung zum Kunden Mu***** habe und ein einzigartiges Industrieprodukt („Yango Cap Pap“) produziere,

2) die Position „Vorräte“ im Jahresabschluss der M***** S.R.O. zum 31. Dezember 2013 korrekt (und nicht überhöht) ausgewiesen sei sowie

3) die in der Buchhaltung und im Jahresabschluss der M***** S.R.O. mit dem Kunden A***** zum 31. Dezember 2013 ausgewiesenen Umsätze korrekt in Übereinstimmung mit den unternehmensrechtlichen Bestimmungen erfolgt seien,

zum Erwerb der Geschäftsanteile an der M***** S.R.O. und zur Bezahlung des Barkaufpreises von 16.861.000 Euro, somit zu Handlungen verleitet, die die Sc***** GmbH und die Sch***** S.R.O. in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag von zumindest 9.344.000 Euro am Vermögen schädigten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf Z 4, 5, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Alena S*****. Dieser kommt keine Berechtigung zu.

 

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (ON 662 S 12) des Antrags auf Enthebung der Dolmetscherin Mag. K***** (ON 662 S 3) keine Verteidigungsrechte der Alena S***** verletzt.

Die Eintragung der Dolmetscherin in die Gerichtssachverständigenliste für die slowakische Sprache ist infolge § 2 Abs 2 Z 1 lit a SDG ein Indiz dafür, dass die Dolmetscherin die Sprache auch sachkundig übersetzen kann. Aufgrund der Behauptung, Mag. K***** habe Vorhalte und Fragen unvollständig und zum Teil auch fehlerhaft übersetzt, zog die Vorsitzende eine weitere, seit vielen Jahren in der Prüfungskommission für Gerichtsdolmetscher tätige Dolmetscherin für die slowakische Sprache bei, in deren Gegenwart über die Hauptverhandlung angefertigte Ton- und Bildaufnahmen stichprobenartig vorgeführt wurden (ON 662 S 4). Nach der Beurteilung dieser Dolmetscherin war die Übersetzung der Mag. K***** ungeachtet langer Fragestellungen seitens des Gerichts vollständig und – von einem Hörfehler abgesehen (Haft statt Haftung) – auch inhaltlich korrekt (ON 662 S 5 bis 11), womit die Sachkunde der Dolmetscherin Mag. K***** insgesamt nicht in Zweifel stand.

Nach den Feststellungen des Erstgerichts war Alena S***** Geschäftsführerin der M***** S.R.O. (im Folgenden: M*****) und in die wesentlichen geschäftlichen Vorgänge eingebunden, obwohl für das Unternehmen andere Personen als Entscheidungsträger auftraten und sie sich ab dem Jahr 2010 vermehrt um ihren behinderten Sohn kümmerte (US 10 f).

Die Behauptung der Mängelrüge (Z 5), das Erstgericht habe sich in Bezug auf diese Feststellungen nicht mit den Aussagen von Peter L*****, Jozef O***** und Beata N***** auseinandergesetzt (Z 5 zweiter Fall), trifft nicht zu (US 64, 65, 69 und 70). Im Übrigen stehen den relevierten Feststellungen weder diese Aussagen noch die Angaben des Daniel Ma***** und des Miron Ha*****, die Angeklagte S***** noch nie gesehen zu haben, entgegen.

Unter dem Aspekt der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) kann nur ein den Tatrichtern unterlaufenes Fehlzitat im Rahmen der Beweiswürdigung beanstandet, nicht aber geltend gemacht werden, dass aus den Beweisergebnissen andere als die im Urteil gezogenen Schlüsse abzuleiten gewesen wären (RIS‑Justiz RS0099431 [T13]). Mit dem Hinweis auf diverse Details der Aussage des Zeugen Ge***** (ON 664 S 107 ff) wird ein solches Fehlzitat nicht behauptet.

Dass Alena S***** über die wesentlichen geschäftlichen Vorgänge und über den Tatplan informiert war, leitete das Erstgericht aus deren persönlicher und geschäftlicher Verflechtung mit den übrigen Entscheidungsträgern der M***** (US 83), aus ihrer Aussage, sich als Geschäftsführerin die Jahresabschlüsse angesehen zu haben, sowie aus der Tatsache ab, dass sie über den Mitarbeiterstand des Unternehmens detailliert Auskunft geben konnte (US 90 ff). Die Involvierung in die Täuschung der Erwerber folgerte das Gericht aus den Aussagen des Dr. P***** und des DI Mo*****, die das Auftreten der Alena S***** bei den Verhandlungen entsprechend schilderten (US 92 ff), sowie aus ihrem Wissen um die Diskrepanz zwischen dem Verkaufspreis der M***** (mehr als 16 Millionen Euro) und deren Ankaufspreis aus dem Jahr 2004 (rund 6.000 Euro) (US 91 f). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) sind die aus diesen Verfahrensergebnissen gezogenen Schlüsse der Tatrichter – dem Vorbringen zuwider – nicht zu beanstanden.

Im Übrigen wendet sich die Mängelrüge nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Behauptung eines Rechtsfehlers (Z 9 lit a) argumentiert nicht auf der Basis der Feststellungen zur Einbindung der Angeklagten S***** in den Tatplan (US 14), zur Täuschung über die auf dem Produkt „Yango Cap Pap“ basierenden Wirtschaftsdaten (US 37, 52), zur Vorlage eines auf falschen Daten beruhenden Berichts über die wirtschaftliche Lage der M***** S.R.O. im Zuge der Verkaufsverhandlungen und zur vertrauensbildenden Teilnahme der Angeklagten S***** an den abschließenden Verhandlungen und der Vertragsunterzeichnung (US 27, 51 ff, 86, 93, 99).

Solcherart verfehlt die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell verfehlt auch Z 5 erster Fall) den – im Urteilssachverhalt gelegenen – Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Weshalb es angesichts der Feststellungen zum in Mittäterschaft entwickelten und umgesetzten Tatplan, die M***** zu verkaufen und die Erwerber dabei im bewussten und gewollten Zusammenwirken zu täuschen (US 13 f), von entscheidungswesentlicher Bedeutung sei, wer welche Täuschungshandlung im Einzelnen vorgenommen habe, leitet die Rechtsrüge nicht aus dem Gesetz ab (vgl aber RIS‑Justiz RS0116565).

Nach den Feststellungen des Erstgerichts erhielt die Angeklagte S***** eine Million Euro als Entlohnung für ihre Mitwirkung an der strafbaren Handlung (US 56, 150). Indem die Sanktionsrüge (Z 11) ihren Einwand rechtsfehlerhafter Verfallsentscheidung (§ 20 StGB) auf der vom Erstgericht als Schutzbehauptung verworfenen (US 151) Einlassung der Angeklagten S***** entwickelt, es habe sich dabei um die Auszahlung ihrer Dividende gehandelt, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit.

Nach § 20 Abs 1 StGB hat das Gericht Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, für verfallen zu erklären. Da sich der Verfall somit – der Rüge zuwider – nicht nur auf den Gewinn, sondern auf die Vermögenswerte insgesamt bezieht, geht die Argumentation im Übrigen auch im Ansatz fehl.

Entgegen dem weiteren Vorbringen hindert der Zuspruch an den Privatbeteiligten die gleichzeitige Anordnung des Verfalls nicht (RIS‑Justiz RS0129916 [T2]). Die anderslautende Ansicht von Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20a Rz 23 bezieht sich auf eine nicht mehr geltende Rechtslage (dazu eingehend 14 Os 110/14d, SSt 2014/56).

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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