European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0260DS00013.18P.1009.000
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde *****, Rechtsanwalt in *****, schuldig erkannt, die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (dazu 29 Os 1/14k; ebenso 20 Os 26/15x; Gartner in Csoklich/Scheuba, Standesrecht der Rechtsanwälte³, 141; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 1 DSt Rz 75 und § 79 DSt Rz 1; aA in Bezug auf das Vorliegen auch einer Berufspflichtenverletzung 27 Os 6/15g; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO9 § 21 RL‑BA 1977 Rz 5) dadurch begangen zu haben, dass er am 25. März 2015 in einer Presseaussendung einer breiten Öffentlichkeit bekannt machte, dass gegen Rechtsanwalt ***** eine Disziplinaranzeige eingebracht wurde (ES 6), wodurch er gegen die Standespflicht verstieß, Disziplinarangelegenheiten geheim zu halten (§ 21 RL‑BA 1977 [zu dessen Anwendung auf vor dem 31. Dezember 2015 verwirklichte Sachverhalte § 59 Abs 2 und 3 RL-BA 2015]; § 79 DSt).
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 39 DSt wurde von der Verhängung einer Disziplinarstrafe abgesehen.
Der Beschuldigte bekämpft dieses Erkenntnis (ausgenommen das Vorgehen nach § 39 DSt; vgl RIS-Justiz RS0101928) mit Berufung wegen Schuld. Dies aus folgenden Gründen ohne Erfolg.
1. Die Behauptung von Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0128656 [T1]) nach § 281 Abs 1 Z 5 sowie 9 lit a und b StPO verfehlt ihr Ziel.
Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO) hat sich der Disziplinarrat mit dem Inhalt der vom Disziplinarbeschuldigten veranlassten (ES 3 Punkt 2.5. und 4 dritter Absatz; vgl RIS-Justiz RS0126992) OTS-Aussendung (Beilage ./30) durchaus auseinandergesetzt. Dabei war er – dem Gebot gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt; RIS-Justiz RS0098778 [T8]) folgend – nicht gehalten, den gesamten Wortlaut dieser Urkunde in all seinen Details zu erörtern. Der Beschuldigte hat seine Verantwortung für den Inhalt der inkriminierten Äußerung gar nicht in Abrede gestellt (S 1 der Übertragung des Verhandlungsprotokolls ON 11). Wenn er daraus nunmehr für sich günstigere Schlussfolgerungen zur Urheberschaft und zum Bedeutungsgehalt der Aussendung (vgl dazu ES 6 erster Absatz) ableiten will, verfehlt er die gesetzmäßige Ausführung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.
Die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) orientiert sich nicht an den Feststellungen des Disziplinarrats, wonach der Berufungswerber durch die genannte Aussendung zumindest fahrlässig einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht hat, dass gegen Rechtsanwalt ***** eine Disziplinaranzeige eingebracht wurde (ES 6), und leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb darin keine Berufspflichtenverletzung und Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes zu erblicken sei (RIS-Justiz RS0101383; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 79 DSt Rz 2 mwN; Gartner in Csoklich/Scheuba, Standesrecht der Rechtsanwälte3, 141).
Das weitere – einen „Feststellungsmangel zu Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen“ behauptende – Vorbringen (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) übergeht die Konstatierungen (ES 3 f) zur Vertretungstätigkeit der Kanzlei des Beschuldigten und jener von Rechtsanwalt ***** sowie zum Inhalt der einstweiligen Verfügung des Handelsgerichts Wien vom 18. März 2015, AZ *****, auf deren Basis der Disziplinarrat das Vorliegen einer (rechtfertigenden) sachlichen Notwendigkeit der Offenbarung der Disziplinarangelegenheit (zutreffend) verneint hat (ES 5f; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 79 DSt Rz 2 mwN). Die reklamierte Anwendung des § 10 StGB entbehrt methodengerechter Ableitung aus dem Gesetz (vgl dazu im Übrigen – mit Blick auf die hier angenommene fahrlässige Tatbegehung – RIS-Justiz RS0088930; Höpfel in WK2 StGB § 10 Rz 23).
Weiters ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund aus der behaupteten „überlangen Verfahrensdauer“ ein Verfolgungshindernis abzuleiten sein soll (RIS-Justiz RS0074866 [T1, T2 und T5]: überlange Verfahrensdauer ist kein aus der MRK oder einer anderen Rechtsquelle abzuleitender Grund für ein freisprechendes Erkenntnis; vgl auch RS0054839 [T4, T5]) und weshalb ein in einem späteren Verfahren erfolgter Freispruch des Beschuldigten eine hier zu beachtende Sperrwirkung im Sinn des Prinzips „ne bis in idem“ (§ 17 Abs 1 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt; vgl RIS-Justiz RS0056182) entfalten sollte (vgl dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 638 f; Nordmeyer aaO § 190 Rz 20 ff).
2. Mit seiner Berufung wegen Schuld im engeren Sinn vermag der Disziplinarbeschuldigte durch die Wiederholung des Vorbringens der Mängelrüge keine Bedenken an der Lösung der Schuldfrage durch den Disziplinarrat hervorzurufen. Der Beschuldigte hat seine Verantwortlichkeit für den Inhalt der von ihm veranlassten Aussendung nicht in Frage gestellt (vgl wiederum S 1 der Übertragung des Verhandlungsprotokolls ON 11) und der vom Disziplinarrat angenommene Bedeutungsgehalt der inkriminierten Äußerung konnte einwandfrei aus deren Wortlaut abgeleitet werden (vgl ES 6).
3. Die durch unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer bewirkte Grundrechtsverletzung (Art 6 Abs 1 MRK) wird ausdrücklich anerkannt. Da im gegebenen Fall gemäß § 39 DSt von der Verhängung einer Disziplinarstrafe abgesehen wurde, besteht für eine Milderung infolge des Konventionsvertoßes kein Raum. Dass aus unverhältnismäßig langer Verfahrensdauer kein Verfolgungshindernis abgeleitet werden kann, wurde bereits dargelegt.
4. Der Berufung des Beschuldigten war daher keine Folge zu geben.
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