European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00098.19Z.1008.000
Spruch:
Im Beschwerdeverfahren AZ 8 Bs 394/18d des Oberlandesgerichts Graz verletzt der Beschluss vom 2. Oktober 2018 § 39 Abs 1 SMG.
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 31. Jänner 2018, GZ 12 Hv 1/17m‑292, wurde – soweit hier von Bedeutung – Mahdi A*****des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG schuldig erkannt und zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Unter einem wurde die A***** zu AZ 8 BE 48/13h des Landesgerichts Klagenfurt (mit einem Strafrest von zehn Monaten) gewährte bedingte Entlassung widerrufen.
Mit Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 3. September 2018, GZ 12 Hv 1/17m‑358, wurde der Antrag des Verurteilten auf Aufschub des Strafvollzugs gemäß § 39 SMG abgewiesen, weil die gesamt zu vollziehende Freiheitsstrafe von drei Jahren und einem Monat die Grenze des § 39 Abs 1 SMG überschreite.
Mit Beschluss vom 2. Oktober 2018, AZ 8 Bs 394/18d, gab das Oberlandesgericht Graz einer dagegen erhobenen Beschwerde des Verurteilten teilweise Folge, hob den bekämpften Beschluss in seinem den Antrag um Aufschub des Vollzugs der im Urteil verhängten Freiheitsstrafe (von zwei Jahren und drei Monaten) abweisenden Teil auf und verwies die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht Klagenfurt zu neuer Entscheidung; soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags um Aufschub des Vollzugs des Strafrestes (von zehn Monaten) aus der widerrufenen bedingten Entlassung richtete, gab es ihr dagegen nicht Folge.
Das Beschwerdegericht begründete seine Entscheidung zusammengefasst damit (BS 3 ff), dass für den in § 39 Abs 1 SMG statuierten Ausschlussgrund einer nach dem Suchtmittelgesetz verhängten drei Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe jene Strafen, deren bedingte Nachsicht gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO zugleich mit dem Urteil widerrufen wurde, nicht zu berücksichtigen seien. Die Voraussetzungen für den Aufschub des Strafvollzugs seien vielmehr für die im Urteil ausgesprochene Strafe und für jene Strafteile, deren bedingte Nachsicht widerrufen wurde, getrennt zu beurteilen. Im Fall des Widerrufs einer bedingten Entlassung sei ein Aufschub des (diesbezüglichen) Strafvollzugs nach § 39 SMG überhaupt ausgeschlossen.
In ihrer dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes führt die Generalprokuratur dazu Folgendes aus:
„Nach § 39 Abs 1 SMG ist unter den dort genannten Bedingungen der Strafvollzug aufzuschieben, wenn die nach dem Suchtmittelgesetz außer nach § 28a Abs 2, 4 oder 5 SMG oder wegen einer Straftat, die mit der Beschaffung von Suchtmitteln in Zusammenhang steht, verhängte Freiheitsstrafe drei Jahre nicht übersteigt.
Die Stammfassung dieser Bestimmung (§ 39 SMG idF BGBl I 1997/112) verwies für die Zulässigkeit des Aufschubs auf die 'allgemeinen Voraussetzungen und Bedingungen des § 6 Abs 1 des Strafvollzugsgesetzes'.
Nach § 6 Abs 1 StVG ist dem Verurteilten unter bestimmten weiteren Voraussetzungen ein Aufschub des Strafvollzugs zu gewähren, wenn das Gesamtausmaß der zu vollziehenden Freiheitsstrafen eine bestimmte Dauer nicht übersteigt. Die in § 6 Abs 1 Z 1 StVG seit 1. Jänner 1994, BGBl 1993/799, gewählte Gesetzesformulierung 'Ausmaß der zu vollziehenden Freiheitsstrafe' (davor: 'Freiheitsstrafe') bringt den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck, Freiheitsstrafen und (aus gleichzeitigen Widerrufsentscheidungen gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO resultierende) Strafreste in einer Strafvollzugsanordnung (§ 3 Abs 1 erster Satz StVG) zusammenzurechnen (13 Os 144/17a; vgl auch Pieber in WK² StVG § 6 Rz 19; Drexler/Weger, StVG4 § 6 Rz 4).
Der Entfall des Verweises auf § 6 Abs 1 StVG in der Bestimmung des § 39 Abs 1 SMG durch die SMG‑Novelle 2007 (BGBl I 2007/110) sollte der besseren Übersichtlichkeit und Verständlichkeit dienen, indem die 'allgemeinen Voraussetzungen und Bedingungen' dieser Bestimmung 'auf das Wesentliche komprimiert in den Gesetzestext aufgenommen werden' (ErläutRV 301 BlgNR 23. GP , 27). Der Wille des Gesetzgebers, mit dem Urteil verhängte Freiheitsstrafen und Strafen, die aufgrund einer Widerrufsentscheidung ergangen sind, nicht zusammenzurechnen, lässt sich weder aus der Änderung des Gesetzestextes noch aus den bezughabenden Materialien entnehmen. Die hier in Rede stehende Frage der Miteinrechnung von Strafen oder Strafteilen, die Gegenstand eines Beschlusses gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO waren, wurde in den Materialien gar nicht thematisiert.
Bereits aus der Überschrift und insbesondere aus dem Gesetzeswortlaut des § 39 SMG erschließt sich, dass sich die dort genannten, einen Strafaufschub hindernden Zeiten jeweils (nur) auf nicht bedingt ausgesprochene Strafen(‑teile), somit auf deren zu vollziehenden Teil beziehen, wäre doch ein (teil)bedingter Teil einer Freiheitsstrafe jedenfalls nicht in Vollzug zu setzen oder aufzuschieben (vgl Schwaighofer in WK2 SMG § 39 Rz 13; Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 39 Rz 12 f; Oshidari in Hinterhofer SMG2 § 39 Rz 16 f).
Auch will der Gesetzgeber zur Vermeidung von – im Falle nicht erfolgter Zusammenrechnung von Strafteilen resultierenden – „Ratenvollzügen“ grundsätzlich (mit Ausnahme der in § 494a Abs 2 StPO genannten Konstellationen) alle noch offenen bedingten Unrechtsfolgen aus anderen Entscheidungen im Rahmen eines Strafurteils einer spezialpräventiv wirksamen (vgl § 53 Abs 1 erster Satz StGB) Gesamtregelung zuführen (vgl RIS‑Justiz RS0113688; Nimmervoll, Strafverfahren2, Kap V Rz 410).
Eine unterschiedliche Beurteilung von – vom Widerruf gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO betroffener – bedingter Strafnachsicht und bedingter Entlassung ist mit Blick auf den in § 39 Abs 1 SMG enthaltenen Verweis auf § 3 Abs 4 StVG ebenfalls nicht indiziert, will dieser doch bloß klarstellen, dass der Aufschub des Vollzugs – bei (rechtzeitigem) Vorliegen der Voraussetzungen – auch noch nach (formaler) Übernahme in den Strafvollzug zu gewähren ist (vgl ErläutRV 301 BlgNR 23. GP , 28 f). Befindet sich ein Verurteilter – wie auch ein bedingt Entlassener – nicht in Haft, ist dieser – wenn auch allenfalls neuerlich – in der Regel zum Haftantritt aufzufordern (§ 3 Abs 2 StVG). Dass ein Haftaufschub nach § 39 SMG nicht bei jedem auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten möglich sein solle, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Eine isolierte Betrachtung von Strafzeiten aus dem Urteil und in diesem Urteil getroffenen Widerrufsentscheidungen widerspricht zudem der Intention des Gesetzgebers, der nicht nur eine möglichst rasche Strafaufschubsentscheidung, sondern insbesondere einen Therapieantritt ohne Verzögerungen, die sich negativ auf die suchtkranken Betroffenen und deren Therapiewilligkeit auswirken können, anstrebt (ErläutRV 301 BlgNR 23. GP , 28 f). Vorweg zu vollziehende Strafteile stehen einer zeitnahen Therapie entgegen, zumal (freiwillige) therapeutische Maßnahmen im Rahmen des Haftvollzugs weder vom Verurteilten noch von dem in Vollzug setzenden Gericht zu beeinflussen sind und im Rahmen kurzer Haftzeiten in der Regel auch nicht zu einem Therapieerfolg führen können. Darüber hinaus wären nach Absolvierung der Haftzeiten erforderliche therapeutische Maßnahmen im Rahmen eines bereits vor dem Vollzug widerrufener Haftzeiten zu ergehenden Beschlusses gemäß § 39 SMG aufgrund eines allenfalls (durch die oder während der Haft) veränderten gesundheitsbezogenen Bedarfs nicht prognostizierbar.
Eine höchstgerichtliche Entscheidung zur aufgeworfenen Frage existiert noch nicht; vielmehr bestehen bundesweit Divergenzen sowohl in der Judikatur (für eine Zusammenrechnung die Oberlandesgerichte Wien [AZ 17 Bs 14/17h = JSt‑Slg 2017/32, 366, mit Anm Nimmervoll;AZ 132 Bs 129/17s = RIS‑Justiz RW0000944; 131 Bs 258/18f; 18 Bs 238/18h; 21 Bs 221/18f; 23 Bs 345/18f; 20 Bs 29/19i uva] und Linz [AZ 7 Bs 61/19y]) als auch in der Lehre (für eine Zusammenrechnung ['durchaus vertretbar'] Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG³ § 39 Rz 15/2, sowie Nimmervoll, ÖJZ 2013, 712 [714, 717]; dagegen – unter Verweis auf den Gesetzeswortlaut ['verhängten'] – Oshidari in Hinterhofer, SMG² § 39 Rz 20), sodass eine Klärung dieser Rechtsfrage mittels Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes indiziert ist.“
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat hierzu erwogen:
Zutreffend weist die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes darauf hin, dass die im Urteil verhängte (unbedingte) Freiheitsstrafe und Strafen, auf die sich eine gleichzeitig ergangene Widerrufsentscheidung bezieht, den Gegenstand ein und derselben Strafvollzugsanordnung (§ 3 Abs 1 erster Satz StVG) bilden. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über diesbezüglichen Aufschub (§ 5 oder § 6 StVG oder § 39 Abs 1 SMG) kommt – gebündelt – dem Vorsitzenden (Einzelrichter) des „erkennenden“ (§ 397 letzter Satz StPO; § 7 Abs 1 StVG), also jenes Gerichts zu, das (die neue Strafe und) den Widerruf ausgesprochen hat (Jerabek, WK-StPO § 494a Rz 15; Pieber in WK2 StVG § 7 Rz 2; RIS-Justiz RS0101517 [T1]).
Ausgehend davon ist für die Frage, ob die zeitlichen Voraussetzungen des § 6 Abs 1 StVG erfüllt sind, die Gesamtdauer der nach jener einen Strafvollzugsanordnung zu vollziehenden Freiheitsstrafe maßgeblich (13 Os 144/17a mwN = RIS‑Justiz RS0132035).
Gegen die (von der Generalprokuratur angestrebte) Übertragung dieser Rechtsprechung auf § 39 Abs 1 SMG spricht vorderhand (nur), dass dessen Wortlaut – in auffallendem Gegensatz zu § 6 Abs 1 StVG – nicht auf die „zu vollziehende“, sondern auf die „verhängte“ Strafe abstellt. Versteht doch die StPO unter der „verhängten“ jene Strafe, zu welcher der Angeklagte verurteilt wird (§ 260 Abs 1 Z 3 StPO), nicht aber einen zugleich damit ergangenen (beschlussförmigen) Ausspruch nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO (vgl § 270 Abs 4, § 290 Abs 2, § 295 Abs 2 und § 491 Abs 2 StPO; für eine gesonderte Prüfung der Voraussetzungen des § 39 Abs 1 SMG in Bezug auf die neue Verurteilung einerseits und auf die gleichzeitige Widerrufsentscheidung anderseits daher Oshidari in Hinterhofer, SMG2 § 39 Rz 20).
Das § 39 Abs 1 SMG („Aufschub des Strafvollzuges“) zugrundeliegende Verständnis dieses Begriffs allerdings weicht von jenem der StPO (schon) insofern ab, als diese Bestimmung (nur) zu vollziehende (also nicht auch gemäß § 43 Abs 1 oder § 43a StGB bedingt nachgesehene) Strafen(teile) meint (so auch Oshidari in Hinterhofer, SMG2 § 39 Rz 16 mit Hinweis auf den Charakter des § 39 SMG als – § 6 StVG vergleichbarer – Vollzugsvorschrift; ebenso Schwaighofer in WK2 SMG § 39 Rz 13). Nach derselben Ratio sind aber Strafen(teile) oder Strafreste, die aufgrund des zugleich mit dem neuen (urteilsförmigen) Strafausspruch ausgesprochenen Widerrufs einer bedingten Nachsicht oder Entlassung (und somit – den Gegenstand ein und derselben Strafvollzugsanordnung [§ 3 Abs 1 erster Satz StVG] bildend – eben gerade) zu vollziehen sind, gar wohl davon umfasst (vgl Nimmervoll, ÖJZ 2013, 712 [714 und 717]; Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 39 Rz 12, 13 und 15/2).
Hiervon ausgehend ist dem Auslegungsergebnis, das die Generalprokuratur anhand – zutreffender – teleologischer und historischer Überlegungen erzielt hat, uneingeschränkt zuzustimmen:
Im Sinn des § 39 Abs 1 SMG „nach diesem Bundesgesetz außer nach § 28a Abs 2, 4 oder 5“ SMG oder wegen einer der Beschaffungskriminalität zuzuordnenden Straftat „verhängt“ wurde(n) nicht nur die in einer solchen Verurteilung ausgesprochene (unbedingte) Freiheitsstrafe, sondern auch jene Strafen(teile) oder Strafreste, die durch einen zugleich damit gefassten Widerrufsbeschluss aktualisiert wurden. Wegen welcher Tat(en) der Rechtsbrecher zu jener Strafe verurteilt worden war, deren bedingte Nachsicht nun widerrufen wurde oder aus der (allenfalls nur einen von mehreren nacheinander zu vollziehenden Freiheitsstrafen – vgl Pieber in WK2 StVG § 1 Rz 4 und 12 f) ihm die – nun widerrufene – bedingte Entlassung gewährt wurde, ist in diesem Zusammenhang bedeutungslos. Es genügt, dass die nunmehrige – den Grund für die gleichzeitige Widerrufsentscheidung bildende (§ 53 Abs 1 erster Satz StGB; § 494a Abs 1 Z 4 StPO) – Verurteilung (wie von § 39 Abs 1 SMG verlangt) wegen einer Straftat nach dem SMG oder einer Beschaffungstat erging.
Die folgenden, vom Oberlandesgericht für seine gegenteilige Sicht ins Treffen geführten Umstände (BS 3 f) stellen dies nicht in Frage:
‑ dass die – mit der SMG‑Novelle 2008 (BGBl I 2007/110) erfolgte – Gleichstellung von Beschaffungstaten mit Straftaten nach dem SMG in § 39 Abs 1 SMG damit begründet wurde, es solle „für die Beurteilung, ob Strafaufschub“ nach dieser Bestimmung „gewährt werden kann,“ „einheitlich“ (was vom Beschwerdegericht als „ausschließlich“ [BS 3] umgedeutet wird) – nämlich „auch für Fälle der Beschaffungskriminalität“ – „auf die Schwere der einzelnen Tat abgestellt werden, die regelmäßig in der Höhe der konkret verhängten Strafe zum Ausdruck kommt“ (EBRV 301 BlgNR XXIII. GP 27),
‑ dass die nach § 53 Abs 1 StGB notwendige Beurteilung, ob der Widerruf zusätzlich zur neuen Verurteilung spezialpräventiv geboten erscheint, die bereits erfolgte Festsetzung der Strafe für die (solcherart gerade zu berücksichtigende) neue Tat voraussetzt (Jerabek in WK2 StGB § 53 Rz 8; vgl RIS‑Justiz RS0092592 [insbesondere T4, T5]),
- dass mehrere nacheinander zu verbüßende Strafen, Strafteile und Strafreste (unabhängig davon, ob sie Gegenstand einer oder mehrerer Strafvollzugsanordnungen sind) unter dem Aspekt bedingter Entlassung selbständig bleiben, weil § 46 Abs 5 erster Satz StGB keine „Gesamtstrafe“ sui generis entstehen lässt (RIS-Justiz RS0126179),
‑ dass für die Zulässigkeit von Strafaufschub (sowohl nach § 6 Abs 1 als auch nach § 39 Abs 1 SMG) ohne Bedeutung ist, ob nacheinander zu vollziehende Strafen, die „aus verschiedenen Urteilen resultieren“ (gemeint: den Gegenstand verschiedener Strafvollzugsanordnungen bilden), zusammengerechnet (vgl § 1 Z 5 StVG) die jeweilige Höchstgrenze übersteigen (Pieber in WK2 StVG § 6 Rz 17 und 19; Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 39 Rz 12 und 15; Schwaighofer in WK2 SMG § 39 Rz 14; vgl 15 Os 131/89),
‑ dass, wenn der (nunmehrige) Schuldspruch auch andere als in § 39 Abs 1 SMG genannte Straftaten umfasst, bei der Prüfung dieses Zulässigkeitskriteriums (SMG oder Beschaffungstat) die höhere Strafdrohung den Ausschlag gibt (vgl 14 Os 102/06s; dazu näher Oshidari in Hinterhofer, SMG2 § 39 Rz 14) und
‑ dass Strafaufschub nach § 39 Abs 1 SMG die (Mit-)Kausalität der Gewöhnung des Verurteilten an Suchtmittel (§ 39 Abs 1 Z 1 SMG) für die Tatbegehung voraussetzt (12 Os 8/05a; Oshidari in Hinterhofer, SMG2 § 39 Rz 25).
Dass die vom Oberlandesgericht entwickelte Gesetzesauslegung mit der vom Gesetzgeber über Jahrzehnte aufrecht erhaltenen Theorie „Therapie statt Strafe“ konfligiert, hat die Generalprokuratur trefflich hervorgehoben.
Nach dem zuvor Gesagten ist die angesprochene Voraussetzung des § 39 Abs 1 SMG nicht erfüllt, wenn die Summe jener Freiheitsstrafen, die den Gegenstand der (einen) Strafvollzugsanordnung (§ 3 Abs 1 erster Satz StVG) bilden, drei Jahre übersteigt (OLG Wien 17 Bs 14/17h Jst‑Slg 2017/32 und die Anmerkung von Nimmervoll; Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 39 Rz 15/2).
Da genau dies hier vorlag (BS 1 f), war die Zulässigkeit von Strafaufschub nach § 39 Abs 1 SMG jedenfalls (insgesamt) zu verneinen. Indem das Oberlandesgericht der Beschwerde dennoch (teilweise) stattgab, verstieß es gegen diese Bestimmung.
Die aufgezeigte Gesetzesverletzung gereicht dem Verurteilten zum Vorteil, sodass es mit ihrer Feststellung sein Bewenden hat (§ 292 vorletzter und letzter Satz StPO).
Mit Blick auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung, soweit sie – entsprechend ihrer Auffassung, die Voraussetzungen des § 39 Abs 1 SMG seien für jede(n) Strafe(nteil) gesondert zu prüfen – der Beschwerde (zum Teil) nicht Folge gab, sei im Übrigen hinzugefügt, dass die Zulässigkeit von Strafaufschub nicht von der Art der Rechtswohltat (bedingte Nachsicht oder bedingte Entlassung) abhängt, deren Widerruf den Vollzug erfordert:
Zwar trifft es zu, dass eine Freiheitsstrafe, die (aktuell) bereits vollzogen wird, (grundsätzlich) nicht mehr aufgeschoben, sondern bloß noch unterbrochen werden kann (vgl 14 Os 15/89). Für die Zulässigkeit von Strafaufschub (sei es nach § 5 oder § 6 StVG, sei es nach § 39 Abs 1 SMG) wird daher auf den Beginn des Vollzugs der betreffenden Strafe abgestellt (zum Erfordernis der Antragstellung nach § 5 oder § 6 StVG vor diesem Zeitpunkt Pieber in WK2 StVG § 5 Rz 9 und § 6 Rz 4; zu dem von § 39 Abs 1 SMG bedachten Sonderfall der Übernahme des bereits in Haft befindlichen Verurteilten in den Strafvollzug [§ 3 Abs 4 StVG] siehe Oshidari in Hinterhofer, SMG2 § 39 Rz 33 f und Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 39 Rz 28 f, je mwN). Daraus folgt aber – entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts (BS 4) – keineswegs, dass der Aufschub des Vollzugs des Strafrestes aus einer widerrufenen bedingten Entlassung von vornherein unzulässig wäre. Jedenfalls bereits in Vollzug steht nämlich nicht dieser Strafrest, sondern stand(en) zurückliegend jene (allenfalls auch nur eine von mehreren nacheinander zu vollziehenden) Freiheitsstrafe(n), aus welcher (oder welchen) der Verurteilte bedingt entlassen wurde. Der Strafrest aus einer bedingten Entlassung ist – nicht anders als eine (ursprünglich) bedingt nachgesehene Strafe – (überhaupt erst) aufgrund der Widerrufsentscheidung zu vollziehen (vgl RIS‑Justiz RS0092703).
Da der Verurteilte bei richtiger Gesetzesauslegung gar keinen Strafaufschub erhalten hätte dürfen, hat die Folge der letztbehandelten Fehlmeinung des Beschwerdegerichts – nämlich teilweiser Strafvollzug vor einer allfälligen Therapie – auf sich zu beruhen.
Abschließend sei auf folgende Konsequenzen der zu § 6 Abs 1 StVG entwickelten (und nunmehr zu § 39 Abs 1 SMG fortgeschriebenen) Rechtsprechung hingewiesen: Strafaufschub (sei es nach § 6 Abs 1 StVG, sei es nach § 39 Abs 1 SMG) ist – ungeteilt – nur für die Gesamtheit der den Gegenstand ein und derselben Strafvollzugsanordnung (§ 3 Abs 1 erster Satz StVG) bildenden Freiheitsstrafen zu gewähren oder zu versagen. Stellen sie doch (nur) gemeinsam die (eine) „zu vollziehende“ (§ 6 Abs 1 StVG), „verhängte“ (§ 39 Abs 1 SMG) Freiheitsstrafe dar. Es geht daher nicht an, die im Urteil ausgesprochene (unbedingte) Freiheitsstrafe aufzuschieben, jene Freiheitsstrafe, auf die sich eine zugleich damit ergangene Widerrufsentscheidung bezieht, hingegen nicht (oder umgekehrt). Ebenso wenig ist es statthaft, (bloß) eine dieser Strafen gemäß § 39 Abs 1 SMG, die andere aber gemäß § 6 Abs 1 StVG aufzuschieben (vgl Nimmervoll, JSt 2017, 368 [369 f], und Pieber in WK2 StVG § 6 Rz 19 [vgl aber auch Rz 4 und 6, wo nicht nach „Verklammerung“ durch ein und dieselbe Strafvollzugsanordnung differenziert wird]).
Unter den Voraussetzungen des § 40 Abs 1 SMG ist ferner jede(r) einzelne der zuvor gemeinsam nach § 39 Abs 1 SMG aufgeschobenen Strafen(-teile) nachträglich bedingt nachzusehen. Zur Entscheidung hierüber ist gemäß § 40 Abs 1 erster Satz SMG (nicht das „erkennende“ iSd § 397 letzter Satz StPO, sondern) jenes Gericht zuständig, das „in erster Instanz erkannt hat“. Die diesbezügliche Entscheidungskompetenz kommt somit de lege lata – wie nach dem insoweit wortgleichen § 410 Abs 1 StPO (dazu Lässig, WK-StPO § 410 Rz 4; RIS-Justiz RS0112525, jüngst 12 Os 67/19y; zur Zuständigkeit für die nachträgliche Milderung von Strafen, aus deren Vollzug eine später widerrufene bedingte Entlassung gewährt worden war, insbesondere 11 Ns 22/17z; zum Verhältnis des § 40 Abs 1 SMG zu § 410 Abs 1 StPO vgl schon EBRV 110 BlgNR XX. GP 59) – jeweils dem Gericht zu, das die betreffende Sanktion (ursprünglich) ausgesprochen hat (ohne Berücksichtigung des eindeutigen Gesetzeswortlauts aA Fabrizy, SMG6 § 40 Rz 5, wonach jenes Gericht zuständig sei, das „den Aufschub des Strafvollzugs nach § 39 gewährt“ hat, und folgend Oshidari in Hinterhofer, SMG2 § 40 Rz 20; aus – recht sinnhaften, indes ebenso contra legem angestellten – Praktikabilitätserwägungen [zu § 410 StPO] für Zuständigkeit des den Widerruf aussprechenden Gerichts auch Nimmervoll, JSt 2014, 273, sowie ders, Strafverfahren2, Kap VII Rz 118).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)