OGH 9Ob47/19f

OGH9Ob47/19f23.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei ***** F*****, vertreten durch Mag. Dr. Surena Ettefagh, Rechtsanwalt in Frastanz, gegen die beklagte Partei ***** F*****, vertreten durch Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG in Feldkirch, wegen Feststellung, Löschung und Räumung (Revisionsinteresse: Feststellung), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts Feldkirch vom 21. Mai 2019, GZ 1 R 120/19h-182, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0090OB00047.19F.0923.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Soweit revisionsgegenständlich, erachteten die Vorinstanzen den zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Übergabsvertrag mangels Geschäftsfähigkeit des Klägers als unwirksam. In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision, in der primär Verfahrensmängel geltend gemacht werden, zeigt der Beklagte keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1.  Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Mangel im erstinstanzlichen Verfahren, der in der Berufung zwar geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint wurde, nicht mehr in der Revision erfolgreich gerügt werden (RS0042963). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben, umgangen werden (RS0042963 [T58]). Nur wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hat, liegt ein Mangel des Berufungsverfahrens selbst vor, der als Feststellungsmangel in der Revision (mittels Rechtsrüge) geltend zu machen ist (RS0040597 [T3, T4]; RS0043086; RS0043166).

2.  Grundsätzlich ist auch die Beweiswürdigung selbst und die Beurteilung, ob ein Gutachten schlüssig ist oder noch weitere Zeugen zu vernehmen sind, nicht revisibel (RS0043371 [T15]). Insbesondere fällt auch die Frage der Vollständigkeit und Schlüssigkeit eines Sachverständigengutachtens und die allfällige Notwendigkeit einer Ergänzung (oder eines Vorgehens nach § 362 Abs 2 ZPO) in den Bereich der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung (RS0113643 ua), ebenso jene Frage, ob die eingeholten Sachverständigengutachten erschöpfend sind oder ob noch weitere Fragen an die Sachverständigen zu stellen gewesen wären (RS0043163). Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht oder nur so mangelhaft befasst, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten sind, ist sein Verfahren mangelhaft (RS0043371 [T14]).

3.  Solche Mängel in den Ausführungen des Berufungsgerichts liegen hier nicht vor. Das Berufungsgericht hat sich zur Beweisrüge des Beklagten entgegen den Revisionsausführungen in seiner mehrseitigen Behandlung der Beweisrüge (S 20 ff) mit der umfassenden Beweiswürdigung des Erstgerichts zum Gutachten des Gerichtssachverständigen ***** (Ersturteil S 5–10) auseinandergesetzt, wobei es ua auch ausführlich auf die Stellungnahme von ***** und das Privatgutachten ***** einging. Dass das Berufungsgericht die Beweiswürdigung des Erstgerichts nicht beanstandete, begründet danach keinen revisiblen Mangel des Berufungsverfahrens.

4.  Das gilt auch, soweit sich der Beklagte gegen die Verlesung und Verwertung der bisherigen Gutachten richtet. Bereits das Erstgericht wies darauf hin, dass die Bestellung des weiteren Gerichtssachverständigen ***** mit dem Auftrag (ON 77) erfolgte, sich mit sämtlichen bisher vorliegenden Gutachten, sohin auch jenem des ersten Gerichtssachverständigen, auseinanderzusetzen, was auch dem Verständnis dieses Gutachters entsprach (s ON 78) und vom Beklagten nicht beanstandet wurde. Der Beklagte meint aber, dem Erstgutachten wären Parteien- und Zeugenaussagen zugrunde gelegen, gegen deren Verlesung er sich nach dem Richterwechsel ausgesprochen hätte. Sie wären neuerlich einzuvernehmen gewesen und hätten nicht über eine „Hintertür“ Berücksichtigung finden dürfen. Dass mit der Berücksichtigung von Protokollen über Parteien- und Zeugenaussagen durch einen Sachverständigen nicht gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen wurde, hat bereits das Berufungsgericht ausführlich dargelegt. Es ist auch nicht erkennbar, warum aktenkundige Schilderungen von Zeugen und Parteien von einem Sachverständigen nicht berücksichtigt werden dürften. Im Übrigen ging das Berufungsgericht hier von einer nicht gesetzmäßigen Ausführung des Verfahrensmangels aus.

5.  Der Beklagte wendet sich schließlich gegen die „Nichtbeachtung“ eines Privatgutachtens. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Gericht nicht verpflichtet, allfällige

Widersprüche zwischen einem

Privatgutachten, auch wenn dieser Gutachter generell gerichtlich beeidet ist, und dem Gutachten eines vom Gericht zur Erstattung eines Gutachtens in einer bestimmten Rechtssache herangezogenen Sachverständigen aufzuklären. Es kann sich vielmehr ohne weitere Erhebungen dem ihm als verlässlich erscheinenden Gutachten anschließen (RS0040592). Das Berufungsgericht setzte sich aber ohnedies auch mit dem Privatgutachten auseinander, wobei es aufzeigte, dass der Privatgutachter den Kläger nicht untersucht hatte und ihm die Protokolle der Streitverhandlungen nicht zur Verfügung standen, und kam zum Ergebnis, dass dadurch eine relevante Erweiterung der Sachverhaltsgrundlage nicht zu erreichen war. Ein unrichtiges Verständnis des Berufungsgerichts vom Verfahrensrecht wird auch hier nicht aufgezeigt.

6.  Auf diese Erwägungen ist der Beklagte auch mit seiner Rechtsrüge zu verweisen.

7.  Da die außerordentliche Revision des Beklagten daher insgesamt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist sie zurückzuweisen, ohne dass der Zurückweisungsbeschluss einer weiteren Begründung bedürfte.

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