European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E126555
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Im Verlassenschaftsverfahren nach der Erblasserin haben drei ihrer Töchter, darunter die Revisionsrekurswerberin, aufgrund eines Testaments bedingte Erbantrittserklärungen zu je einem Drittel des Nachlasses abgegeben. Das Inventar wurde errichtet, die Verlassenschaftsabhandlung jedoch vom Gerichtskommissär bis zum Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens nach dem vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin „vertagt“.
[2] Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung den Antrag der Revisionsrekurswerberin auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators zur Durchsetzung der der Verlassenschaft zukommenden Pflichtteilsansprüche im Verlassenschaftsverfahren nach dem vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der dagegen gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:
[4] 1. Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 173 Abs 1 AußStrG vorliegen, besteht ein Ermessensspielraum des Verlassenschaftsgerichts (2 Ob 218/15w), sodass in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG vorliegt (vgl 2 Ob 20/18g [Kollisionskurator]).
[5] 2. Immer dann, wenn Vertretungshandlungen im Zusammenhang mit einem Nachlass anstehen, sind schon aus Gründen der Rechtssicherheit klare Vertretungsverhältnisse zu schaffen (RS0123140). Entscheidend ist das objektive Interesse des ruhenden Nachlasses; besteht die Gefahr, dass der Anspruch des ruhenden Nachlasses später nicht mehr durchgesetzt werden kann, ist die Bestellung eines Verlassenschaftskurators zweckmäßig (2 Ob 218/15w).
[6] 3. Mögliche Ansprüche der Verlassenschaft, die allenfalls in einem Streitverfahren durchgesetzt werden müssen, stehen der Einantwortung nicht entgegen. Ist die Einantwortung möglich, so ist es im Regelfall nicht erforderlich, durch Bestellung eines Verlassenschaftskurators für eine Vertretung des ruhenden Nachlasses zu sorgen, es sei denn, im Einzelfall wären dringende Maßnahmen zu setzen, mit denen nicht bis zur Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses zugewartet werden könnte (2 Ob 218/15w).
[7] 4. Das Rekursgericht war der Ansicht, die im Antrag der Revisionsrekurswerberin behauptete Uneinigkeit der erbantrittserklärten Erbinnen über die Höhe des Pflichtteilsanspruchs der Verlassenschaft und über hinzu‑ und anrechnungspflichtige Schenkungen erfordere keine Bestellung eines Verlassenschaftskurators, weil das gegenständliche Verlassenschaftsverfahren einantwortungsreif sei. Damit hat es die dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze und den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum nicht verlassen. Das Erfordernis konkreter dringlicher Maßnahmen, mit denen im Interesse des ruhenden Nachlasses bzw der Erben nicht bis zur Rechtskraft der Einantwortung zugewartet werden könnte, ist weder aktenkundig noch liegen entsprechende Behauptungen vor. Der abstrakte Hinweis im Revisionsrekurs auf das Recht eines Pflichtteilsberechtigten, einen Antrag auf Absonderung der Verlassenschaft nach § 812 ABGB zu stellen, reicht dazu nicht aus.
[8] 5. Mit ihren gegen das Neuerungsverbot (§ 66 Abs 2 AußStrG) verstoßenden Ausführungen, die Verlassenschaft sei aufgrund einer noch zu Lebzeiten abgegebenen Erbantrittserklärung der Erblasserin im Verlassenschaftsverfahren nach deren vorverstorbenen Ehemann Partei eines Verfahrens über das Erbrecht und die erbantrittserklärten Erbinnen seien auch in diesbezüglichen Vertretungshandlungen (angeblich) uneinig, vermag die Revisionsrekurswerberin weder eine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens noch eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen. Im Übrigen wird auch nicht behauptet, dass dort dringliche Verfahrenshandlungen notwendig wären.
[9] 6. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen. Ein an sich erforderliches Verbesserungsverfahren (§ 89c Abs 6 GOG), weil der Vertreter der Revisionsrekurswerberin das Rechtsmittel entgegen § 89c Abs 5 Z 2 GOG nicht im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht hat, konnte unterbleiben (RS0128266 [T12]).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)