European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00218.15W.0628.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Die Erblasserin ist am ***** gestorben. Zu ihrem Nachlass haben die beiden Kinder aufgrund des Gesetzes Erbantrittserklärungen abgegeben. Vor ihrem Tod hatte die Erblasserin ihrem Sohn vertraglich eine Liegenschaft übergeben, wobei die bücherliche Durchführung erst nach dem Tod erfolgte. Die Tochter ist der Auffassung, dass der Übergabevertrag wegen Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin unwirksam gewesen sei.
Mit den angefochtenen Beschlüssen hat das Erstgericht 1. den Antrag der Tochter, einen Verlassenschaftskurator zur Vertretung des Nachlasses zur gerichtlichen Anfechtung des zwischen der Erblasserin und dem Sohn abgeschlossenen Übergabsvertrags zu bestellen, abgewiesen, und 2. die Verlassenschaft dem Sohn und der Tochter jeweils zur Hälfte eingeantwortet, sowie aufgrund der Ergebnisse der Verlassenschaftsabhandlung im Grundbuch auf einem Liegenschaftsanteil entsprechende Eintragungen verfügt.
Das Rekursgericht gab weder dem Rekurs beider Kinder gegen den Einantwortungsbeschluss noch jenem der Tochter gegen die Abweisung des Antrags auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators statt. Ein Verlassen-schaftskurator sei nicht notwendig, weil die Rekurswerberin ihren Anspruch nach der Einantwortung selbst gegen den Miterben richten könne. Ansonsten stehe einer Einantwortung der Verlassenschaft nichts entgegen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Tochter , und zwar sowohl gegen die Abweisung des Antrags auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators zur Durchsetzung des behaupteten Anfechtungsanspruchs als auch gegen die ohne Rücksicht auf das Ergebnis einer solchen Anfechtung vorgenommene Einantwortung.
Das Rekursgericht weiche von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ab, weil es kein objektives Interesse des ruhenden Nachlasses an der Durchsetzung des behaupteten Anfechtungsanspruchs anerkenne, obwohl die Erblasserin im Zeitpunkt des strittigen Übergabsvertrags geschäftsunfähig gewesen sei. Dafür, wann die Kuratorenbestellung iSd § 173 AußStrG „erforderlich“ sei, sei entscheidend, ob notwendige Vertretungshandlungen anstünden und aus Gründen der Rechtssicherheit klare Vertretungsverhältnisse zu schaffen seien. Wichtiges Entscheidungskriterium für die Bestellung eines Verlassenschaftskurators sei auch die Beschaffenheit des Nachlasses, insbesondere dann, wenn er Liegenschaftsvermögen enthalte. Vor allem bei Gefahr, dass der Anspruch des ruhenden Nachlasses später nicht mehr durchgesetzt werden könne, sei die Bestellung eines Verlassenschaftskurators zweckmäßig. Das Rekursgericht übersehe, dass eine Klage der Tochter gegen den Miterben auf Feststellung der Nichtigkeit des strittigen Übergabsvertrags kein taugliches Mittel sei, um die Unwirksamkeit dieses Vertrags herbeizuführen, weil ein solches Urteil nur Rechtskraftwirkung zwischen den Streitteilen, nicht aber zwischen der Verlassenschaft und dem Beschenkten erzeugen könne. Damit könne weder die Grundbuchseintragung zugunsten des Beschenkten rückgängig gemacht noch die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Liegenschaft übertragen werden. Dieses Interesse rechtfertige die Verfolgung des Anfechtungsanspruchs durch die Verlassenschaft, die bei Uneinigkeit der Erben, wie im vorliegenden Fall, nur durch einen Verlassenschaftskurator erfolgen könne.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig , weil es einer Klarstellung der Rechtslage bedarf; er ist aber nicht berechtigt .
1. Zur Anfechtung eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags ist vor der Einantwortung der ruhende Nachlass, vertreten durch die nach § 810 ABGB verwaltenden Erben oder durch einen Verlassenschaftskurator, legitimiert (RIS‑Justiz RS0008114; zuletzt 1 Ob 7/07x, 3 Ob 111/07f, 3 Ob 9/08g und 6 Ob 18/10f; die allenfalls gegenteiligen E 8 Ob 574/88 und 4 Ob 561/94 sind vereinzelt geblieben; von 4 Ob 561/94 ist der 4. Senat zudem in 4 Ob 227/01p ausdrücklich abgegangen). Nach der Einantwortung obliegt die Anfechtung nach allgemeinen Grundsätzen (RIS‑Justiz RS0013002) den Erben (1 Ob 17/09w; vgl auch 2 Ob 155/98b).
2. Das Bestehen eines strittigen Anspruchs der Verlassenschaft steht der Einantwortung nicht entgegen.
2.1. Nach § 177 AußStrG hat das Gericht den Erben die Verlassenschaft einzuantworten, wenn die Erben und ihre Quoten feststehen und die Erfüllung „der übrigen Voraussetzungen“ nachgewiesen ist. Dabei geht es im Wesentlichen um die nach § 176 AußStrG erforderlichen Maßnahmen, besonders gegenüber Pflichtteilsberechtigten und Legataren ( Sailer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 177 Rz 8; Bittner/Hawel , Verlassenschaftsverfahren, Rz 113, in Gruber/Kalss/Müller/Schauer , Erbrecht und Vermögensnachfolge). In ähnlicher Weise bestimmt § 819 ABGB, dass dem Erben die Erbschaft einzuantworten ist, sobald das Gericht über seine Erbantrittserklärung erkannt und der Erbe die „Erfüllung der Verbindlichkeiten“ geleistet hat. Darunter ist nach geltendem Recht nur mehr die in § 176 Abs 2 AußStrG genannte Sicherstellung zu verstehen ( Welser in Rummel/Lukas 4 § 817 Rz 1).
2.2. Die Einantwortung wird daher nicht dadurch gehindert, dass dritte Personen an Nachlassgegenständen (Eigentums-)Ansprüche erheben ( Nemeth in Schwimann/Kodek § 819 Rz 2 unter Bezugnahme auf 2 Ob 941/53). Auch umgekehrt wird in keiner der genannten Bestimmungen auf die Einleitung oder Fortsetzung von Zivilprozessen des Nachlasses abgestellt oder deren Beendigung als Einantwortungsvoraussetzung vorgesehen. Laufende Rechtsstreitigkeiten sind nach Rechtskraft der Einantwortung mit den Erben fortzusetzen; die Parteienbezeichnung ist von Amts wegen richtigzustellen ( Welser in Rummel ³ § 547 ABGB Rz 6; Nemeth in Schwimann/Kodek ABGB 4 § 819 Rz 12). Die Durchsetzung noch nicht anhängig gemachter Ansprüche obliegt den Erben im eigenen Namen. Dafür steht ihnen, wenn die Unwirksamkeit einer Liegenschaftsübertragung behauptet wird, auch die Löschungsklage nach § 61 GBG zur Verfügung (2 Ob 155/98b mwN).
3. Im konkreten Fall hätte daher zwar der ruhende Nachlass die Ungültigkeit des Übergabevertrags mit Klage geltend machen können. Diese Möglichkeit stand der Einantwortung aber nicht entgegen. Aus diesem Grund hatte das Erstgericht, da die übrigen Voraussetzungen vorlagen, den Einantwortungsbeschluss zu erlassen. Der dagegen gerichtete Revisionsrekurs muss daher jedenfalls scheitern. Der Tochter steht es frei, die Ungültigkeit des Titelgeschäfts im Ausmaß ihrer Erbquote mit Löschungsklage gegen ihren Bruder geltend zu machen.
4. Aufgrund der Einantwortung bestand keine Notwendigkeit, durch Bestellung eines Verlassenschaftskurators für eine Vertretung des ruhenden Nachlasses zu sorgen; die Abweisung des darauf zielenden Antrags ist daher zwingende Folge der Einantwortung. Der Revisionsrekurs muss daher auch in diesem Punkt scheitern. Dem Rechtsmittelvorbringen ist insofern noch Folgendes entgegenzuhalten:
4.1. Nach § 173 Abs 1 AußStrG ist unter anderem dann, wenn sich die Personen, denen gemeinschaftlich die Rechte nach § 810 ABGB zukommen, über die Vertretung oder einzelne Vertretungshandlungen nicht einigen, erforderlichenfalls vom Verlassenschaftsgericht ein Verlassenschaftskurator zu bestellen. Mangels näherer Determinierung dieser Voraussetzungen wird damit dem Verlassenschaftsgericht ein Ermessensspielraum eröffnet. Immer dann, wenn Vertretungshandlungen im Zusammenhang mit einem Nachlass anstehen, ist aus Gründen der Rechtssicherheit für klare Vertretungsverhältnisse durch Bestellung eines Kurators zu sorgen. Entscheidend ist das objektive Interesse des ruhenden Nachlasses; besteht die Gefahr, dass der Anspruch des ruhenden Nachlasses später nicht mehr durchgesetzt werden kann, ist die Bestellung eines Verlassenschaftskurators zweckmäßig (RIS‑Justiz RS0123140, 2 Ob 243/07k, 2 Ob 176/11p; Sailer in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 173 Rz 3 mwN).
4.2. Voraussetzung für die Bestellung eines Kurators ist daher die Notwendigkeit einer Vertretung des ruhenden Nachlasses. Da dieser aber mit Rechtskraft der Einantwortung endet, fällt die Notwendigkeit einer Vertretung spätestens zu diesem Zeitpunkt weg. Im konkreten Fall wäre daher nur dann ein Kurator zu bestellen gewesen, wenn die Einantwortung aus anderen Gründen noch nicht möglich gewesen wäre oder wenn – wofür es aber keinen Anhaltspunkt gibt – trotz des bereits gefassten Einantwortungsbeschlusses dringliche Maßnahmen gewesen wären, mit denen im Interesse des Nachlasses (und der Erben) nicht bis zur Rechtskraft der Einantwortung zugewartet werden konnte. Auch in diesem Fall wäre der Kurator aber nach der Einantwortung zu entheben gewesen; ein von ihm eingeleitetes Verfahren wäre in Ansehung des Sohnes wegen Vereinigung iSd § 1445 ABGB (RIS‑Justiz RS0012291) mangels Parteienverschiedenheit einzustellen gewesen ( Welser in Rummel ³, § 547 ABGB Rz 6).
4.3. Richtig ist, dass der Senat in 2 Ob 39/03d in einer möglicherweise vergleichbaren Situation die Bestellung eines Kurators für erforderlich gehalten hat. Aus der Entscheidung geht aber nicht hervor, warum das allfällige Bestehen eines Anspruchs die Einantwortung gehindert hätte und warum trotz einer möglichen und damit nicht im Ermessen des Gerichts stehenden Einantwortung die Bestellung eines Kurators erforderlich gewesen wäre. Soweit der Entscheidung entnommen werden kann, dass mit der Einantwortung generell bis zur Klärung strittiger Ansprüche zugewartet werden müsste, hält sie der Senat jedenfalls nicht aufrecht.
5. Aus diesen Gründen muss der Revisionsrekurs der Tochter scheitern. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:
Mögliche Ansprüche der Verlassenschaft, die allenfalls in einem Streitverfahren durchgesetzt werden müssen, stehen der Einantwortung nicht entgegen.
Ist die Einantwortung möglich, so ist es im Regelfall nicht erforderlich, durch Bestellung eines Verlassenschaftskurators für eine Vertretung des ruhenden Nachlasses zu sorgen. Anders wäre nur dann zu entscheiden, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalls dringende Maßnahmen zu setzen sind, mit denen nicht bis zur Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses zugewartet werden kann.
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