European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00099.19A.0911.000
Spruch:
Das Urteil des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 29. März 2019, GZ 3 U 32/18x‑23, verletzt § 229 Abs 1 StGB.
Dieses Urteil wird aufgehoben, und es wird in der Sache selbst erkannt:
Florian R***** wird von dem wider ihn erhobenen Vorwurf gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, er habe von Mai bis 31. Dezember 2017 in M***** und an anderen Orten eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich die behördlichen Kennzeichen *****, „zugelassen“ auf dessen verkauften Pkw der Marke Audi A6, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden.
Gründe:
Mit Abwesenheitsurteil des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 29. März 2019, GZ 3 U 32/18x‑23, wurde Florian R***** des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe verurteilt. Danach hat er „im Zeitraum von einem nicht mehr feststellbaren Tag im Mai 2017 bis 31. Dezember 2017 in M***** und an anderen Orten eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich die behördlichen Kennzeichen *****, zugelassen auf dessen verkauften Pkw der Marke Audi A6, mit dem Vorsatz unterdrückt zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden“.
Den Urteilsfeststellungen (US 2) zufolge war der Angeklagte bis Mai 2017 Eigentümer eines Kraftfahrzeugs der Marke Audi A6 mit dem behördlichen Kennzeichen *****. Nach Verkauf und Abmeldung dieses Fahrzeugs bei der Versicherung gab der Angeklagte die Kennzeichentafeln nicht zurück, sondern behielt sie – trotz Aufforderung – weiter für sich. Seit 22. Juni 2017 scheinen die Kennzeichen daher als „Aufhebung/Missbrauch“ im Kfz‑Zentralregister auf. Als der Angeklagte im Dezember 2017 ein neues Fahrzeug erwarb, meldete er dieses nicht an, sondern montierte darauf die alten Kennzeichen *****. Am 31. Dezember 2017 wurde er im Zuge einer Verkehrskontrolle angehalten und dabei die fehlende Übereinstimmung der Begutachtungsplakette des Fahrzeugs mit der Kennzeichennummer festgestellt. Das Gericht konstatierte, dass der Angeklagte „eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich die Kennzeichen *****, die er aufgrund der Abmeldung abgeben hätte müssen, unterdrücken wollte, indem er die berechtigte Behörde um die Möglichkeit brachte, sich ihrer zu bedienen“. Dabei hielt er es ernsthaft für möglich und fand sich damit ab, dass er „verhindert, dass die Kennzeichen im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden“.
Rechtliche Beurteilung
Das Urteil des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 29. März 2019, GZ 3 U 32/18x‑23, steht – wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt – mit § 229 Abs 1 StGB nicht im Einklang:
Nach § 229 Abs 1 StGB haftet, wer eine Urkunde, über die er nicht oder nicht allein verfügen darf, vernichtet, beschädigt oder unterdrückt und dabei mit dem Vorsatz handelt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde. Dabei umfasst „Unterdrücken“ alle Handlungen, die – anders als durch Vernichten oder Beschädigen – den Berechtigten um die Möglichkeit bringen, sich der Urkunde zu Beweiszwecken zu bedienen (Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 229 Rz 23 mwN). Solcherart kommt als Tatobjekt des § 229 StGB nur eine Urkunde in Betracht, der im Zeitpunkt ihres Unterdrückens – objektiv gesehen – die Eignung zukommt, im Rechtsverkehr rechtmäßig zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht zu werden, die demnach zur Tatzeit für ihren Errichtungszweck noch recte verwendbar ist (RIS‑Justiz RS0095608, RS0095589, RS0095554 [T1]; Leukauf/Steininger/Tipold StGB4 § 229 Rz 1a).
Eine Kennzeichentafel ist eine öffentliche Urkunde über die von der Kraftfahrzeug-Zulassungsbehörde einem Kraftfahrzeug (oder einem Anhänger) zugeteilte individuelle Registrierungsbezeichnung aus lateinischen Buchstaben und arabischen Ziffern (vgl §§ 36, 48 Abs 4, 49 Abs 1 KFG 1967), welche am Fahrzeug angebracht wird und damit dem Nachweis seiner behördlichen Zulassung – solcherart auch des Bestehens einer Haftpflichtversicherung und der Identifizierung des Zulassungsbesitzers – dient. Wird ein zugelassenes Kraftfahrzeug wieder abgemeldet, besteht die Verpflichtung zur Ablieferung der Kennzeichentafeln bei der Behörde (§ 43 Abs 1 KFG 1967). Mit dem Erlöschen oder der Aufhebung der Zulassung (§§ 43, 44 KFG 1967) sind die Kennzeichen für ihren seinerzeitigen Errichtungszweck (§ 74 Z 7 StGB) – nämlich zum Nachweis einer aufrechten Zulassung des bezughabenden Fahrzeugs – nicht mehr rechtmäßig verwendbar (vgl RIS‑Justiz RS0095589 [T1], RS0095554 [T1]); mit Wegfall dieses Beweiszwecks besteht auch sonst keine Beweisführungsbefugnis irgendeines Berechtigten mehr (Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 229 Rz 9 f).
Die im Urteil getroffene Feststellung, wonach der Angeklagte „die berechtigte Behörde um die Möglichkeit brachte, sich dieser Urkunde zu bedienen“, vermag solcherart das Tatbildmerkmal der Verhinderung einer fremden Beweisführungsbefugnis (Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 229 Rz 8) schon objektiv nicht zu fundieren. Dementsprechend bringt auch die Konstatierung zur subjektiven Tatseite, wonach der Angeklagte es ernsthaft für möglich hielt und sich damit abfand, dass er „verhindert, dass die Kennzeichen im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden“, keinen Vorsatz zum Ausdruck, einen tatsächlich aktuellen Gebrauch der Urkunden zu Beweiszwecken zu verhindern.
Die aufgezeigte Gesetzesverletzung gereicht dem Verurteilten zum Nachteil, weshalb sich der Oberste Gerichtshof veranlasst sah, ihrer Feststellung wie aus dem Spruch ersichtlich konkrete Wirkung zuzuerkennen (§ 292 letzter Satz StPO).
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