OGH 6Ob144/19y

OGH6Ob144/19y29.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Stefan Geiler, Mag. Priska Seeber, Dr. Stefan Dorner und Dr. Simon Schafferer, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. T*****, 2. T***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Sabine Prantner, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen 16.020,10 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. April 2014, GZ 1 R 32/19v‑46, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 20. Dezember 2018, GZ 41 Cg 137/17s‑41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00144.19Y.0829.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit 1.552,07 EUR (darin 258,68 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Die Anästhesie bei einem operativen Eingriff ist Teil der Heilbehandlung, weshalb sich die zur ärztlichen Aufklärungspflicht entwickelten Grundsätze auch auf sie beziehen. Auch die Aufklärung über die Möglichkeiten und Risken der Schmerzbekämpfung richtet sich daher nach den Umständen des Einzelfalls, die für den Obersten Gerichtshof nicht überprüfbar sind (5 Ob 1573/91; RS0026328). Wie weit die ärztliche Aufklärungspflicht reicht, ist regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (4 Ob 132/06z).

Eine Aufklärung über mögliche schädliche Folgen einer Behandlung ist dann nicht erforderlich, wenn die Schäden nur in äußerst seltenen Fällen auftreten und anzunehmen ist, dass sie bei einem verständigen Patienten für seinen Entschluss nicht ernsthaft ins Gewicht fallen (1 Ob 84/08x; RS0026230). Wollte man nicht nur die Aufklärung über typische Operationsrisken, deren Wahrscheinlichkeit nur bei 0,05 bis 0,1 % liegt, verlangen, sondern jeweils auch Hinweise auf typische Komplikationen bei Verwirklichung solcher Risken fordern, würde dies die Aufklärungspflicht in unvertretbarer Weise ausdehnen. Den Patienten müsste oftmals eine derartige Fülle von Informationen gegeben werden, dass ihnen eine Einschätzung der Lage nicht ermöglicht, sondern erschwert würde (7 Ob 228/11x).

Von diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen nicht abgewichen. Bei der Klägerin kam es im Zuge eines Punktionsversuchs zum Zweck der Anästhesie zu einer Verletzung des ramus superficialis nervi radialis und anschließend zu einer Ausbildung eines Kontinuitätsneuroms (Neurinoms). Dass sich bedingt durch eine Nervenverletzung ein Neurinom entwickelt, ist eine absolute Rarität. Der Sachverständige verwies darauf, dass die Verletzung eines sehr kleinen Nervs durch einen Nadelstich extrem selten ist und das Entstehen eines Neurinoms nach einer Nervenverletzung durch das Legen einer Leitung auch in der internationalen Literatur kaum beschrieben wird.

Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage zu dem Ergebnis gelangten, dass es für die Aufklärung der Klägerin ausreichte, wenn sie im Zuge des Aufklärungsgesprächs über die Anästhesie zwar auf eine Reihe sonstiger Risken der Anästhesie, allerdings nicht ausdrücklich auch die Möglichkeit der Schädigung von Nerven hingewiesen wurde, jedoch auf dem der Klägerin im Zuge des Gesprächs übergebenen Informationsblatt ausdrücklich und sogar in Fettdruck auf die Möglichkeit auch dauerhafter Nervenverletzungen oder Schädigungen sowie chronischer Schmerzen hingewiesen wurde, so ist darin keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

Die Revision war daher spruchgemäß zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Stichworte