European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00008.19D.0828.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten Erwin H***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – Erwin H***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 1. März 2005 in S***** im einverständlichen Zusammenwirken mit Dr. Reinhold B***** die ihm als Mitglied des Vorstands des Vereins A***** eingeräumte Befugnis, über dessen Vermögen zu verfügen oder ihn zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den genannten Verein am Vermögen geschädigt, indem er entgegen seiner Pflicht, die Geschäfte des Machtgebers redlich zu besorgen und seine Vermögensinteressen bestmöglich zu wahren (§ 1009 ABGB), sowie entgegen vereinsinternen Richtlinien, nämlich ohne Befassung des Präsidiums (US 38), und solcherart in unvertretbarer Weise gegen Regeln verstoßend, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienten, namens des Vereins (als Baurechtsnehmers) einen Vertrag über die entgeltliche Einräumung eines Baurechts auf einem Grundstück des (Baurechtsbestellers) Dr. Franz K***** abschloss, wodurch dem Verein ein Schaden von 330.336 Euro entstand.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 (richtig) lit a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*****.
Das Schöffengericht ging davon aus, dass der Beschwerdeführer gegen zwei Regeln (im Sinn des § 153 Abs 2 StGB) verstoßen hatte: Er hatte den (dem Verein nachteiligen) Vertrag (1) entgegen seiner Verpflichtung, dem Machtgeber „den größtmöglichen Nutzen zu verschaffen“ (vgl § 1009 ABGB), und (2) ohne die – nach internen Regeln gebotene (US 38) – vorangegangene Befassung des Präsidiums abgeschlossen (US 41 f).
Entgegen dem Einwand der Mängelrüge blieben die Feststellungen zur Wissentlichkeit des – in letzterem Regelverstoß (2) gelegenen – Befugnisfehlgebrauchs (US 41 f) nicht unbegründet (Z 5 vierter Fall). Die Tatrichter leiteten sie vielmehr (willkürfrei) daraus ab, dass eine entsprechende Beschlussfassung des Präsidiums – den vom Gericht als glaubhaft erachteten zeugenschaftlichen Angaben der übrigen Präsidiumsmitglieder zufolge, jedoch entgegen der Verantwortung des Beschwerdeführers und der Mitangeklagten Dr. K***** und Dr. B***** – nicht stattgefunden hatte (US 98).
Da schon jene – erfolglos bekämpften – Konstatierungen (zu 2) das angesprochene Tatbestandsmerkmal erfüllen, betrifft das weiters relevierte Fehlen einer Begründung (Z 5 vierter Fall) für die Feststellungen (US 42) zur Wissentlichkeit in Bezug auf ersteren Regelverstoß (1) keinen entscheidenden (nämlich für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsamen – Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399) Aspekt.
Ihre Feststellungen zum (bedingten) Schädigungsvorsatz (US 43) stützten die Tatrichter keineswegs (allein) auf die – isoliert betrachtet (bloß) Fahrlässigkeit zum Ausdruck bringende – Überlegung, dem Beschwerdeführer sei „vorzuwerfen“, dem „Wort des Präsidenten“ (Dr. K*****) „ohne weitere Nachprüfung vertraut“ zu haben (US 129). Sie erschlossen sie vielmehr– von der Beschwerde vernachlässigt – vor allem aus dem eklatanten und augenfälligen Missverhältnis zwischen dem (in den Vereinsgremien nur Dr. K*****, Dr. B***** und dem Beschwerdeführer bekannt gewesenen) Kaufpreis von 55.000 Euro, um den Dr. K***** im Jahr 2003 das Eigentum an der betreffenden Liegenschaft erworben hatte, und der Höhe des vereinbarten Zinses für das (bloße, für die Dauer von 30 Jahren eingeräumte) Baurecht von jährlich (wertgesichert) 16.848 Euro; ferner aus dem Umstand, dass der Vertrag (unter anderem) „nach Erlöschen des Baurechts“ einen „entschädigungslosen und geldlastenfreien Übergang sämtlicher auf der vom Baurecht umfassten Fläche errichteter … Bauwerke in das Eigentum des Baurechtsgebers“ (Dr. K*****) vorsah; weiters „das eingeräumte dingliche Recht nicht einmal ohne Zustimmung des Baurechtsgebers veräußert oder belastet werden“ und „der Baurechtsvertrag nach dem Vertragsinhalt nicht einseitig aufgelöst werden“ konnte, „ohne dass sämtliche Bauwerke in das Eigentum des Baurechtsgebers gefallen wären“ (US 128 bis 130).
Das übrige Vorbringen der Mängelrüge bezeichnet die diesbezügliche Urteilsbegründung – ohne an deren Gesamtheit Maß zu nehmen (RIS-Justiz RS0119370) – als unvollständig (Z 5 zweiter Fall), in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) und „unzureichend“ (Z 5 vierter Fall). Inhaltlich erschöpft es sich weitgehend darin, Verfahrensergebnisse eigenständig zu bewerten und daraus von jenen des Erstgerichts abweichende Schlussfolgerungen einzufordern. Damit wird lediglich – abseits der (solcherart bloß nominell) herangezogenen Anfechtungskategorien – die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld bekämpft.
Soweit Begründungsmängel (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) deutlich und bestimmt (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) behauptet werden, sei erwidert:
Eine Urteilsaussage, wonach der Beschwerdeführer dem „Wort des Präsidenten“ (Dr. K*****) auch insoweit „vertraut“ (US 129) habe, als dieser ihm die „Höhe des Baurechtszinses“ „als angemessen mitgeteilt“ (US 39) hat, wurde – der Beschwerdeinterpretation zuwider – nicht getroffen. Der Einwand, solches widerspreche (Z 5 dritter Fall) den bekämpften Feststellungen (US 43), geht daher ins Leere.
Kein Widerspruch (Z 5 dritter Fall) besteht zwischen den angefochtenen Feststellungen (US 43) und der Urteilsprämisse, Dr. K***** habe dem Beschwerdeführer die „Höhe des Baurechtszinses“ „ohne weitere Konkretisierung als angemessen mitgeteilt“, was dieser „so zur Kenntnis“ nahm, „ohne diese Angaben selbst nachzuprüfen und sich auch nur nähere Gedanken dazu zu machen“ (US 39). Denn das Unterbleiben eigener Kontrolle und mangelnde Bedachtsamkeit des Beschwerdeführers schließt – für sich genommen – keineswegs aus, dass er (zugleich) ernstlich für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, den Machtgeber am Vermögen zu schädigen.
Welche „verba legalia“ in den Urteilsfeststellungen „hinsichtlich des Tatbestandsmerkmales der Wissentlichkeit des § 153 StGB“ – zumal „substanzlos“ (also ohne den erforderlichen Sachverhaltsbezug – RIS-Justiz RS0119090 [T1]) – gebraucht worden sein sollten, sagt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht.
Den (von der Willensausrichtung des Beschwerdeführers umfassten – US 43) tatbestandsmäßigen Schaden erblickte das Schöffengericht in der Differenz aus dem vertraglich vereinbarten (30 x 16.848 Euro brutto) und dem (nach den Feststellungen – US 39 f) für die vereinbarte Gegenleistung „ortsüblich[en]“, „wirtschaftlich angemessen[en]“ (30 x 5.836,80 Euro brutto) Bauzins im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses „hochgerechnet auf die 30‑jährige Laufzeit des Vertrages“ (US 43 und 101 ff).
Die Subsumtionsrüge (Z 10) wendet ein, der vom Erstgericht errechnete Schadensbetrag (von 330.336 Euro) wäre jedenfalls – mit der Konsequenz des Unterschreitens der Qualifikationsgrenze des § 153 Abs 3 zweiter Fall StGB – um einen „Anteil von 20 % an Umsatzsteuer (EUR 55.056)“ zu reduzieren, weil der Verein A***** „als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs 1 UStG 1994 nach § 12 leg. cit. grundsätzlich vorsteuerabzugsberechtigt“ sei.
Mit dem Hinweis auf zu § 1295 ABGB ergangene Judikatur des Obersten Gerichtshofs in Zivilrechtssachen (RIS-Justiz RS0037888) erklärt sie jedoch nicht, weshalb Letzteres den Untreue-Schaden verringern sollte (siehe aber RIS-Justiz RS0116565).
Im Übrigen ist für die Ermittlung des Schadens bei Vermögensdelikten – der auch eine in Rechnung gestellte Umsatzsteuer umfasst (RIS-Justiz RS0094114; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 87) – ein Vorsteuerabzugsrecht (§ 12 UStG) des Geschädigten bedeutungslos (RIS-Justiz RS0076279 [insbesondere T1, T5, T7]; Stricker in WK2 StGB § 128 Rz 105 mwN).
Die weitere Subsumtionsrüge argumentiert, der Bauzins sei lediglich für die ersten neun Jahre der Vertragslaufzeit (auch tatsächlich) entrichtet worden, sodass – ausgehend von der Berechnungsweise des Erstgerichts – ein Schaden von (die Qualifikationsgrenze des § 153 Abs 3 zweiter Fall StGB nicht übersteigenden) 99.100,80 Euro eingetreten sei. Sie legt nicht dar, weshalb die Frage des Eintritts eines tatbestandsmäßigen Schadens – trotz rechtlicher Gleichwertigkeit von Versuch (§ 15 StGB) und Vollendung (RIS-Justiz RS0122138; zu § 153 StGB RS0105921) – subsumtionsrelevant sein sollte.
Unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO (RIS-Justiz RS0122137) sei hinzugefügt, dass das Erstgericht zu Recht von (gänzlicher) Tatvollendung ausging (US 203):
Nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0094836, RS0095618, RS0089375) und herrschender Lehre (Birklbauer PK-StGB § 153 Rz 23; Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 153 Rz 36; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 153 Rz 28; Pfeifer SbgK § 153 Rz 32) kann der tatbestandsmäßige Vermögensschaden (als „effektiver Verlust an Vermögenssubstanz“; zur dem „Vermögensnachteil“ iSd § 153 StGB idF vor BGBl I 2015/112 inhaltsgleichen Auslegung dieses Begriffs RIS-Justiz RS0131815) nicht nur in einer Verminderung der Aktiven oder in einem Gewinnentgang, sondern auch in einer Vermehrung der Passiven – also im Hinzutreten einer Verbindlichkeit – bestehen.
Da eine § 153 StGB zu subsumierende Tat mit dem Eintritt des Vermögensschadens vollendet ist (RIS-Justiz RS0094913), tritt die Tat in der Begehungsvariante der Vermehrung von Passiven mit dem Entstehen der Verbindlichkeit ins Vollendungsstadium (RIS-Justiz RS0095618, jüngst 13 Os 55/17p, EvBl 2018/56, 374; anders und solcherart vereinzelt geblieben 14 Os 96/05g, soweit sie bei Austauschverhältnissen auf dem Zeitpunkt des Erfüllens der Leistungspflicht des Machtgebers abstellt).
RIS-Justiz RS0105921, wonach das Eingehen einer „bloßen Zahlungsverpflichtung“ nicht schon den Eintritt eines Vermögensschadens (sondern allenfalls Versuch begründende Vermögensgefährdung) bedeutet, widerspricht dem nur auf den ersten Blick. Denn diese Aussage zielt auf Konstellationen, in denen das Entstehen der (durch den Befugnisfehlgebrauch begründeten – vgl RIS-Justiz RS0130418) konkreten Leistungspflicht des Machtgebers vom Eintritt eines noch ungewissen zukünftigen Ereignisses abhängt (14 Os 166/96: [einer Bürgschaft nahekommende] Verpflichtung, einen Wechsel bei Vorlage zum Fälligkeitstermin einzulösen; 15 Os 33/16s: Abgabe einer Haftungserklärung in einem Insolvenzverfahren; 11 Os 7/17i: Abgabe einer Bankgarantie).
Beim – hier aktuellen – Vertrag über die (entgeltliche) Bestellung eines Baurechts ist dies aber gerade nicht der Fall. Vielmehr entstand die Pflicht des Baurechtsnehmers, (gegen Einräumung des Baurechts durch den Grundeigentümer) das Entgelt – wenngleich in Gestalt von wiederkehrenden Leistungen (Bauzins; § 3 Abs 2 BauRG) – zu entrichten, bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (vgl Urbanek/Rudolph, BauRG § 1 Rz 30 und § 3 Rz 5; Konecny/Rathauscher, Bauten auf fremdem Grund und Insolvenzverfahren in Kletečka/Rechberger/Zitta [Hrsg], Bauten auf fremdem Grund2 [2004] Rz 123b).
Der vom Erstgericht zutreffend im Wege der Gesamtsaldierung (RIS-Justiz RS0094836 [insbesondere T1]) ermittelte Schaden trat demnach bereits mit dem Abschluss des Vertrags ein. Auf dessen späteres (zivil-)rechtliches Schicksal (vgl US 47 f) kommt es insoweit ebenso wenig an (vgl RIS-Justiz RS0094787) wie darauf, ob (und in welchem Umfang – vgl dazu US 40) der Bauzins vertragskonform entrichtet wurde.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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