OGH 9ObA78/19i

OGH9ObA78/19i27.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer und Wolfgang Jelinek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz Rechtsanwält_innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E*****, wegen 3.654,45 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 29. April 2019, GZ 7 Ra 22/19k‑13, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00078.19I.0827.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 182a ZPO hat das Gericht das Sach- und Rechtsvorbringen der Parteien mit diesen zu erörtern und darf seine Entscheidung auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, nur stützen, wenn es diese mit den Parteien erörtert und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat.

Der Kläger sieht in der Begründung des Berufungsgerichts, dass er kein ausreichendes Vorbringen dazu erstattet habe, dass seine Forderung auch ohne Löschung des Vereins, dessen Obmann der Beklagte war, hätte befriedigt werden können, eine solche Überraschungsentscheidung. Dabei übergeht er, dass bereits das Erstgericht in seinem Urteil auf das Fehlen eines solchen Vorbringens hingewiesen hat, wozu er in der Berufung auch ausdrücklich Stellung genommen hat.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt daher nicht vor.

2. Die Schlüssigkeit einer Klage kann nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden; ob eine Klage schlüssig ist, sich also der Anspruch aus dem behaupteten Sachverhalt ergibt, kann daher nicht eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO sein (RS0037780).

3. Das Vereinsgesetz 2002 (VerG) normiert im § 23 grundsätzlich das Trennungsprinzip (6 Ob 95/05x). Für Verbindlichkeiten des Vereins haftet dieser allein mit seinem eigenen Vermögen. Die Mitglieder und die Organwalter haften hingegen grundsätzlich nicht mit ihrem Privatvermögen. Deren Haftung besteht nur dann, wenn sich dies aus anderen gesetzlichen Vorschriften ergibt. Eine Durchgriffshaftung auf die Organe des Vereins ist beispielsweise in den Fällen der Konkursverschleppung (§ 69 Abs 3 IO), der Verletzung von Abgabenvorschriften (§ 9 Abs 1 iVm § 80 Abs 1 BAO) oder im Verwaltungsstrafrecht gegeben (§ 9 Abs 1 VStG).

In der Entscheidung 2 Ob 569/95 hat der Oberste Gerichtshof, allerdings noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten des VerG, auch einen mit – zumindest bedingtem – Schädigungsvorsatz gefassten Auflösungsbeschluss eines Vereines als mögliches haftungsbegründendes Verhalten beurteilt. Dieser Beschluss könne, insbesondere als Bestandteil eines behaupteten Plans zur gezielten Herbeiführung der Vermögenslosigkeit eines Landesverbands, sittenwidrig sein und daher ersatzpflichtig machen. Eine Haftung trete auch dann ein, wenn die Interessen des Schädigers wesentlich geringer zu bewerten seien als die des Geschädigten beziehungsweise der Schädigungszweck so augenscheinlich im Vordergrund stehe, dass andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten.

4. Im vorliegenden Fall hat der Kläger zwar in erster Instanz geltend gemacht, dass die Löschung des Vereins mutwillig erfolgt sei, um Forderungen vom Verein abzuhalten, jedoch hat er trotz Aufforderung des Gerichts kein Vorbringen dazu erstattet, ob zum Zeitpunkt der Löschung überhaupt verwertbares Vermögen vorhanden gewesen ist und eine Befriedigung seiner Forderung (aus Vereinsvermögen) möglich gewesen wäre. Vielmehr geht der Kläger selbst (zumindest in den Rechtsmitteln) erkennbar von einer Vermögenslosigkeit des Vereins zum Zeitpunkt der Auflösung aus. Dass der Beklagte zur Stellung eines Insolvenzantrags nur zur Wahrung allfälliger Ansprüche des Klägers nach dem IESG verpflichtet gewesen wäre oder der Vorsatz des Beklagten auf die Verhinderung der Geltendmachung solcher Ansprüche gerichtet gewesen wäre, wird auch in der außerordentlichen Revision nicht behauptet.

Wenn das Berufungsgericht daher auch im Hinblick darauf, dass der Kläger in erster Instanz kein relevantes Vorbringen dazu erstattet hat, inwieweit der Beklagte kausal für die Beschlussfassung zur Auflösung des Vereins war, allenfalls Handlungen zur Konkursverschleppung gesetzt hat und inwieweit der Kläger bei ordnungsgemäßer Abwicklung seine Ansprüche in der Insolvenz hätte anmelden können und diese auch nach dem IESG gesichert gewesen wären, von einer Unschlüssigkeit der Klage ausgegangen ist, hält sich diese Beurteilung im Rahmen des gesetzlichen Ermessensspielraums.

5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Stichworte