OGH 15Os55/19f

OGH15Os55/19f10.7.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juli 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und Dr. Oshidari sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Hermann K***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligten Erich S***** und Sabrina T***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 10. September 2018, GZ 28 Hv 61/18s‑80, ferner über den Antrag der genannten Privatbeteiligten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00055.19F.0710.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hermann K***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er von 1. Juli 2013 bis 30. April 2015 in W***** und anderen Orten als Geschäftsführer der C***** GmbH mit dem Vorsatz, „sich und die von ihm vertretenen Gesellschaften“ unrechtmäßig zu bereichern, sowie in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges Einkommen zu verschaffen, (mehr als 100) im Urteil genannte Personen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die durch fiktive, ohne wirtschaftliche Grundlage erfolgte Abrechnungen gestützte Vorgabe, frühere von der C***** GmbH durchgeführte Projekte (insbesondere „K*****‑Residence Sch*****“, „R*****“ und „Büro‑ und Wohnoase W*****“) seien mit erheblichen Gewinnen realisiert worden, die Darlehen würden für die jeweiligen Immobilienprojekte verwendet, eine Beteiligung an Verlusten erfolge nicht und sie erhielten jedenfalls die Nominale der „partiarischen Darlehen“ zurückbezahlt, wobei „der Investitionsbetrag nach Erreichen des vollen Investitionsvolumens grundbücherlich (Bauliegenschaft) sichergestellt“ werde, zur Gewährung von „partiarischen Darlehen“ verleitet, wodurch diese insgesamt mit einem Betrag von 4.402.890 Euro geschädigt wurden.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Sie verfehlt ihr Ziel.

In der Hauptverhandlung stellte der Verteidiger am 10. September 2018 Anträge auf Vernehmung

- der Vermittler Karl Ti*****, Rene H***** und Josef G***** zum Beweis dafür, dass sämtliche Investoren ordnungsgemäß und umfassend über die entsprechenden Projekte informiert und aufgeklärt und die Investoren nicht über ihr Investment getäuscht wurden;

- des Geschäftsführers der I***** GmbH, Mag. Hannes Kr*****, zum Beweis dafür, dass „die Realisierung des Projekts Wi***** gesichert ist und zu einem positiven Abschluss gebracht wird“;

- der Rechtsanwältin Dr. Elisabeth Z*****, zum Beweis dafür, dass sämtliche Investoren nicht getäuscht wurden und bei den von der C***** GmbH entwickelten Projekten der Angeklagte zum Zeitpunkt des Abschlusses der Investorenaufträge darauf vertrauen konnte, dass diese Projekte jeweils verwirklicht werden und auch die von ihm gegebenen Zusagen eingehalten werden können;

- der Investoren Dietmar L*****, Gerhard Hö*****, Siegfried F*****, Petra Kri*****, Adolf M*****, Claudia S*****, Niki Ri***** und Gabriele Ho***** zum Beweis dafür, dass von Seiten des Angeklagten keine Täuschung durchgeführt wurde sowie bei den Investoren auch kein Schaden eingetreten ist;

- des Mag. Josef E*****, A***** GmbH, zum Beweis dafür, dass die Projekte Ki***** sowie Wi***** realisiert wurden bzw werden und es diesbezüglich zu entsprechenden Rückzahlungen der Darlehen kommen wird, sowie zum Beweis dafür, dass den Investoren kein Schaden entstanden ist (ON 79 S 96 ff).

Der Kritik der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung dieser Anträge keine Verteidigungsrechte geschmälert. Denn Anträge, die nicht erkennen lassen, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse und inwieweit dieses für die Schuld- oder Subsumtionsfrage von Bedeutung ist, die also mit dem Ziel gestellt werden, erst abzuklären, ob von bestimmten Beweisen eine weitere Aufklärung zu erwarten sei oder ob überhaupt Beweismittel auffindbar sind, deren Heranziehung der Wahrheitsfindung dienlich sein können, laufen auf eine bloße Erkundungsbeweisführung hinaus und sind aus Z 4 nicht relevant (RIS-Justiz RS0099841, RS0099353).

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien machte der Antragsteller nicht klar, wieso die (teils gutgläubigen; vgl US 49) Vermittler, die mit der Vertragsgestaltung beauftragte Rechtsanwältin und die (teils ohnehin im Ermittlungsverfahren vernommenen; US 57) Investoren umfassenden Einblick in die Projekte, die Gebarung und die wirtschaftliche Situation der C***** GmbH und damit Wahrnehmungen dazu haben sollten, dass „sämtliche Investoren nicht getäuscht wurden“ und auch „kein Schaden eingetreten ist“.

Die Fertigstellung des Projekts „Stadthaus Ki*****“ haben die Tatrichter ohnehin konstatiert (US 32 ff; § 55 Abs 2 Z 3 StPO), die Möglichkeit einer zukünftigen Realisierung des Projekts Wi***** betrifft – bei gegebener Fallgestaltung (vgl US 2 ff, 49, 55) – keinen entscheidungwesentlichen Umstand (§ 55 Abs 2 Z 1 StPO). Im Übrigen bleibt unklar, weshalb die beantragten Zeugen verlässlich Auskunft über einen „positiven Abschluss“ dieses Projekts geben können sollten, zumal der Angeklagte selbst zugestanden hat, dass „aktuell […] noch nicht gebaut“ werde und die zur Finanzierung benötigte Vorverkaufsquote von 50 % nicht erreicht sei (ON 79 S 31 ff).

Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) musste das Erstgericht die im Abschlussbericht der Landespolizeidirektion Tirol vom 29. Dezember 2016 enthaltene Passage „… derzeit hat noch jeder Kunde sein Geld erhalten“ (ON 16 S 3) nicht gesondert erörtern, handelt es sich dabei doch um einen anonymen Whistleblower-Hinweis, der Ausgangspunkt für die Ermittlungen war.

Die subjektive Tatseite in Bezug auf einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden blieb – der weiteren Kritik zuwider (Z 5 vierter Fall) – nicht unbegründet, sondern wurde von den Tatrichtern ohne Verstoß gegen die Kriterien logischen Denkens und grundlegende Erfahrungssätze aus der Vorgehensweise des Angeklagten, der Verwendung von bloß zwei Konten sowie aus der „enormen Höhe der dadurch […] erlangten Darlehen sowie deren Vielzahl“ abgeleitet (US 55, 58 f).

Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) strebt eine Verurteilung wegen (bloß) versuchter Tatbegehung (§ 15 StGB) an, übergeht aber, dass nach der festgestellten Verfahrenskonstellation zufolge der spätestens ab 1. Juli 2013 fehlenden Rückzahlungsfähigkeit (US 49, 55) der Schaden schon mit Zuzählung des Darlehens eintrat, der Betrug somit vollendet war. Weshalb die (teilweisen) späteren Rückzahlungen durch den Angeklagten eine Vollendung der Taten hindern sollten, erklärt die Beschwerde nicht (vgl US 61 f; RIS-Justiz RS0128771; Kirchbacher/Sadoghi in WK 2 StGB § 146 Rz 91).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO). Ihm kommt – weil der Oberste Gerichtshof nach § 285i StPO vorgegangen ist (§ 296 Abs 1 zweiter Satz StPO) – auch die Kompetenz zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag der Privatbeteiligten Erich S***** und Sabrina T***** zu (§ 364 Abs 2 Z 3 StPO; vgl RIS‑Justiz RS0101250).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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