OGH 8ObA6/19v

OGH8ObA6/19v27.6.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Günter Hintersteiner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** W*****, vertreten durch Rudeck – Schlager Rechtsanwalts KG in Wien, gegen die beklagte Partei M***** H*****, vertreten durch Mag. Hans‑Rainer Rienmüller, Rechtsanwalt in Wien, wegen 30.962,90 EUR sA (Revisionsinteresse 21.812,90 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Dezember 2018, GZ 8 Ra 45/18y‑15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:008OBA00006.19V.0627.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 2 ASGG, § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Beklagte war bis Juni 2012 als Vertragsbediensteter der Klägerin mit der Erteilung von Ausnahmebewilligungen nach § 45 Abs 4 StVO 1960 („Parkpickerl“) befasst. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20. 10. 2015 wurde er wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und des Vergehens der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 und 2 erster Fall StGB verurteilt, weil er unter Missbrauch seiner Befugnisse „Parkpickerl“ an Interessenten ausgegeben und sich den Erlös selbst zugeeignet hatte. Zum Teil handelte es sich bei seinen Abnehmern um Personen, die einen Anspruch auf die ordnungsgemäße Erteilung einer Ausnahmebewilligung gehabt hätten, von denen der Beklagte aber weniger als die von der Klägerin verrechneten Gebühren kassierte, zum anderen Teil um Personen, die die rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung von vornherein nicht erfüllten.

Das strafgerichtliche Urteil erwuchs in Rechtskraft, nachdem die von der Staatsanwaltschaft erhobene Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 3. 10. 2016 zu 17 Os 15/16h zurückgewiesen wurde. Den ihm im Strafurteil angelasteten Schaden hat der Beklagte der Klägerin ersetzt.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der auf Schadenersatz gestützte Anspruch der Klägerin auf Zahlung der entgangenen Gebühren für jene vom Beklagten widerrechtlich ausgestellten „Parkpickerl“, deren Käufer überhaupt keinen Anspruch auf die Erteilung einer Ausnahmebewilligung gehabt hätten.

Das Berufungsgericht verneinte den geltend gemachten Schadenersatzanspruch zusammengefasst mit der Begründung, die Klägerin hätte die begehrten Gebühren mangels Anspruchsberechtigung der Käufer auch bei rechtskonformem Verhalten des Beklagten nicht einnehmen können. Die strafbaren Handlungen seien für das Unterbleiben des Geldzuflusses nicht kausal. Die einkassierten Beträge sprach das Berufungsgericht wegen unrechtmäßiger Bereicherung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Ein positiver Schaden aus entgangenem Verdienst ist einem Geschädigten entstanden, wenn er eine rechtlich gesicherte Position auf den Verdienst hatte ( Reischauer in Rummel , ABGB³ § 1293 Rz 6 f mwN; RIS‑Justiz RS0111898). Beim entgangenen Gewinn iSd § 1293 ABGB handelt es sich um Gewinnaussichten, deren Realisierung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten ist, aber nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintritt ( Reischauer aaO Rz 12; RS0111898).

Entgangener Gewinn ist danach zu bemessen, welchen Gewinn der Geschädigte „zu erwarten“ gehabt hätte. Bei der hiefür notwendigen Prüfung des Kausalzusammenhangs ist jener Umstand wegzudenken, ohne den der Schaden nicht eingetreten wäre (RS0120236).

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht diesen Grundsätzen.

Die Revision argumentiert für ihren Standpunkt mit dem Beschluss des Obersten Gerichtshofs im Strafverfahren gegen den Beklagten (17 Os 15/16h), mit dem die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen wurde. Sie leitet aus dessen Begründung ab, dass der Klägerin auch in Höhe der lediglich fiktiven Gebühren Schaden entstanden sei. Dazu ist aber festzuhalten, dass sich die angesprochenen Passagen des strafgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses lediglich als obiter dictum mit der Bemessung der strafrechtlichen Wertgrenzen auseinandersetzen. Eine Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren besteht nicht.

Mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen hätten die streitgegenständlichen „Parkpickerl“ bei rechtskonformer Vorgangsweise überhaupt nicht ausgestellt werden dürfen. Es kann zwar auch ein inhaltlich rechtswidriger Verwaltungsakt eine Gebührenpflicht auslösen, in den hier relevanten Fällen lag dem Verkauf der Plaketten jedoch überhaupt kein Verwaltungsverfahren zugrunde. Die vom Beklagten hergestellten „Parkpickerl“ waren lediglich geeignet, eine tatsächlich nicht vorhandene Ausnahmebewilligung vorzutäuschen. Die Klägerin hätte nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die begehrten Einnahmen keinesfalls erzielen können.

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