OGH 3Ob80/19i

OGH3Ob80/19i23.5.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv.‑Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI J*****, vertreten durch Dr. Holzmann Rechtsanwalts GmbH in Innsbruck, gegen die beklagte Partei v*****, politische Partei, *****, vertreten durch Dr. Klaus Perktold, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen § 35 EO, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. Jänner 2019, GZ 4 R 169/18h‑24, womit das Urteil des Bezirksgerichts Telfs vom 28. Juni 2018, GZ 2 C 73/18v‑15, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00080.19I.0523.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.758,14 EUR (darin 459,69 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Kläger war ein Landtagsabgeordneter der Beklagten, einer politischen Partei, und wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 16. November 2017 (im Folgenden: Titel) zur Zahlung eines Schadenersatzbetrags von 243.890 EUR sA an die Beklagte verpflichtet. Dem Titel liegt zugrunde, dass der Beklagten dieser Schaden entstanden sei, weil es ua der Kläger ungeachtet einer gegenüber der Beklagten bestehenden vertraglichen Pflicht unterlassen habe, am (bis zum 15. Dezember 2016 einzubringenden) Antrag auf Zuerkennung der Parteienförderung gemäß § 9 Abs 3 des Tiroler Parteienfinanzierungs- und Klubförderungsgesetzes für das Kalenderjahr 2017 mitzuwirken. Der Entscheidung lag die (damalige) Rechtslage zugrunde, wonach solche Förderungsanträge bis zum 15. Dezember im voraus für das Folgejahr eingebracht werden müssen.

Unmittelbar nach Zustellung des Titels beantragten der Kläger und die beiden weiteren Titelschuldner im Tiroler Landtag eine Änderung des genannten Gesetzes dahin, dass Anträge noch bis zum 30. Jänner des Jahres, das auf das Jahr folgt, für das der Anspruch besteht, eingebracht werden können. Der Tiroler Landtag beschloss die Novelle, die mit Ablauf des 26. Jänner 2018 in Kraft trat. Am 29. Jänner 2018 beantragte der Kläger die Auszahlung der Förderung für das Jahr 2017 an die Beklagte. Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 30. Jänner 2018 wurde eine Förderung im Ausmaß von 765.144,19 EUR gewährt und in der Folge an die Beklagte ausbezahlt.

Bereits am 16. Jänner 2018 war der Beklagten gegen den Kläger aufgrund ihres am 3. Jänner 2018 gestellten Antrags die Fahrnis‑, Forderungs- und Liegenschaftsexekution zur Hereinbringung der Forderung laut Titel bewilligt worden.

Der Kläger macht mit seiner Oppositionsklage geltend, dass der Beklagten letztlich die Parteiförderung für 2017 zuerkannt und sie damit schadlos gestellt worden sei. Daher lägen den Anspruch aufhebende Tatsachen im Sinne des § 35 Abs 1 EO vor, die erst nach Entstehung des Titels eingetreten seien. Zudem sei die Exekutionsführung missbräuchlich bzw schikanös.

Die Beklagte wandte ua ein, die Gewährung der Parteienförderung für 2017 durch das Land Tirol ziehe keinerlei schuldbefreiende Wirkung für den Kläger nach sich. Nur wenn das Land die Schuld des Klägers bedient und sich gegenüber der Beklagten auf eine darauf gerichtete Widmung der Zahlung berufen hätte, wäre diese für den Kläger schuldbefreiend. Darüber hinaus habe der Kläger weder aufgerechnet noch liege ein Rechtsmissbrauch durch die Beklagte vor. Der ursprünglich erhobene Einwand, dass die Novelle des Parteienfinanzierungs- und Klubförderungsgesetzes verfassungswidrig sei und die Beklagte mit einer Rückzahlung der Förderung für 2017 rechnen müsse, wird in der Revision nicht mehr aufrecht erhalten.

Das Erstgericht gab der Klage bezüglich der betriebenen Kapitalforderung zuzüglich eines Teils der Zinsen statt und wies das Mehrbegehren, dass der Anspruch auch bezüglich der restlichen Zinsen erloschen sei, ab. Es verneinte eine Erfüllung des Anspruchs und eine rechtsmissbräuchliche Exekutionsführung, ging aber unter Hinweis auf die Entscheidung 3 Ob 116/14a davon aus, dass durch die Gewährung der Parteienförderung für das Jahr 2017 jener Rechtsgrund weggefallen sei, der der Verpflichtung des Klägers zur Zahlung des Schadenersatzes zugrunde gelegen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung in der Hauptsache mit einer Maßgabe bezüglich der Zinsen und änderte die Kostenentscheidung zum Teil ab. Auch das Berufungsgericht verneinte ein Erlöschen des Anspruchs wegen Erfüllung durch Zahlung nach § 1412 ABGB und eine rechtsmissbräuchliche Exekutionsführung. Die Bejahung des Wegfalls des Rechtsgrundes durch das Erstgericht erachtete das Berufungsgericht nach umfassenden Erwägungen zu §§ 1413 f ABGB bzw zur Frage, ob hier eine Leistung an Zahlungs statt oder zahlungshalber vorliege, nicht als korrekturbedürftig; weil die zuvor als entgangen erachtete Parteienforderung inzwischen an die Beklagte ausbezahlt und auch durch die – abweichende – Entscheidung einer Verwaltungsbehörde ein Oppositionsgrund gegeben sei.

Das Berufungsgericht ließ die Revision mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Wirkung der Verschaffung einer Förderung an Stelle der Erfüllung der wegen deren Entgangs entstandenen titulierten Schadenersatzforderung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden –Zulassungsausspruchs mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne von § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt (hier: Frage des Wegfalls eines Schadenersatzanspruchs im Zusammenhang mit der Förderung einer politischen Partei), bedeutet noch nicht, dass die Entscheidung von der Lösung einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Besonderheiten der Fallgestaltung schließen eine richtungsweisende, die Rechtsentwicklung vorantreibende und für zukünftige Entscheidungen nutzbringende Judikatur des Obersten Gerichtshofs sogar eher aus (RS0102181).

2. Die Vorinstanzen sind hier – auch unter Berufung auf die Entscheidung 3 Ob 116/14a – jedenfalls vertretbar davon ausgegangen, dass die Grundlage des titulierten Schadenersatzanspruchs durch die der Beklagten später gewährte Parteienförderung weggefallen ist.

2.1 Dem Oppositionsverfahren 3 Ob 116/14a lag als Titel der Ersatz jenes Schadens zugrunde, der der dort beklagten Titelgläubigerin dadurch entstand, dass sie durch die Handlungen und Unterlassungen der Oppositionsklägerin Ersatzforderungen einer Dritten ausgesetzt war. Dieser Schaden war darauf zurückzuführen, dass auch die Entstehung einer Verbindlichkeit positiver Schaden ist (RS0022672, RS0017382, RS0022518). Anknüpfend an die Rechtslage, dass bei einer verjährten (präkludierten) Forderung von einer (für den Schadensbegriff erforderlichen, vgl RS0022537, RS0022477) Vermögensminderung nicht mehr gesprochen werden kann (RS0022615), bejahte der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung wegen des (nach der Schaffung des Titels erfolgten) Ablaufs der Präklusivfrist einen Oppositionsgrund (vgl zur Verjährung: RS0001244, RS0000337).

2.2 Im Schrifttum wurde die Entscheidung begrüßt. Nach Cerha (immolex 2015/10 [Entscheidungsanm]) sei der Entscheidung, der Oppositionsklage stattzugeben und das Erlöschen des Anspruchs festzustellen, zuzustimmen, weil die betreibende Partei nicht mehr von ihrer Gläubigerin in Anspruch genommen werden konnte. Jakusch ordnet die Konstellation der Gruppe des nachträglichen Wegfalls des Rechtsgrundes zu, der dem Exekutionstitel zu Grunde liegt. Werde dadurch dem betriebenen Anspruch „der Boden entzogen“ bilde das einen Oppositionsgrund (Jakusch in Angst/Oberhammer 3 § 35 EO Rz 30/1).

2.3 Im Rechtsmittel findet diese Entscheidung gar keinen argumentativen Niederschlag. Die Beklagte legt auch keine Einwände gegen die daraus abzuleitenden Wertungen für den Anlassfall dar, in dem der Exekution ein Titel zugrunde liegt, wonach der Beklagten ein Schaden durch den Verlust des Anspruchs auf Förderungen aufgrund rechtswidriger Unterlassung des Klägers entstanden ist (vgl in diesem Sinne in einem Parallelverfahren für das Jahr 2016: 1 Ob 57/17i). Auch der Verlust einer einbringlichen Forderung ist vom weiten Schadensbegriff des ABGB umfasst (vgl RS0022497). Dieser Schadensbegriff umfasst jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist, an dem also ein geringeres rechtliches Interesse als am bisherigen besteht (RS0022537). Die Beklagte kann aber nicht aufzeigen, worin hier trotz Gewährung der Förderung ihr Nachteil liegen soll.

2.4 Die Anwendung der in der Entscheidung 3 Ob 116/14a entwickelten Grundsätze auf den Anlassfall bedarf keiner Korrektur. Ebenso wie in dieser Entscheidung ist auch hier der erlittene Schaden nachträglich weggefallen. Für die Tauglichkeit als Oppositionsgrund macht es dabei keinen wesentlichen (die Zulässigkeit nach § 502 ZPO begründenden) Unterschied, ob der (vormals) Geschädigte von seinem Schaden durch den Wegfall einer Verpflichtung (3 Ob 116/14a) oder – wie hier – durch die spätere (nachträgliche) Auszahlung der Förderung befreit wird.

2.5 Auch der Grundsatz, dass einem Schädiger, der bereits Schadenersatz geleistet hat, bei späteren Wegfall des Schadens ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch nach § 1435 ABGB zusteht (RS0123388), stützt die von den Vorinstanzen vertretene Rechtsansicht zu diesem nachträglichen Wegfall der Rechtsgrundlage als Oppositionsgrund. Da die Beseitigung der materiell-rechtlichen Grundlagen eines Urteils durch Sachverhaltsänderung (sogar) zur Rückforderung des aufgrund des Urteils bereits Geleisteten berechtigt (vgl 2 Ob 256/06w), muss es einem Titelschuldner, der noch nicht geleistet hat, umso mehr möglich sein, der gegen ihn geführten Exekution entgegenzuhalten, dass sich die Grundlagen des Titels nachträglich geändert haben.

2.6 Auf die Ausführungen im Rechtsmittel zu §§ 1412 ff ABGB und zur Schaffung einer neuen Rechtslage durch eine Verwaltungsbehörde kommt es daher nicht mehr an.

3.1 Auch die behauptete Verletzung der Eventualmaxime kann die Zulässigkeit der Revision nicht stützen. Ungeachtet der Bestimmung des § 35 Abs 3 EO sind nachträgliche Ergänzungen zulässig, soweit sie die vorgebrachten Tatsachen nur verdeutlichen oder präzisieren (RS0001331 [T1]). Auch neues rechtliches Vorbringen ist zulässig, soweit es zu seiner Stützung keiner Erweiterung der Tatsachengrundlage bedarf (RS0001331 [T3]).

3.2 Die Beklagte sieht die Eventualmaxime dadurch verletzt, dass das Berufungsgericht den Wegfall des Rechtsgrundes als zusätzlichen Oppositionsgrund herangezogen habe, der weder vom Kläger geltend gemacht noch vom Erstgericht behandelt worden sei. Bereits in seiner Oppositionsklage brachte der Kläger allerdings vor, dass der Beklagten aufgrund seines nach der Schaffung des Titels eingebrachten Antrags die gesamte Förderung zuerkannt und überwiesen worden sei, „sodass die beklagte Partei schadlos gestellt ist“. Damit wurden die rechtsbegründenden Tatsachen für jenen Oppositionsgrund vorgebracht, auf den sich sowohl Erst- als auch Berufungsgericht gestützt haben („Wegfall des Rechtsgrundes“). Die auf die angebliche Verletzung der Eventualmaxime gestützte Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt daher nicht vor.

4. Wenn aber zuletzt der Kläger in der Revisionsbeantwortung beantragt, den klagsabweisenden Teil der Entscheidung (Punkt 2) entfallen zu lassen bzw auszuscheiden, entgeht ihm, dass er das Berufungsurteil in diesem Umfang gar nicht angefochten hat, sodass es insoweit bereits in Rechtskraft erwachsen ist.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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