European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:014FSS00001.19M.0521.000
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
Mit als „Fristsetzungsantrag gemäß § 91 Abs 1 GOG“ und „Eingabe gemäß § 23 StPO an die Generalprokuratur“ bezeichnetem Schreiben vom 13. März 2019 behauptet der Verurteilte Säumnis des Oberlandesgerichts Linz „im – nicht rechtskräftig abgeschlossenen – Verfahren AZ 36 Hv 30/08v des Landesgerichts Salzburg“ mit der Anberaumung eines Gerichtstags zur öffentlichen Verhandlung und der Entscheidung über die vom Antragsteller persönlich „mit Eingabe vom 21. August 2008 (ON 103)“ gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 19. August 2008, GZ 36 Hv 30/08v‑101, „in Ansehung der Schuldsprüche I/1, III, IV und V“ erhobenen Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der „Berufung … gegen die in § 464 Z 2 und 3 StPO genannten Aussprüche über die Schuld und die Strafe“ und beantragt, diesem Gericht eine angemessene Frist für die Vornahme dieser Verfahrenshandlungen zu setzen.
Gemäß § 91 Abs 1 GOG setzt der Erfolg eines Fristsetzungsantrags voraus, dass das betroffene Gericht mit der Vornahme einer Verfahrenshandlung, etwa der Anberaumung oder Durchführung einer Tagsatzung oder Verhandlung oder der Ausfertigung einer Entscheidung säumig ist.
Mit dem in der Eingabe angeführten Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht wurde der Antragsteller (im ersten Rechtsgang) des Verbrechens des (richtig:) gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 erster und zweiter Fall und Z 3, 130 dritter und vierter Fall StGB (I), zweier Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (II und IV), des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 12 dritter Fall, 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB (III) sowie des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (V) schuldig erkannt und hiefür zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch seinen (gemäß § 61 Abs 2 StPO beigegebenen) Verteidiger (rechtzeitig) Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe angemeldet (ON 102) und ausgeführt (ON 151). Mit selbst verfasstem Schreiben vom 21. August 2008 hatte auch S***** persönlich „Nichtigkeitsbeschwerde wegen der im § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Nichtigkeitsgründe“ und „Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe“ angemeldet und die Ausführung der „Beschwerdegründe/Berufungsgründe“ nach Zustellung der Urteilsschrift in Aussicht gestellt (ON 103).
Mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 12. Mai 2009, AZ 14 Os 9/09v, 10/09s, wurde der Nichtigkeitsbeschwerde teilweise Folge gegeben, das Urteil, das im Übrigen unberührt blieb, in den Schuldsprüchen I, II und V, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben, insoweit eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache in diesem Umfang (also auch in Bezug auf den Strafausspruch) an das Landesgericht Salzburg verwiesen. Im Übrigen wurde die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner (Straf‑)Berufung wurde der Angeklagte auf die Kassation des Strafausspruchs verwiesen.
Säumnis des Oberlandesgerichts mit der Erledigung der Rechtsmittel kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Entscheidung über (von wem immer erhobene) Nichtigkeitsbeschwerden und nach Maßgabe des § 296 StPO mit ihnen verbundene Berufungen gegen Urteile des – wie hier – Landesgerichts als Schöffengericht dem Obersten Gerichtshof obliegt (§ 34 Abs 1 Z 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufung fällt demnach im kollegialgerichtlichen Verfahren nur dann in die Kompetenz des Oberlandesgerichts, wenn der Oberste Gerichtshof nach § 285i StPO vorgeht (§ 296 Abs 1 StPO), die Nichtigkeitsbeschwerde als – soweit hier wesentlich – in nichtöffentlicher Sitzung zurückweist, was hier gerade nicht der Fall war.
Im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof finden die Bestimmungen des § 91 GOG mangels eines diesem „übergeordneten“ Gerichtshofs aber keine Anwendung (RIS‑Justiz RS0121791).
Bleibt daher nur der Vollständigkeit halber anzumerken, dass sich im Akt – mit Ausnahme der im Antrag angeführten, bloß die Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe enthaltenden Schreibens des Angeklagten vom 21. August 2008 (ON 103) sowie einer als „Einspruch gemäß § 427 Abs 3 StPO gegen das in Abwesenheit des Angeklagten gefällte Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 19. August 2008“ bezeichneten Eingabe (ON 108; vgl dazu auch ON 151 S 2 sowie die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über einen darauf bezogenen Fristsetzungsantrag des Verurteilten vom 8. Jänner 2018, AZ 14 Fss 7/17s, 8/17p, 10/17g, 11/17d, 14/17w) – keine selbst verfasste Rechtsmittelschrift des Antragstellers findet. Auf eine solche wäre zudem nicht einzugehen gewesen, weil das Gesetz nur eine Ausführung sowohl der Nichtigkeitsbeschwerde als auch der Berufung kennt (§§ 285 Abs 1, 294 Abs 2 StPO) und diejenige des Verteidigers prävaliert (RIS‑Justiz RS0100175).
Die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers, gilt im Übrigen, wenn das Gericht (wie hier; vgl ON 9) nicht im Einzelnen etwas anderes anordnet, für das gesamte weitere Verfahren bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss (§ 61 Abs 4 StPO) und schließt somit – entgegen der Ansicht des Antragstellers – sämtliche gemeinsam geführten Strafverfahren (§ 37 Abs 1 StPO) ein, mag deren Verbindung auch erst nach der Verteidigerbestellung angeordnet worden sein.
Mit dem weiteren – Ausführungen in zahlreichen früheren Eingaben wiederholenden – Vorbringen zu angeblichen Gesetzesverletzungen und Verfahrensfehlern, die den Gerichten und der Staatsanwaltschaft im gegenständlichen Verfahren unterlaufen sein sollen, wird Säumigkeit des Oberlandesgerichts im Sinn des § 91 GOG gleichfalls nicht geltend gemacht, womit die als „Fristsetzungsantrag“ bezeichnete Eingabe insgesamt zurückzuweisen war.
Eine Umdeutung des Antrags in einen solchen auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO kommt im Übrigen mangels substantiierter Behauptung einer Grundrechtsverletzung nicht in Betracht. Zudem wäre auch ein solcher zufolge Fehlens einer Verteidigerunterschrift (§ 363b Abs 2 Z 1 StPO) und
der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art 35 MRK (vgl dazu RIS‑Justiz RS0122736,
RS0122737 [va T10, T11, T12]) zurückzuweisen.
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