OGH 2Nc17/19a

OGH2Nc17/19a29.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der beim Landesgericht ***** als Handelsgericht zu AZ ***** anhängigen Rechtssache der klagenden Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Keyvan Rastegar, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** K*****, vertreten durch Baier Rechtsanwälte KG in Wien, wegen 471.745,27 EUR sA, über die Befangenheitsanzeige des Hofrats des Obersten Gerichtshofs ***** im Revisionsverfahren AZ ***** in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0020NC00017.19A.0429.000

 

Spruch:

Der Hofrat des Obersten Gerichtshofs ***** ist in der Rechtssache ***** nicht befangen.

 

Begründung:

Für das im Spruch genannte Verfahren ist nach der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs der ***** Senat zuständig. Hofrat ***** ist Mitglied dieses Senats und zeigt Gründe an, aus denen allenfalls der objektive Anschein seiner Befangenheit entstehen könnte.

Konkret verweist er in der Anzeige darauf, dass Univ.‑Prof. ***** in diesem Verfahren ein Privatgutachten für eine Partei erstellt habe. Der anzeigende Richter halte seit etwa vier Jahren gemeinsam mit Univ.‑Prof. ***** an der Wirtschaftsuniversität Wien eine Lehrveranstaltung zum zivilgerichtlichen Verfahren ab und habe in einem ua von diesem herausgegebenen und in Kürze erscheinenden juristischen Werk einen Kommentar verfasst. Über diese rein akademischen hinausgehende – insbesondere freundschaftliche – Kontakte bestünden nicht. Der anzeigende Richter sei subjektiv nicht befangen. Dennoch könnte der Anschein entstehen, er lasse sich von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten.

Rechtliche Beurteilung

Die Befangenheitsanzeige ist nicht begründet:

1. Befangenheit liegt vor, wenn ein Richter an eine Rechtssache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantritt, somit eine Hemmung zu unparteiischer Entscheidung durch sachfremde psychologische Motive gegeben ist. Für die Annahme des Vorliegens einer Befangenheit genügt nach ständiger Rechtsprechung, dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der äußere Anschein der Voreingenommenheit des zur Entscheidung berufenen Richters entstehen könnte (RS0046052 [T2, T10], RS0045949 [T2, T6]), auch wenn dieser tatsächlich unbefangen sein sollte (RS0045949 [T5]).

2. Selbst unter Anlegung eines im Interesse des Ansehens der Justiz gebotenen strengen Maßstabs (RS0046052 [T12]) wird im vorliegenden Fall ein solcher Anschein der Voreingenommenheit jedoch nicht erreicht:

2.1 Regelmäßig ist alleine in einem – oft aufgrund der gemeinsamen Aus‑ oder Fortbildung – freundschaftlich‑kollegialen Kontakt zwischen Richtern und Universitätsprofessoren kein Befangenheitsgrund zu sehen, außer der Richter erklärt sich selbst für befangen (9 Nc 40/12z; vgl RS0046076; zum kollegialen Verhältnis zu einem abgelehnten Richterkollegen vgl auch RS0108696). Ein derartiger Kontakt ist bei redlicher Betrachtung in der Regel nicht geeignet, den Anschein der Befangenheit zu begründen. Vielmehr kann von den Beteiligten grundsätzlich eine professionelle Trennung zwischen beruflicher und privater Sphäre erwartet werden, sodass auch bei objektiver Betrachtung eine von sachfremden Motiven geleitete Entscheidung schon dem Anschein nach nicht befürchtet werden muss. In dem Sinn kann auch die gemeinsame Tätigkeit eines Richters und eines Vertreters der Rechtswissenschaft in einer von einem konkreten Verfahren nicht betroffenen Institution im Allgemeinen nicht ausreichen, um eine Befangenheit zu begründen (9 Nc 40/12z; 9 Nc 39/12b). Gleiches gilt für die Veröffentlichung einschlägiger Literaturbeiträge (vgl 9 Nc 40/12z). Denn auch dadurch wird in der Regel nur eine kollegiale Beziehung begründet, die als solche aber nicht den Anschein der Voreingenommenheit für einen konkreten Rechtsstreit erwecken kann.

2.2 Ist aber selbst eine freundschaftlich-kollegiale Beziehung eines Richters zu einem abgelehnten Richter oder einem Parteienvertreter dann, wenn sich der Richter nicht selbst als befangen erachtet, kein zureichender Befangenheitsgrund, so kann im Hinblick auf bloß akademisch oder wissenschaftlich geprägte Kontakte zu dem Privatgutachter einer Streitpartei nichts anderes gelten (9 Nc 40/12z; 9 Nc 39/12b).

2.3 Auch in Zusammenhang mit der Tätigkeit des Hofrats ***** ist daher ein Befangenheitsgrund iSd § 19 Z 2 JN nicht gegeben.

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