European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E125115
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst die Entscheidung des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.194,72 EUR (darin 199,12 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.291,16 EUR (darin 143,01 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der am 9. Dezember 2001 verstorbene Vater der Klägerin war Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 609 *, auf dessen Grundstück 434/1 sich ein Wohn- und Wirtschaftsgebäude befindet und das außerdem aus einer insgesamt ca 88.000 m² großen Garten- bzw. Wiesenfläche besteht. Das Eigentum an der Liegenschaft erwarb nach dessen Tod ein Neffe des Erblassers als Testamentserbe. In dem im Jahr 2015 eingeleiteten Titelverfahren (zu *) wurde dieser Erbe der Liegenschaft im Jahr 2017 (rechtskräftig seit März 2018 [2 Ob 194/17v]) schuldig erkannt, der Klägerin aufgrund eines vom Erblasser verfügten Legats bestimmte Wohnräume und Gangbereiche, die Doppelgarage und ein Gartenstück im Ausmaß von 1.482,10 m² auf dem Grundstück 434/1 (der EZ 609 *) zum alleinigen Gebrauch zu überlassen und in die Einverleibung der Wohnräume und des Gartens als Wohnungsgebrauchsrecht ob der Liegenschaft EZ 609 * zugunsten der Klägerin einzuwilligen und die dafür erforderlichen Erklärungen abzugeben (*). Weitere Begehren der Klägerin, insbesondere jene, die Erhaltungs-, Versorgungs- und Kostentragungspflichten betrafen, wurden abgewiesen.
Der Beklagte ist ein Sohn des (im Titelverfahren beklagten) Erben der Liegenschaft. Er erhielt mit Übergabsvertrag vom 20. Juli 2015 das aus dem Gutsbestand der Liegenschaft EZ 609 * abgeschriebene Grundstück 434/15 als Liegenschaft EZ 844 * im Ausmaß von 1.211 m². Am 23. Juni 2016 – während des anhängigen Titelverfahrens (Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz war der 26. Jänner 2017) – wurde der Beklagte als Eigentümer seiner lastenfreien Liegenschaft EZ 844 * im Grundbuch eingetragen. Der von der Klägerin im Titelverfahren geltend gemachte Anspruch auf Einräumung und Einverleibung des Gebrauchsrechts bezieht sich nicht auf die Liegenschaft des Beklagten, sondern ausschließlich auf Gebäude und Flächen des Grundstücks 434/1. Auf der Liegenschaft EZ 609 * ist gemäß Beschluss des Bezirksgerichts * vom 10. Dezember 2018 (zu TZ 6257/2018) ein Wohnungsgebrauchsrecht der Klägerin einverleibt (offenes Grundbuch).
Die Klägerin begehrte mit ihrer am 28. September 2017 erhobenen Klage nach § 10 EO die Feststellung, dass der ihr aus dem Titelverfahren zustehende Anspruch nunmehr (auch) gegen den Beklagten als Eigentümer der EZ 844 * vollstreckbar sei. Zusammengefasst brachte sie dazu vor, der Beklagte (Erbe) im Titelverfahren habe zwischenzeitig die Liegenschaft einerseits an seine Tochter (mit der Verpflichtung zur Übernahme des Wohnrechts der Klägerin) übergeben, andererseits einzelne Grundstücke der seinerzeitigen EZ 609 * schenkungsweise an seine weiteren Kinder, darunter das Grundstück 434/15 an den Beklagten. Die Zusage der Lastenfreiheit habe im Verhältnis zur Klägerin nie Wirksamkeit entfalten können. Die Teilung der EZ 609 könne der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen, denn ihr testamentarisch verfügtes Wohnrecht belaste „stets den ganzen Grundbuchskörper“. Da die Übergabe während des Titelverfahrens erfolgte, sei der Beklagte Einzelrechtsnachfolger des Beklagten. Auf gutgläubigen lastenfreien Erwerb könne er sich nicht berufen, weil erkennbar gewesen sei, dass die Klägerin bereits seit dem Tod des Erblassers uneingeschränkt ihr testamentarisches Wohnrecht beansprucht und ausgeübt habe. Der vom Grundbuchstand abweichende Sachverhalt sei dem Beklagten jedenfalls bekannt gewesen.
Der Beklagte bestritt das Bestehen jeglichen Anspruchs ihm gegenüber, ebenso die Vollstreckbarkeit des Titels (auch) gegen ihn. Die Voraussetzungen des § 234 ZPO lägen nicht vor, weil die (tatsächliche) Übergabe der Liegenschaft schon vor Beginn des Titelverfahrens erfolgt sei. Außerdem liege hier kein identer Anspruch gegen den Rechtsnachfolger im Sinn des § 234 ZPO vor. Weder bei Unterfertigung des Übergabsvertrags, noch bei der Unterfertigung des Nachtrags oder bei der Eröffnung der neuen Einlage seien im Grundbuch Rechte der Klägerin auf der Liegenschaft einverleibt gewesen. Der im Titelverfahren geltend gemachte Anspruch der Klägerin beziehe sich unstrittig ausschließlich auf Gebäude und Flächen des Grundstücks 434/1 und nicht auf die Liegenschaft des Beklagten. Außerdem habe der Beklagte gutgläubig lastenfrei Eigentum erworben. Es gebe keinen Titel für die begehrte Einverleibung eines Wohnungsgebrauchsrechtes auf der Liegenschaft des Beklagten und daher sei auch eine Klage nach § 10 EO nicht zulässig.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Mit der Titelergänzungsklage könne kein neuer Exekutionstitel geschaffen werden; der stattgebende, rechtskräftige Teil des Titelverfahrens betreffe lediglich das Wohnungsgebrauchsrecht der Klägerin auf dem Grundstück 434/1, nicht jedoch eine Einverleibung auf dem Grundstück 434/15 des Beklagten.
Das Berufungsgericht hob die Entscheidung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung auf.
Aus § 9 EO ergebe sich, dass der zugunsten des oder gegen den ursprünglichen Inhaber der Sache ergangene Exekutionstitel auch für bzw gegen den Rechtsnachfolger wirke. Damit § 9 EO zur Anwendung komme, müsse der Rechtsübergang nach Entstehung des Exekutionstitels erfolgt sein. Nach § 10 EO könne das Bestehen des Vollstreckungsanspruchs für den Anspruch aus dem Exekutionstitel festgestellt werden. § 234 ZPO stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit den §§ 9, 10 EO und dem darin enthaltenen Grundsatz, dass sich die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Urteils auf die Rechtsnachfolger der Parteien erstrecke. Dies setze voraus, dass die Veräußerung der Streitsache nach Eintritt der Streitanhängigkeit erfolgt sei. Bei Veräußerung einer Liegenschaft sei das Datum der Einverleibung des Eigentums des Käufers (und nicht das der tatsächlichen Übergabe) maßgebend; die Einverleibung des Beklagten sei erst nach Streitanhängigkeit des Titelverfahrens erfolgt und daher nach § 234 ZPO zu prüfen. Persönliche Dienstbarkeiten seien selbst dann mitzuübertragen, wenn sie auf dem abgeschriebenen Teil einer Liegenschaft nicht ausgeübt werden könnten; die Teilung des dienenden Grundstücks berühre persönliche Dienstbarkeiten mangels Anwendbarkeit des § 847 Satz 2 ABGB und des § 3 Abs 2 LiegTeilG nicht. Die Umschreibung der das Wohnungsrecht umfassenden Räumlichkeiten bedeute keine Begrenzung der Sachhaftung des gesamten Grundbuchskörpers. Die lastenfreie Abschreibung solcher Teilstücke könne daher nur mit Zustimmung des Dienstbarkeitsberechtigten erfolgen. Obwohl die vom Wohnungsgebrauchsrecht der Klägerin umfassten Teile sich räumlich nicht auf dem ins Eigentum des Beklagten übertragenen Grundstück befänden, erfasse auch ihn die Haftung für die Ansprüche der Klägerin aus dem Titelverfahren. Bei Streitanhängigkeit sei das Eigentum des Beklagten noch nicht einverleibt gewesen; die Ansprüche auf Einräumung des Wohnungsgebrauchsrechtes erstreckten sich aber auf die gesamte Liegenschaft. Da jedoch auch im Zusammenhang mit § 234 ZPO der grundbuchsrechtliche Gutglaubensschutz des Erwerbers einer Liegenschaft gelte, sei eine weitere Anspruchsvoraussetzung die Schlechtgläubigkeit des Beklagten; insoweit sei das Urteil mit sekundären Feststellungsmängeln behaftet.
Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen seine Entscheidung mit der Begründung zu, dass im konkreten Fall auch davon ausgegangen werden könne, dass kein identer Anspruch gegen den Beklagten vorliege, wie er im Titelverfahren geltend gemacht worden sei, insbesondere, weil der Beklagte auf seiner Liegenschaft das im Titelverfahren geklärte Gebrauchsrecht der Klägerin gerade nicht einräumen könne.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Rekurs des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen.
Die Klägerin beantragt, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist – wie das Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung selbst erkannte – zulässig und berechtigt.
1. Zweck der Klage nach § 10 EO ist es, dem betreibenden Gläubiger einen Rechtsbehelf an die Hand zu geben, wenn ihm ua die nach § 9 EO geforderten Nachweise nicht zur Verfügung stehen. Sie setzt die Existenz eines Exekutionstitels voraus, bezweckt aber nicht die Schaffung eines neuen Titels (RIS‑Justiz RS0001384 [T4]). Das Klageziel ist die Feststellung des Bestehens des Vollstreckungsanspruchs (Jakusch in Angst/Oberhammer, EO3 § 10 Rz 1 mwN; Binder/Burgstaller/Meinhart in Burgstaller/Deixler-Hübner [18. Lfg 2014] § 10 EO Rz 2 f; 3 Ob 162/13i; 3 Ob 38/15g; jüngst 3 Ob 229/18z mwN).
2. § 234 ZPO ist eine Schutzvorschrift zugunsten der Gegenpartei, die verhindern soll, dass sich eine Partei durch Veräußerung des Streitgegenstands ihrer Sachlegitimation entledigt und damit einen an sich berechtigten Anspruch des Gegners zum Scheitern bringt (RS0039314 [T1]). Veräußerung der streitverfangenen Sache oder Forderung im Sinn des § 234 ZPO ist jede Art von Rechtsnachfolge, mag sie entgeltlich und unentgeltlich, freiwillig oder zwangsweise erfolgt sein (RS0039282). Es muss aber der Gegenstand des Prozesses auf einen Rechtsnachfolger derart übergegangen sein, dass diesen nach materiellem Recht infolge des Übertragungsvorgangs eine identische Verpflichtung wie den Veräußerer trifft oder ihm ein identischer Anspruch zusteht (RS0039231 [T7]; RS0111151; Klicka in Fasching/Konecny 3 § 234 ZPO Rz 11 mwN; Rechberger/Klicka in Rechberger 4 § 234 ZPO Rz 1).
3. Die Klägerin hat im Titelverfahren ihren Anspruch gegen den Erben der Liegenschaft (und Vater des nunmehrigen Beklagten) auf Einräumung und Einverleibung des ihr per Legat vermachten, näher definierten Wohn- und Gebrauchsrechts an bestimmten Räumlichkeiten sowie an der Garage und dem Garten (und darüber hinaus die Versorgungs- und Erhaltungspflichten, die in der Folge abgewiesen wurden) auf die testamentarische Verfügung des Erblassers gestützt. Dieses Legat zugunsten der Klägerin umfasst auch die Verbücherung des beschriebenen Wohnrechts, das sich auf „die Liegenschaft EZ 609 *“ bezieht. Während des anhängigen Titelverfahrens über den Umfang des geforderten Legats erhielt der Beklagte einen (kleinen) Teil dieser Liegenschaft in sein Eigentum übertragen, wobei dafür eine neue Grundstücksbezeichnung geschaffen wurde (zu den Voraussetzungen nach dem LiegTeilG jüngst 5 Ob 69/18k mwN). Das Legat zugunsten der Klägerin bezieht sich unstrittig nicht auf die Fläche(n), die aus dem Gutsbestand der Liegenschaft EZ 609 * (lastenfrei) abgeschrieben und dem Beklagten als Liegenschaft EZ 844 * ins Eigentum übertragen wurde(n). Bei Schluss der mündlichen Streitverhandlung im Titelverfahren (26. Jänner 2017) war die Liegenschaft EZ 844 * nicht mehr Bestandteil der Liegenschaft EZ 609 *. Der beklagte Erbe im Titelverfahren übertrug die nun dem Beklagten gehörende Liegenschaft schenkungsweise.
In einer vergleichbaren Konstellation hat der Oberste Gerichtshof zu 3 Ob 202/00b (= RS0115033) zu § 9 EO (und § 234 ZPO) ausgesprochen, dass eine Erstreckung der Rechtskraft des Exekutionstitels nicht in Betracht komme, wenn Gegenstand des Titelverfahrens die Verpflichtung auf Herausgabe eines Legats war und den Erwerber materiell-rechtlich nicht die Verpflichtung zu deren Übergabe an den Legatar trifft.
Auch hier ist der Beklagte durch die Schenkung (Übergabe) des Liegenschaftsteils (auf den sich das Legat darüber hinaus unstrittig nicht bezieht) nicht in das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin (als Legatarin) und dem im Titelverfahren beklagten Erben eingetreten (vgl RS0039231 [T7]; RS0111151). Den Beklagten trifft gegenüber der Klägerin (Legatarin) daher materiell-rechtlich keine identische Verpflichtung wie den im Titelverfahren beklagten Erben. Damit fehlt es an den Voraussetzungen für einen Übergang des Rechtsverhältnisses durch die Veräußerung (Schenkung) des Liegenschaftsteils an den Beklagten während des Titelverfahrens im Sinn des § 234 ZPO, und zwar unabhängig von der Gutgläubigkeit des Beklagten.
Die von der Klägerin für ihr Begehren ins Treffen geführte Rechtsprechung zu persönlichen Dienstbarkeiten, nach welcher diese stets den ganzen Grundbuchskörper (RS0018224) belasten und daher bei Teilung einer belasteten Liegenschaft alle Teilstücke für eine solche persönliche Dienstbarkeit (etwa ein Wohnrecht) haften (RS0018224 [T2]; vgl auch RS0011884), ist für die Entscheidung über die Titelergänzung ebenfalls nicht relevant, zumal sie eine bereits verbücherte Dienstbarkeit voraussetzt.
4. Die vom Berufungsgericht für erforderlich erachteten ergänzenden Feststellungen zur Gutgläubigkeit des Beklagten sind entbehrlich, weshalb das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.
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