OGH 3Ob38/15g

OGH3Ob38/15g18.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Dr. Markus Kroner, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in Hallein, wegen Titelergänzung nach § 10 EO, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 5. November 2014, GZ 22 R 371/14h‑24, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 8. August 2014, GZ 25 C 1323/13z‑19, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00038.15G.0318.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird eine neuerliche Entscheidung über die Berufung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die klagende Partei ist ein eingetragener Verein und grundbücherlicher Miteigentümer von 118/1354 Anteilen an einer näher bezeichneten Liegenschaft, verbunden mit Wohnungseigentum an einer Wohnung und einem Autoabstellplatz. Die Beklagte ist Miteigentümerin von 76/1354 Anteilen, verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung W45 und dem Autoabstellplatz 45 der Liegenschaft.

Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Mondsee vom 10. Februar 2010 zu AZ 3 C 550/09t in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. August 2013 wurde die Beklagte verpflichtet, die von ihr eigenmächtig durchgeführten Bauarbeiten am Dach des Hauses zu beseitigen, insbesondere die bereits angebrachte Öffnung der Dachfläche wieder zu schließen und den ordnungsgemäßen früheren Zustand wiederherzustellen.

Im Titelurteil wurde ua festgestellt:

„Die Wohnung der Beklagten Top 45 besteht unter anderem im zweiten Dachgeschoß mit Dachschrägen und Dachflächenfenstern aus einem Wohn/Schlafzimmer im Ausmaß von 32,27 m² und einem Vorzimmer (Mansardenraum) im Ausmaß von 2,78 m², insgesamt sohin 35,05 m². Im November 2009 wurde durch die Beklagte ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer das Dach über ihrer Wohnung großflächig geöffnet und das Dachflächenfenster um ein Vielfaches vergrößert. Die links und rechts auf dieser Dachfläche unmittelbar daneben befindlichen Dachflächenfenster der angrenzenden Wohneinheiten sind um ein Vielfaches kleiner.“

 

Laut Baubeschreibung samt Bewilligungsbescheid des zuständigen Gemeindeamts und dem dieser Bewilligung zugrunde liegenden Plan des Architekten (Beilage ./A) war das ursprünglich über dem Wohnraum der Beklagten befindliche und hier gegenständliche Dachflächenfenster sowie die Dachflächenfenster der angrenzenden Wohneinheiten in einer Größe von 114 cm x 118 cm ausgeführt. Laut Baubeschreibung war das Dach als Sparrendachstuhl über dem gesamten Objekt mit ÖNORM‑mäßiger Wärmeisolierung, Dampfsperre, Rigipsplatten bzw Holzschalungen und Unterkonstruktion für die dunkelgraue Eternit‑Doppeldeckung ausgeführt.

Ein von der Beklagten als Antragstellerin am 24. Februar 2010 beim Bezirksgericht Mondsee im Verfahren nach § 52 Abs 1 WEG gestellter Antrag, gerichtet gegen die übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft als Antragsgegner, auf Duldung der von ihr durchgeführten Öffnung des Daches des Hauses zum Zwecke der Errichtung einer Terrasse wurde rechtskräftig (Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses durch Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 25. August 2011) abgewiesen.

Die Beklagte kam ihrer Verpflichtung aus dem Titelurteil nicht nach. Ein von der klagenden als betreibende Partei am 18. Jänner 2013 gestellter Antrag auf Bewilligung der Exekution gemäß § 353 EO, wonach sie ermächtigt werde, auf Kosten der hier Beklagten und Verpflichteten durch einen befugten Gewerbsmann die vorhandene Öffnung der Dachfläche des Hauses wieder schließen zu lassen, wurde vom Bezirksgericht Salzburg bewilligt. Über Rekurs der Verpflichteten änderte das Landesgericht Salzburg als Rekursgericht mit Beschluss vom 27. März 2013 die Exekutionsbewilligung im Sinne einer Abweisung des Exekutionsantrags mit der Begründung ab, dass der Exekutionstitel zu unbestimmt sei.

Die klagende Partei begehrt mit ihrer Titelergänzungsklage gemäß § 10 EO eine Präzisierung des Titelurteils dahin, dass die Beklagte schuldig sei, die eigenmächtig durchgeführten Bauarbeiten am Dach im Bereich über der im Eigentum der Beklagten stehenden Wohnung 45 des Hauses ... binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu beseitigen, insbesondere die bereits angebrachte Öffnung der Dachfläche wieder zu schließen und das ursprünglich vorhandene Dachflächenfenster im Ausmaß von 114 cm x 118 cm, welches im Plan Bauteil C, Grundriss zweites Dachgeschoß betreffend das Bauvorhaben ... (Beilage ./A) dargestellt und farblich gelb umrandet ist, und die dieses Dachflächenfenster umgebende Dachfläche in der Bauausführung als Sparrendachstuhl mit ÖNORM‑mäßiger Wärmeisolierung, Dampfsperre, Rigipsplatten bzw Holzschalungen und Unterkonstruktion für die anzubringende dunkelgraue Eternit‑Doppeldeckung, wiederherzustellen.

Sie brachte dazu zusammengefasst vor, dass sich aus der der Klage beigelegten Beilage ./A die ursprüngliche und von der Beklagten wiederherzustellende Ausführung des Daches ergebe.

Die Beklagte, die drei Fristverlängerungsanträge bezogen auf einen ihr in der Tagsatzung am 21. Oktober 2013 aufgetragenen Schriftsatz stellte, erstattete schließlich in der Tagsatzung am 19. Mai 2014 ein Vorbringen, das sich dahin zusammenfassen lässt, dass der von der klagenden Partei vorgelegte Plan Beilage ./A, auf den die klagende Partei in ihren Klagebegehren Bezug nahm, den tatsächlichen Verhältnissen vor Vornahme der von der Beklagten durchgeführten Veränderung nicht entsprochen habe.

Das Erstgericht wies dieses Vorbringen bereits in der Tagsatzung am 19. Mai 2014 als grob schuldhaft verspätet iSd § 179 ZPO zurück und gab mit seinem Urteil dem Klagebegehren statt.

Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und erachtete rechtlich, dass der Exekutionstitel zwar dem Bestimmtheitsgebot des § 7 EO nicht entspreche, aber bestimmbar sei, weshalb eine Titelergänzung nach § 10 EO in Betracht komme. Aus dem Titelurteil ergebe sich eindeutig, dass die Beklagte verpflichtet werden sollte, die von ihr eigenmächtig durchgeführten Bauarbeiten am Dach zu beseitigen, die bereits angebrachte Öffnung der Dachfläche wieder zu schließen und den ordnungsgemäßen früheren Zustand wiederherzustellen. Das Titelurteil sei eindeutig dahin auszulegen, dass sich die Bauarbeiten auf eine Öffnung der Dachfläche und Vergrößerung des Dachflächenfensters über der Wohnung der Beklagten bezogen.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung ‑ auf den ebenfalls erhobenen Rekurs der Beklagten gegen den Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichts ging das Berufungsgericht nicht ein ‑ Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Klageabweisung ab.

Es erledigte die Mängelrüge nicht und ging auch nicht auf die Rüge in der Berufung ein, die ebenfalls die Zurückweisung des von der Beklagten in der letzten Tagsatzung erstatteten Vorbringens als schuldhaft verspätet beanstandet. Es vertrat die Auffassung, dass der Exekutionstitel ‑ schon mangels Angaben zum „ordnungsgemäßen früheren Zustand“ ‑ gänzlich unbestimmt sei und daher durch eine Titelergänzungsklage nicht saniert werden könne. Im Titelurteil werde nur von einer Vergrößerung des Dachflächenfensters um ein Vielfaches ohne nähere Präzisierung gesprochen. Es sei auch unklar, welche eigenmächtig durchgeführten Bauarbeiten am Dach des Hauses zu beseitigen seien. Eine Präzisierung im Titelurteil wäre aber erforderlich gewesen, weil die Wohnung der Beklagten unstrittigerweise über mehrere Dachflächenfenster verfüge.

Über Antrag der klagenden Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO änderte das Berufungsgericht, das den Wert des Entscheidungsgegenstands mit über 5.000 EUR, nicht aber mit 30.000 EUR übersteigend bewertet und die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt hatte, seinen Zulassungsausspruch nachträglich ab. Es erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil nicht auszuschließen sei, dass das Berufungsgericht die Bestimmtheit des Titels zu formalistisch beurteilt habe und möglicherweise zu Unrecht davon ausgegangen sei, die Wohnung der Beklagten verfüge über mehrere Dachflächenfenster.

Die Beklagte beantragt in der ihr vom Berufungsgericht freigestellten Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision der klagenden Partei; hilfsweise stellt sie den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und im Sinn ihres Eventualantrags auf Aufhebung der Rechtssache an das Berufungsgericht auch berechtigt.

1. Zweck der Klage nach § 10 EO ist es, dem betreibenden Gläubiger einen Rechtsbehelf an die Hand zu geben, wenn ihm ua die nach § 7 Abs 1 EO erforderlichen urkundlichen Nachweise seines ‑ objektiv gegebenen - Vollstreckungsanspruchs nicht bzw nicht in der im Gesetz geforderten Form zur Verfügung stehen. Sie setzt die Existenz eines, wenn auch in dieser Form für sich allein nicht exekutionsfähigen, Exekutionstitels voraus. Das Urteil nach § 10 EO schafft keinen neuen Exekutionstitel, sondern ergänzt die im bereits vorhandenen Exekutionstitel fehlenden oder unklaren Angaben. Das Klageziel ist die Feststellung des Bestehens des Vollstreckungsanspruchs (Jakusch in Angst, EO² § 10 Rz 1 mwN; Binder/Burgstaller/Meinhart in Burgstaller/Deixler-Hübner [18. Lfg 2014] § 10 EO Rz 2 f; 3 Ob 188/02x; 3 Ob 162/13i).

2. Seit der EO‑Novelle 1991 ist auch die Sanierung eines unbestimmten Exekutionstitels (§ 7 Abs 1 EO) durch Titelergänzungsklage möglich (3 Ob 143/97v ecolex 1999, 766 [zust Schuhmacher ]; 3 Ob 162/13i). Auch in diesem Fall darf nicht im Wege der Titelergänzung ein neuer Exekutionstitel geschaffen werden, sondern es sollen nur die Mängel eines Exekutionstitels, der den Erfordernissen des § 7 Abs 1 EO nicht entspricht, behoben werden (RIS‑Justiz RS0000562 [T1]; 3 Ob 162/13i).

3. Ausgehend davon, dass die Sanierung von inhaltlichen Mängeln des Exekutionstitels möglich ist, kann auch die mangelnde örtliche und inhaltliche Determinierung jener Maßnahmen, die die Beklagte aufgrund des Exekutionstitels zu ergreifen hat, durch Titelergänzungsklage nach § 10 EO saniert werden (3 Ob 143/97v ecolex 1999, 766 [Schuhmacher]: mangelnde Determinierung im Vergleich umschriebener Grundstücksgrenzen; 3 Ob 188/02x: Ergänzung zunächst im Titel verbal beschriebener Trennstücke durch Verweis auf einen Teilungsplan [RIS‑Justiz RS0118353]).

4. Der Klägerin ist zuzugestehen, dass die Annahme des Berufungsgerichts, es sei unstrittig, dass die Wohnung der Beklagten über mehrere Dachfenster verfüge, mit dem Akteninhalt nicht vereinbar ist. Diesem Umstand kommt jedoch keine entscheidende Bedeutung zu, weil weder im Titelverfahren noch im Titelergänzungsverfahren strittig war, welches Fenster vom Titel betroffen ist: Die Beklagte stellte sich lediglich auf den formalen Standpunkt, dass schon deshalb, weil der Titel jenen Teil der Dachfläche, der von der Beklagten wiederherzustellen sei, nicht präzisiere, eine Titelergänzungsklage nicht in Betracht komme. Dies trifft aus den dargelegten Gründen aber ebenso wenig zu wie die Auffassung, das Wiederherstellungsbegehren sei mangels näherer Präzisierung gänzlich unbestimmt: Der Titel ist eindeutig dahin zu verstehen, dass eine Wiederherstellung des vor Vornahme der Veränderungen bestehenden Zustands angestrebt wird. Dieser Vorzustand ist aber bestimmbar.

5. Aus folgenden Überlegungen ist eine Aufhebung des Berufungsurteils unumgänglich:

5.1 Die Beklagte bestritt in der Berufung die Feststellung des Erstgerichts über die Ausführung der Dachflächenfenster, ihre Größe und die Ausführung des Daches als solche. Dabei erkannte die Berufung selbst, dass diese Feststellung des Erstgerichts auf der von der Klägerin vorgelegten und zum Bestandteil des Klagebegehrens erhobenen Beilage ./A beruht, die insofern der Feststellung des Erstgerichts entspricht. Sie bekämpfte damit inhaltlich nicht eine Feststellung des Erstgerichts, sondern machte einen Feststellungsmangel geltend, der darin begründet sein soll, dass Feststellungen zum tatsächlichen Zustand vor Durchführung der Änderungen am Dach fehlen.

5.2 Nach dem Vorbringen der klagenden Partei entsprach jedoch der aus der Beilage ./A abzuleitende Zustand der Situation zum Zeitpunkt der von der Beklagten vorgenommenen Änderung am Dach.

5.3 Mit ihrem in der letzten Tagsatzung erhobenen Vorbringen bestritt die Beklagte, dass die Beilage ./A den Zustand zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vornahme der Änderungen durch die Beklagte zutreffend wiedergebe. Sie erstattete dazu auch Beweisanbote.

5.4 Dieses Vorbringen wies das Erstgericht als iSd § 179 ZPO grob schuldhaft verspätet vorgebracht zurück. Auf die entsprechende Rüge in der Berufung ging das Berufungsgericht nicht ein.

5.5 Das Berufungsgericht wird daher die Mängelrüge der Beklagten zu erledigen haben. Teilt es den Standpunkt des Erstgerichts, dass das Vorbringen der Beklagten grob schuldhaft verspätet erstattet wurde, liegt kein wirksames Bestreitungsvorbringen der Beklagten zur Behauptung der klagenden Partei bezüglich der Beilage ./A vor. In diesem Fall ist, da aus den dargelegten Gründen der unbestimmte Exekutionstitel durch die Titelergänzungsklage saniert werden kann, mit einer Bestätigung des Ersturteils vorzugehen. Andernfalls bedürfte es einer inhaltlichen Prüfung, ob der von der klagenden Partei vorgelegte Plan Beilage ./A zur Präzisierung des unbestimmten Titels herangezogen werden kann, ob also der aus Beilage ./A abzuleitende Zustand bei Durchführung der Veränderungen tatsächlich bestand.

6. Der Kostenvorbehalt für das Revisionsverfahren gründet sich auf § 52 ZPO.

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