European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00065.19S.0425.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin ist Eigentümerin zweier Wohnungseigentumsobjekte in Wien, die als Gastwirtschaft bzw als Geschäftslokal gewidmet sind. Die Beklagte hat diese Objekte von der Voreigentümerin der Klägerin als Geschäftslokal gemietet. Im Mietvertrag vom 27. 6. 2014 wurde vereinbart, dass das Lokal als Kindergarten verwendet werden könne. Aufgrund des Kaufvertrags vom 31. 10. 2014 erwarb die Klägerin die beiden Objekte und trat in den Mietvertrag ein.
Im Verfahren zu 4 Cg ***** des Landesgerichts St. Pölten verpflichtete sich die Klägerin im Rahmen eines Vergleichs gegenüber den klagenden Miteigentümern, es zu unterlassen, nach Ablauf des 31. 12. 2016 in dem in Rede stehenden Lokal einen Kindergarten zu betreiben, sofern nicht eine dem WEG entsprechende Bewilligung der Widmungsänderung vorliegt. Aufgrund dieses Unterlassungsvergleichs wurden gegen die Klägerin im Rahmen von Exekutionsverfahren bereits mehrere Geldstrafen verhängt. Mit Antrag vom 17. 3. 2016 beantragte die Klägerin beim Bezirksgericht Leopoldstadt die Ersetzung der Zustimmung der Wohnungseigentümer zur Widmungsänderung. Dieser Antrag wurde rechtskräftig abgewiesen (5 Ob 160/17s).
Im vorliegenden Verfahren kündigte die Klägerin das Mietverhältnis gegenüber der Beklagten aus dem Kündigungsgrund des § 30 Abs 1 MRG auf. Aufgrund des mit den anderen Wohnungseigentümern geschlossenen Unterlassungsvergleichs seien über sie bereits mehrere Geldstrafen verhängt worden. Einem Antrag auf Widmungsänderung sei nicht Folge gegeben worden. Im Hinblick darauf, dass weitere Geldstrafen und sogar die Verhängung einer Beugehaft drohten, sei sie der Existenzgefährdung ausgesetzt. Dies sei ein wichtiger Kündigungsgrund iSd § 30 Abs 1 MRG.
Die Vorinstanzen erklärten die Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichteten die Beklagte, die beiden Mietobjekte der Klägerin geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben. Die Klägerin habe alles unternommen, um eine Widmungsänderung herbeizuführen, was ihr allerdings nicht gelungen sei. Aus diesem Grund sei die Auflösung des widmungswidrigen Bestandvertrags die einzige Möglichkeit, der Unterlassungsverpflichtung gegenüber den Wohnungseigentümern zu entsprechen. Im Anlassfall sei die widmungswidrige Vermietung nicht einmal von der Klägerin selbst, sondern von deren Voreigentümerin initiiert worden.
In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs vertritt die Beklagte die Ansicht, dass der Kündigungsgrund des § 30 Abs 1 MRG nicht verwirklicht sei, weil ihr das Bestandobjekt von der Voreigentümerin zum Gebrauch als Kindergarten vermietet worden sei. Die Klägerin könne nur vom gelinderen Mittel der Unterlassungsklage gegen sie Gebrauch machen; diese sei auf die Unterlassung des Betriebs des Kindergartens zu richten.
Rechtliche Beurteilung
Damit zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf:
1. Die Beklagte erkennt selbst, dass die Entscheidung 7 Ob 142/08w mit dem vorliegenden Fall vergleichbar und daher einschlägig ist. In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass ein Vermieter, der selbst (im Anlassfall war es hingegen nicht einmal die klagende Vermieterin selbst, sondern deren Voreigentümerin) das Bestandobjekt zu einem widmungswidrigen Gebrauch vermietet hat, nicht ohne weiteres berechtigt ist, den Auftrag einer Verwaltungsbehörde bzw – wie im Vergleichsfall – eines Gerichts aus Anlass eines von den anderen Wohnungseigentümern geführten Unterlassungsprozesses, den Bestandgegenstand der konsensmäßigen Widmung zuzuführen, als Vertragsauflösungsgrund (nach § 30 Abs 1 MRG wegen Existenzgefährdung aufgrund von exekutiven Geld- und Beugestrafen) dem Mieter gegenüber geltend zu machen, sofern er in der Lage ist, dem Mieter den bedungenen Gebrauch der Bestandsache zu sichern.
Auch im Anlassfall besteht eine gerichtliche Unterlassungsverpflichtung der Klägerin, den Bestandgegenstand weiterhin als Kindergarten zu verwenden. Aufgrund des gerichtlichen Unterlassungsvergleichs wurden gegen sie im Rahmen von Exekutionsverfahren auch bereits Geldstrafen verhängt. Zudem hat die Klägerin versucht, im Außerstreitverfahren eine Widmungsänderung zur Ermöglichung des bedungenen Gebrauchs nach dem Mietvertrag zu erreichen, was ihr aber nicht gelungen ist.
2. Die von der Beklagten gegen die diesen Grundsätzen folgende Beurteilung des Berufungsgerichts ins Treffen geführte Argumentation, die Klägerin müsse zunächst als gelinderes Mittel gegen sie eine Klage auf Unterlassung des widmungswidrigen Gebrauchs erheben, scheitert schon am Neuerungsverbot. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet, den Bestandgegenstand auch in einer der Widmung entsprechenden Weise (als Gastwirtschaft bzw Geschäftslokal) verwenden zu wollen.
Außerdem muss der Vermieter nach der zitierten Entscheidung 7 Ob 142/08w in der Lage sein, dem Mieter den bedungenen Gebrauch der Bestandsache zu ermöglichen. Eine Klage auf Unterlassung des bedungenen Gebrauchs könnte gegenüber dem Mieter gerade nicht auf den Mietvertrag gestützt werden und wäre daher als aussichtslos anzusehen (vgl auch dazu 7 Ob 142/08w).
3. Insgesamt gelingt es der Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
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