Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 485,86 EUR (darin enthalten 80,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 546,52 EUR (darin enthalten 61,92 EUR USt und 175 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Dem Kläger gehören im ersten und zweiten Untergeschoß eines Hauses in W***** gelegene Eigentumswohnungen, die im Wesentlichen als Läden und Magazine gewidmet sind. Die Räumlichkeiten wurden vom Kläger bis 1987 zum Betrieb eines Textilhandels, dann bis 1997 von einer Bank als Büroräume benutzt. Bis Ende 1999 vermietete der Kläger die Räumlichkeiten sodann an eine Textilhandelsfirma. Nach deren Konkurs standen die Räume leer. Ab 1. 3. 2001 vermietete der Kläger die Wohnungseigentumsobjekte an Lajosne S***** zur Betreibung eines Gastronomiebetriebs („Englisches Cafe") auf unbestimmte Zeit. Der Mieterin wurde eingeräumt, einen Nachmieter namhaft zu machen, der zu denselben Bedingungen in das Bestandverhältnis eintreten könne. Vereinbart wurde ferner, dass die Mieterin eine Verpflichtung zur Wiederherstellung des vorigen Zustands im Hinblick auf bauliche Veränderungen nicht treffe und vorgenommene Einbauten entschädigungslos ins Eigentum des Klägers übergingen. Im Frühjahr 2002 machte die Mieterin den Beklagten dem Kläger als Nachmieter namhaft. Der Beklagte kaufte mit Vertrag vom 7. 5. 2002 das in den Bestandräumlichkeiten betriebene Unternehmen und erklärte, in die Bestandrechte der Lajosne S***** einzutreten. Am 7. 5. 2002 schloss der Beklagte mit dem Kläger einen Mietvertrag ab, in dem vereinbart wurde, dass der Beklagte berechtigt sei, die Räumlichkeiten zur Betreibung eines gastronomischen Betriebs („Englisches Cafe") mit Kleinküche, Ausschank von englischem Bier, Tee und Kaffee zu benützen. Es wurde ferner vereinbart, dass den Beklagten im Hinblick auf allfällige Umbauten keine Verpflichtung zur Wiederherstellung des vorigen Zustands treffe. In der Folge betrieb der Beklagte ein griechisches Spezialitätenrestaurant mit Vollküchenbetrieb.
Bereits am 5. 1. 2001 hatten allerdings die anderen Wohnungseigentümer des betreffenden Hauses gegen den nunmehrigen Kläger zu 25 Cg 72/02w des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien Klage erhoben, hinsichtlich der Bestandobjekte eine Widmungsänderung und den Betrieb einer Gaststätte zu unterlassen sowie die widmungswidrig vorgenommenen Einbauten von zwei Küchen, Kühleinheiten etc zu entfernen. Das diesem Klagebegehren stattgebende Urteil wurde am 11. 12. 2003 rechtskräftig.
Mit Antrag vom 20. 1. 2003 begehrte der Kläger zu 33 MSch 9/03g des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien gegenüber den anderen Wohnungseigentümern eine Widmungsänderung und Duldungsverpflichtung dahin, dass die Geschäftsobjekte als Restaurant mit täglichen Öffnungszeiten von 9:00 Uhr bis 2:00 Uhr nachts genutzt werden dürften. Der diese Anträge abweisende Sachbeschluss ist am 3. 4. 2007 in Rechtskraft erwachsen.
Von den anderen Wohnungseigentümern wurde - gestützt auf das rechtskräftige Urteil zu 25 Cg 72/02w des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien - zu 71 E 1903/04s des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien Exekution gemäß § 355 EO sowohl hinsichtlich der den Kläger treffenden Unterlassungsverpflichtung als auch betreffend die Entfernung der vorgenommenen Einbauten geführt. Über den Kläger wurden Geldstrafen von 1.500 EUR, 1.700 EUR, 1.900 EUR, 2.100 EUR, 2.200 EUR und 2.300 EUR verhängt. Über einen weiteren, am 5. 4. 2005 eingelangten Antrag der betreibenden Parteien auf Verhängung einer weiteren Geldstrafe oder ersatzweise einer Haftstrafe gegen den Kläger wurde noch nicht entschieden, weil die Exekution über eine Impugnationsklage des Klägers mit Beschluss vom 27. 4. 2005 aufgeschoben wurde. Der Kläger hat bisher 5.700 EUR an über ihn verhängten Geldstrafen gezahlt.
Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung vom 11. 5. 2005 mit Urteil vom 24. 7. 2007 für rechtswirksam. Da der Beklagte aufgrund seiner vertraglichen Beziehung zum Kläger den Betrieb nicht einstellen müsse, könne der Kläger seiner ihm durch das von den anderen Wohnungseigentümern gegen ihn erwirkte Urteil auferlegten Verpflichtung, einen Gaststättenbetrieb zu unterlassen und die widmungswidrigen Einbauten zu entfernen, nur durch Aufkündigung des Bestandverhältnisses nachkommen. Eine andere gesetzeskonforme Möglichkeit bestehe für den Kläger nicht. Dieser habe auch die ihm zu Gebote stehenden gesetzlichen Möglichkeiten insofern ausgeschöpft, als er ein Verfahren auf Widmungsänderung angestrengt habe, dem kein Erfolg beschieden gewesen sei. Es sei die von der Judikatur geforderte Gleichwertigkeit des nach § 30 Abs 1 MRG geltend gemachten Kündigungsgrundes mit einem der Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 MRG gegeben, weil selbst bei strenger Betrachtung nicht daran gezweifelt werden könne, dass die Aufkündigung der einzig gangbare Weg für den Kläger sei, um seine Verpflichtung zu erfüllen. Komme er dieser nicht nach, sei seine physische und/oder wirtschaftliche Existenz gefährdet. Er müsse im schlimmsten Fall mit einer Haftstrafe bis zu einem Jahr rechnen. Die Aufkündigung sei daher rechtswirksam.
Das Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, dass es die Aufkündigung vom 12. 4. 2005 als rechtsunwirksam aufhob und das Räumungsbegehren abwies. Als wichtiger Grund gemäß § 30 Abs 1 MRG, der zur Aufkündigung berechtige, werde die Existenzgefährdung des Vermieters anerkannt; eine solche liege vor, wenn die Sachlage geradezu an die Wurzeln der Existenz des Vermieters greife und die Kündigung der einzig gangbare Weg zur Wahrung seiner Interessen sei; die Kündigung des Mieters müsse „das allerletzte Mittel" sein, mit dem dieser Existenzgefährdung begegnet werden könne. Der Vermieter müsse daher nicht nur behaupten und beweisen, dass er sich in einer außergewöhnlich schwierigen Lage befinde. Es obliege ihm auch der Beweis dafür, dass er vor der Aufkündigung bereits alles ihm Zumutbare getan habe, um diesen Schwierigkeiten auf andere Weise abzuhelfen und nur der Erfolg der Aufkündigung geeignet sei, die Schwierigkeiten zu beheben oder in entscheidender Weise zu mildern. All diese konkreten Umstände müssten bereits in der Aufkündigung behauptet werden. Das Vorbringen des Klägers in seiner Aufkündigung genüge diesen strengen Anforderungen bei weitem nicht. Es erschöpfe sich nämlich im Hinweis auf die ihn treffende Unterlassungs‑ und Entfernungsverpflichtung sowie das diesbezüglich anhängige Exekutionsverfahren, in dem bereits Geldstrafen verhängt worden seien und Haftstrafen drohten. Es fehle jedoch jegliches Vorbringen dazu, was der Kläger bereits vor Einbringung der Aufkündigung erfolglos versucht habe, um diese existenzbedrohende Situation anderweitig abzuwenden. So habe er in der Aufkündigung nichts dazu vorgebracht, ob er bereits versucht habe, eine Widmungsänderung seines Objekts zum Gastronomielokal und damit eine Duldungsverpflichtung der anderen Wohnungseigentümer gemäß § 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002 herbeizuführen. Eine Existenzgefährdung würde dadurch nicht mehr vorliegen. Ebenso habe es der Kläger unterlassen, in der Aufkündigung ein Vorbringen dahin zu erstatten, dass er bereits erfolglos versucht habe, die Einstellung der gegen ihn geführten Unterlassungsexekution mittels einer Impugnationsklage gemäß § 36 EO wegen Unmöglichkeit der Leistung zu erreichen. Auch dadurch wäre die Existenzgefährdung nicht mehr gegeben. Mangels Erstattung eines ausreichenden Vorbringens in der Aufkündigung sei die erstinstanzliche Entscheidung ohne weitere inhaltliche Überprüfung im klagsabweisenden Sinn abzuändern gewesen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil von oberstgerichtlicher Rechtsprechung nicht abgegangen worden sei.
Der Kläger strebt mit der außerordentlichen Revision die Wiederherstellung des Ersturteils oder die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückweisung der Rechtssache entweder an das Berufungsgericht oder das Erstgericht an.
Der Beklagte beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel seines Prozessgegners entweder zurückzuweisen oder ihm keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig und berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hat zwar bereits wiederholt ausgesprochen, dass ein Vermieter, der selbst das Bestandobjekt zu einem widmungswidrigen Gebrauch vermietet hat, nicht ohne weiteres berechtigt ist, den Auftrag der Verwaltungsbehörde, den Bestandgegenstand der konsensmäßigen Widmung zuzuführen, dem Mieter gegenüber als Vertragsauflösungsgrund geltend zu machen, sofern er selbst in der Lage ist, dem Mieter den bedungenen Gebrauch der Bestandssache zu sichern (RIS‑Justiz RS0020955). Letzteres ist dem Kläger aber im vorliegenden Fall gerade nicht möglich. Fest steht, dass er ohnehin zu 44 MSch 9/03g des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien bereits im Jahr 2003 vergeblich eine Widmungsänderung hinsichtlich seiner Geschäftsobjekte verlangt und eine den Betrieb der Gaststätte des Beklagten ermöglichende Duldungsverpflichtung durchzusetzen versucht hat. Er hat zwar auf diesen Umstand in der Aufkündigung nicht ausdrücklich hingewiesen, sondern dies erst im Lauf des Verfahrens näher ausgeführt. Er hat aber schon in der Aufkündigung auf seine ihm mit Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 7. 4. 2003 zu 25 Cg 72/02w aufgetragenen Unterlassungs‑ und Entfernungsverpflichtungen verwiesen und geltend gemacht, dass die in diesem Zusammenhang gegen ihn geführten Exekutionen seine wirtschaftliche Existenz und seine persönliche Freiheit gefährdeten. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Kläger damit sowohl seiner Behauptungs- als auch seiner Beweispflicht hinsichtlich einer „Existenzgefährdung", die nach ständiger Rechtsprechung den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 1 MRG verwirklicht (6 Ob 121/03t mwN ua), nachgekommen. Keine Rede kann davon sein, dass die Feststellungen betreffend seinen vergeblichen Versuch, durch Widmungsänderungen Abhilfe zu schaffen, als überschießend unbeachtlich wären.
Auch das Argument des Berufungsgerichts, der Kläger habe es unterlassen, in der Aufkündigung ein Vorbringen dahin zu erstatten, dass er bereits erfolglos versucht habe, die gegen ihn geführte Unterlassungsexekution mittels einer möglichen Impugnationsklage gemäß § 36 EO wegen Unmöglichkeit der Leistung einer Einstellung zuzuführen, wodurch keine Existenzgefährdung mehr gegeben gewesen wäre, trifft nicht zu. Wäre es in einem Fall wie dem vorliegenden möglich, durch den Hinweis auf die Unkündbarkeit des Mietverhältnisses eine Einstellung der Exekution zu erreichen, würde dies wohl jede Unterlassungsklage Dritter wegen widmungswidrigen Gebrauchs eines Mietobjekts ad absurdum führen. Der Kläger hat im Übrigen ohnehin eine solche Impugnationsklage zu 75 C 11/05f des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien eingebracht, wobei das Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits unterbrochen ist.
Schließlich geht auch der vom Beklagten in der Revisionsbeantwortung erhobene Einwand, der Kläger hätte vor Aufkündigung des Bestandverhältnisses eine Klage auf Unterlassung des Betriebs eines gastronomischen Lokals gegen ihn einbringen müssen, ins Leere, wäre doch eine solche Klage angesichts der im Mietvertrag getroffenen Vereinbarungen von vornherein als aussichtslos anzusehen.
Zutreffend hat das Erstgericht demnach erkannt, dass die Aufkündigung des Bestandverhältnisses tatsächlich für den Kläger den „einzig gangbaren Weg" in einer Situation darstellt, die für den Kläger schon wegen der ihm bei weiterer Nichterfüllung seiner Unterlassungs‑ und Entfernungsverpflichtungen drohenden Haft tatsächlich existenzgefährdend ist. Aus den bereits vom Erstgericht erläuterten Gründen ist - auch unter Anlegung eines „rigorosen Maßstabs" (vgl RIS‑Justiz RS0067147) - daher das Vorliegen eines an Gewicht den Spezialtatbeständen des § 30 Abs 2 MRG gleichkommenden Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 1 MRG zu bejahen. Die klagsstattgebende Entscheidung des Erstgerichts ist daher wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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