OGH 1Ob50/19p

OGH1Ob50/19p3.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** R*****, vertreten durch Dr. Friedrich Helml, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 45.011,29 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Jänner 2019, GZ 5 R 117/18i‑22, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 18. Juli 2018, GZ 51 Cg 8/17h‑18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00050.19P.0403.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Mit seinen Ausführungen, dass die Beklagte die Richtigkeit des Inhalts des Kreditvertrags, der Lebensversicherungspolizze, der Polizze des Tilgungsträgers und von zwei Kontoauszügen zugestanden habe und damit jene (weitergehenden) Tatsachenbehauptungen außer Streit gestellt haben soll, zu deren Beweis er diese Urkunden angeboten habe, versucht der Kläger in Wahrheit die Feststellungen des Erstgerichts zur Mitteilung über die Deckungslücke und seiner Kenntnis von der risikobehafteten Finanzierungsform zu bekämpfen. Die Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren allerdings nicht mehr angefochten werden (vgl RIS‑Justiz RS0043371 [T22]). Überdies kann ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 266 ZPO im Revisionsverfahren nicht erfolgreich gerügt werden, weil die Aufnahme von Beweisen über von einer Partei – wie hier behauptet wird – zugestandene Tatsachen keinen Mangel im Sinn des § 503 Z 2 ZPO begründet (RIS‑Justiz RS0040119 [T1]; vgl RS0039949 [T7]; RS0040110 [T5]).

2. Nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt der Primärschaden im Fall einer fehlerhaften Anlageberatung bereits darin, dass sich das Vermögen des Anlegers wegen einer Fehlinformation des Schädigers anders zusammensetzt, als es bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters der Fall wäre. Ein (realer) Schaden aus einer fehlerhaften Anlageberatung tritt also schon durch den Erwerb des in Wahrheit nicht gewollten Finanzprodukts ein (RIS‑Justiz RS0022537 [T22, T24]; RS0129706 [T3]). Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt grundsätzlich mit Kenntnis des Primärschadens, auch wenn der Geschädigte die Höhe des Schadens noch nicht beziffern kann, ihm nicht alle Schadensfolgen bekannt oder diese noch nicht zur Gänze eingetreten sind. Der drohenden Verjährung muss der Geschädigte mit einer Feststellungsklage begegnen (RIS‑Justiz RS0087615; RS0097976 [T5]), sofern er nicht ohnehin Naturalherstellung begehren kann.

3. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist für die Frage der Verjährung von Ansprüchen aus Beratungsfehlern bei Veranlagungs- und/oder Finanzierungskonzepten, die eine Kombination von Fremdwährungskrediten mit Tilgungsträgern vorsehen, entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte erkennt, dass das Gesamtkonzept entgegen den Zusicherungen nicht oder nicht im zugesagten Ausmaß risikolos ist (RIS‑Justiz RS0034951 [T38]; RS0087615 [T9, T10, T11]; RS0097976 [T8, T9]). Maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist also die Kenntnis der Risikoträchtigkeit des gesamten Modells. Die spezifischen Risiken, die diese Risikoträchtigkeit bedingen (Wechselkurs, Zinsentwicklung, Entwicklung des Tilgungsträgers), stehen nach der Interessenlage des durchschnittlichen Anlegers in einem derart engen Zusammenhang, dass die unterbliebene oder fehlerhafte Aufklärung über einzelne Teilaspekte verjährungsrechtlich jeweils als unselbständiger Bestandteil eines einheitlichen Beratungsfehlers zu qualifizieren ist (8 Ob 109/17p mwN = RIS‑Justiz RS0034951 [T39]). Zu welchem Zeitpunkt der Anleger konkret Kenntnis vom Primärschaden erlangte, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl RIS‑Justiz RS0113916 [T1]).

4. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die dreijährige Verjährungsfrist bereits mit dem Beratungsgespräch am 11. 12. 2009 zu laufen begonnen habe, weil der Kläger seit diesem Zeitpunkt erkannt habe, dass die von ihm eingegangene Fremdwährungsfinanzierung mit Risiken behaftet war und sich insbesondere seine Kreditverbindlichkeit wegen der Währungskursveränderungen nicht nur erhöht hatte, sondern sogar bereits eine Deckungslücke prognostiziert war und damit die Gefahr bestand, dass er den Darlehensbetrag am Ende der Laufzeit des Fremdwährungskredits durch den Tilgungsträger nicht werde ausgleichen können, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung. Der Kläger wusste zu diesem Zeitpunkt, dass eine (angeblich) zugesagte wesentliche Eigenschaft der Finanzierung nicht gegeben war. An seiner Kenntnis vom Primärschaden ändert sich nichts dadurch, dass ihm zum damaligen Zeitpunkt die Konvertierung des Fremdwährungskredits in Euro nicht konkret empfohlen, sondern nur deren Möglichkeit „eröffnet“ wurde, ihm der Berater der Beklagten erläuterte, dass der Kurs des Schweizer Franken steigen oder fallen könnte und dieser zur weiteren Entwicklung des Schweizer Franken‑Kurses keine bestimmte Prognose abgab.

5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte