OGH 9ObA26/19t

OGH9ObA26/19t28.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Hölfle und Peter Schleinbach in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** S*****, vertreten durch Mag. Peterpaul Suntinger, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Kleinszig und Dr. Christian Puswald, Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, wegen 3.489,39 EUR sA (Revisionsinteresse: 3.389,26 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Jänner 2019, GZ 7 Ra 51/18a-24, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00026.19T.0328.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung nach § 2 Abs 1 EFZG setzt voraus, dass der Arbeitnehmer nach Antritt des Dienstes durch Krankheit (Unglücksfall) an der Leistung seiner Arbeit verhindert ist, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat.

Die Beklagte ist auch in ihrer außerordentlichen Revision der Ansicht, dass der von ihr gekündigte Kläger keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Sinn dieser Bestimmung habe, weil er seine Arbeitsunfähigkeit infolge eines Sturzes mit dem Fahrrad grob fahrlässig herbeigeführt habe. Damit zeigt sie keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist (RIS-Justiz RS0030272; RS0031127). Grobe Fahrlässigkeit ist eine Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, die sich über die alltäglich vorkommenden Fahrlässigkeitshandlungen erheblich und ungewöhnlich heraushebt, wobei der Schaden als wahrscheinlich vorhersehbar ist (RIS‑Justiz RS0030359; RS0030644). Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass der Verstoß gegen das normale Handeln auffallend und der Vorwurf im höheren Maß gerechtfertigt ist. Die Beurteilung des Verschuldensgrades unter Anwendung der richtig dargestellten Grundsätze, ohne dass ein wesentlicher Verstoß gegen maßgebliche Abgrenzungskriterien vorläge, kann wegen ihrer Einzelfallbezogenheit nicht als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO gewertet werden (RIS‑Justiz RS0087606; RS0105331).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte ihre Behauptung nicht nachgewiesen, dass der Kläger in der Nacht vom 1. auf den 2. 6. 2017, als er nach Beendigung seiner Arbeit um etwa 1:30 h mit dem Fahrrad unterwegs war und beim Einbiegen auf einen Platz zu Sturz kam, alkoholisiert war. Die von ihr angeführten Zitate zur groben Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit einer Alkoholisierung gehen damit ins Leere. Der Vorwurf, dass der Kläger mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei, wurde von ihr erst im Berufungsverfahren erhoben und verstieß damit gegen das Neuerungsverbot. Im verbleibenden, dem Kläger vorgeworfenen Verhalten, er sei in einem zu engen Winkel nach links in eine Fußgängerzone eingebogen, sah das Berufungsgericht zwar eine Fahrlässigkeit, erkannte darin jedoch noch keine derart massive Sorgfaltswidrigkeit, die den Eintritt des Schadens wahrscheinlich gemacht hätte. Diese Beurteilung verlässt den Rahmen der dargelegten Rechtsprechung nicht, sie bedarf daher keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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