OGH 3Ob225/18m

OGH3Ob225/18m20.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Kaufmann & Lausegger Rechtsanwalts KG in Graz, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Imre & Schaffer Rechtsanwälte OG in Gleisdorf, wegen 672.254,02 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 366.961,92 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 27. September 2018, GZ 3 R 63/18m‑237, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00225.18M.0320.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Beklagte war für die Bauherrin eines großen Bauvorhabens mit umfangreichen Installationsarbeiten betraut und beauftragte ihrerseits im Juli 2010 die Klägerin als Subunternehmerin mit der Lieferung und Montage von Fertigbädern inklusive Installationsschächten. Im Zuge der Arbeiten kam es zu verschiedenen Verzögerungen und Reklamationen; die Beklagte verweigerte die Zahlung der vierten Teilrechnung und die Klägerin zog schließlich (nach wechselseitigen Schuldzuweisungen) kurzfristig ihre Arbeiter von der Baustelle ab, woraufhin die Beklagte – nach Androhung und Fristsetzung – den Rücktritt vom verbleibenden Werkvertrag erklärte und die Arbeiten durch andere Unternehmen fertig stellen ließ.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten restlichen Werklohn und stützte ihre Forderung insbesondere darauf, dass der Vertragsrücktritt nicht gerechtfertigt gewesen sei. Die Beklagte, die gegen ein allenfalls zu Recht bestehendes Klagebegehren mehrere Gegenforderungen einwendete, erwiderte zusammengefasst, die Klägerin habe diverse Verzögerungen und Mängel ihrer Arbeiten zu verantworten gehabt und (spätestens) durch das Einstellen und Nicht-Wiederaufnehmen der Arbeiten trotz Rücktrittsdrohung und Nachfristsetzung sei für die Beklagte ein wichtiger Grund zum Rücktritt vorgelegen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts, das die Klagsforderung mit 305.292,10 EUR, die Gegenforderungen mit insgesamt 46.731,65 EUR zu Recht bestehend erkannte und die Beklagte daher verpflichtete, der Klägerin 258.560,45 EUR sA zu zahlen, während es das Mehrbegehren von 413.693,57 EUR sA abwies.

Die Klägerin zeigt in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel, das – wie schon die Berufung – vom Zurechtbestehen der Klageforderung mit 672.254,02 EUR ausgeht (und die als zu Recht bestehend erkannte Gegenforderung unbekämpft lässt), keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO an.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Frage, ob derart wichtige Gründe vorliegen, dass sie den Vertragspartner zu einer sofortigen Vertragsaufhebung berechtigen, ist eine solche des Einzelfalls, der keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0018286 [T9]; jüngst 1 Ob 155/18b mwN).

Im Anlassfall ist das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangt, dass durch die gänzliche Einstellung der Arbeiten der Klägerin zu einem äußerst kritischen Zeitpunkt des Bauvorhabens bei der Beklagten ein Vertrauensverlust eingetreten sei, der sie zum Rücktritt vom verbleibenden Werkvertrag berechtigt habe. Die Einstellung und die – trotz Androhung des Rücktritts – unterbliebene Wiederaufnahme der Arbeiten sei als Umstand zu werten, der einen wichtigen Grund für den Vertragsrücktritt darstelle.

Wenn die Revisionswerberin meint, das Erstgericht habe in seiner Entscheidungsbegründung im Unterschied dazu in der festgestellten Vorgangsweise zwar einen „wichtigen Grund“ zum Rücktritt, nicht aber einen Vertrauensbruch erkannt, übergeht sie die erstgerichtliche Beurteilung, das Vertrauen der Beklagten in eine fristgerechte Komplettierung der Fertigbäder durch die Klägerin sei „zerstört“ und die Arbeitseinstellung der Klägerin in Anbetracht der besonderen Gesamtsituation unberechtigt gewesen, sodass ein wichtiger Grund zur Vertragsaufhebung jedenfalls vorgelegen habe (Ersturteil S 115 und 116). Davon abgesehen stellt ein Vertrauensverlust nur einen in Betracht kommenden Grund dar, der eine sofortige Beendigung eines Vertragsverhältnisses rechtfertigen kann, weil ebenso Vertragsverletzungen oder schwerwiegende Änderungen der Verhältnisse eine Fortsetzung der vertraglichen Bindungen im Einzelfall nicht zumutbar erscheinen lassen können (RIS‑Justiz RS0111147 [T2]; vgl auch RS0018377 [T20], RS0027780 [T47]).

2. Ein Rücktritt wegen Schuldnerverzugs kann grundsätzlich nur unter gleichzeitiger Setzung einer angemessenen Frist zur Nachholung erklärt werden. Der Rücktritt wird erst nach einer angemessenen Nachfrist wirksam (RIS-Justiz RS0018395). Rücktrittserklärung und Nachfristsetzung bilden eine Einheit, die dem Schuldner eine letzte Chance zur Vertragserfüllung geben soll (RIS‑Justiz RS0018375). Von der Nachfristsetzung kann aber dann abgesehen werden, wenn der Schuldner offensichtlich nicht in der Lage ist, die Leistung nachzuholen (RIS-Justiz RS0018400), oder wenn er die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (RIS‑Justiz RS0018371; RS0018428; jüngst 4 Ob 183/18t). Grundsätzlich können die Pflichten zur Nachfristsetzung auch abbedungen werden (RIS‑Justiz RS0024012).

Entgegen der Meinung der Revisionswerberin weicht die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht von dieser Rechtsprechung ab; nach der Rücktrittsdrohung mit Frist zur Wiederaufnahme der Arbeiten hat die Klägerin nämlich lediglich unter der Voraussetzung näher genannter Zahlungen erklärt, die Arbeiten wieder fortzusetzen, tatsächlich ihre Arbeiten auf der Baustelle aber nicht (wie von der Beklagten gefordert) innerhalb dieser Frist wieder aufgenommen. Auf das Erfordernis einer Nachfristsetzung wurde daher gar nicht verzichtet.

Das Argument, die Beklagte habe der Klägerin „einseitig Vertragsänderungen aufzuzwingen“ versucht, findet im festgestellten Ablauf der Ereignisse keine Grundlage und die Arbeitseinstellung war nach den Feststellungen auch keine bloß „kurzfristige Unterbrechung“, sondern erfolgte nach – laufend intensivierten – Meinungsverschiedenheiten der Streitteile in Bezug auf die ausständige Zahlung der vierten Teilrechnung sowie auf bereits gezogene Bankgarantien. In Anbetracht der komplexen Struktur der bei dem sehr umfangreichen Bauprojekt vorgesehenen Arbeiten lässt sich für den Standpunkt der Revisionswerberin daher auch aus der Entscheidung 2 Ob 237/14b nichts gewinnen (= RIS‑Justiz RS0021684 [T6]): Danach kann der Werkunternehmer – im Rahmen der Sachkunde und Vertragstreue – (zwar) die Verbesserung vornehmen, ohne sich hierfür vom Besteller Vorschriften machen lassen zu müssen. Im Anlassfall war aber gerade die zeitliche Abfolge unter Berücksichtigung der einzelnen Leistungen von besonderer Bedeutung für die Einhaltung des von der Bauherrin vorgegebenen Fertigstellungstermins, weshalb auch diese Umstände von der Klägerin bei Erfüllung ihres Vertrags zu beachten waren.

Soweit die Revision schließlich den Behebungsaufwand für die von der Beklagten am 1. Dezember 2010 festgestellten Mängel in Relation zu ihrem damals offenen Werklohnanspruch setzt und daraus folgert, die Zurückbehaltung dieses Teils des Werklohns sei rechtswidrig gewesen, übersieht sie, dass als wichtiger Grund zum Vertragsrücktritt erst die spätere Arbeitseinstellung durch die Klägerin gewertet wurde. Die Zurückbehaltung der – bereits seit längerem – offenen Teilrechnung(en) war also nach den Feststellungen keineswegs allein an die zuletzt von der Revisionswerberin genannten Mängel geknüpft; diese bei einer Kontrolle noch ausständigen Arbeiten waren vielmehr nur ein (weiteres) Kriterium für die Beklagte, das ihr Vertrauen in eine fristgerechte Fertigstellung durch die Klägerin zusätzlich erschütterte.

Ein Widerspruch zu der in der Revision zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist daher nicht zu erkennen; vielmehr ist die vom Berufungsgericht bestätigte – auf einer Gesamtwertung der Ereignisse beruhende, umfangreich begründete – Beurteilung des Erstgerichts, der Vertragsrücktritt durch die Beklagte sei in diesem Einzelfall im Hinblick auf die Vorgangsweise der Klägerin gerechtfertigt gewesen, nicht korrekturbedürftig.

3. Der außerordentlichen Revision gelingt es daher insgesamt nicht, eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufzuzeigen.

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