OGH 3Ob19/19v

OGH3Ob19/19v20.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen K*****, vertreten durch das Land Wien als Kinder- und Jugendhilfeträger (Amt für Jugend und Familie – Rechtsvertretung für die Bezirke 13, 14, 15, Gasgasse 8–10, Wien 15), wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Vaters S*****, vertreten durch Mag.Elisabeth Moser‑Marzi und Mag. Milorad Erdelean, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. Juli 2018, GZ 44 R 285/18i‑120, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 23. Mai 2018, GZ 3 Pu 151/11i‑110, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00019.19V.0320.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.

 

Begründung:

Das Erstgericht verpflichtete den Vater zusätzlich zu jenen Unterhaltsbeträgen, die er bereits aufgrund einer Unterhaltsvereinbarung schuldet (50 EUR monatlich), zur Zahlung von 160 EUR (von 1. Mai 2017 – 31. Dezember 2017) bzw 180 EUR (ab 1. Jänner 2018) monatlich für seine mj Tochter. Es traf dazu nach Einholung eines medizinischen und eines darauf aufbauenden berufskundlichen Sachverständigengutachtens ua folgende Feststellungen: Der Vater war in der Zeit vom 1. Mai 2017 bis 20. Dezember 2017 als Arbeiter beschäftigt und ist seit 26. Februar 2018 nur mehr geringfügig bei dieser Firma tätig. In der Vergangenheit war er oft als arbeitssuchend beim AMS gemeldet und stand auch in Bezug von Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe; zuletzt ist er seit 21. Dezember 2017 als laufend arbeitssuchend beim AMS gemeldet und erhält seither auch Arbeitslosengeld. Der Vater war ab 2016 bis dato dazu in der Lage, eine Tätigkeit als Getränkeherstellergehilfe oder als Bote (jeweils in einem Beschäftigungsausmaß von 30 Wochenstunden) auszuüben und als solcher im Jahr 2017 ein Durchschnittseinkommen von 1.178 EUR und im Jahr 2018 von 2.218 EUR zu erzielen. Rechtlich folgerte das Erstgericht, der Vater sei auf das erzielbare Einkommen anzuspannen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs (ursprünglich) nicht zu. Der gerügte Verfahrensmangel sei ebenso wenig entscheidungswesentlich wie die geäußerten Zweifel an der Tiefe und Qualität des eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens, weil der Rekurswerber übersehe, dass er bereits derzeit einer 30‑Stunden‑Beschäftigung als Fahrer nachgehe und dass das Erstgericht seiner Anspannung ohnehin eine 30‑Stunden‑Beschäftigung ua als Botenfahrer zu Grunde gelegt habe. Bedenken gegen das berufskundliche Gutachten hätten in erster Instanz vorgetragen werden müssen.

Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nachträglich zu, weil das erstgerichtliche Verfahren an einem bisher unberücksichtigt gebliebenen Verfahrensmangel gelitten habe: Obwohl der Sachverständige das Gericht darauf hingewiesen habe, dass aktuelle Befunde und medizinische Unterlagen zum Gesundheitszustand des Vaters notwendig seien, habe das Gericht dem Vater jegliche Gelegenheit zur Stellungnahme und Beibringung dieser Unterlagen genommen.

In seinem (richtig:) ordentlichem Revisionsrekurs wegen Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung macht der Vater ua geltend, das Rekursgericht habe ausschließlich aufgrund der aktenwidrigen Feststellung, dass er bereits derzeit einer 30‑Stunden-Beschäftigung als Fahrer nachgehe, die im Rekurs gerügte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens verneint und sämtliche Einwendungen zum Gutachten des medizinischen Sachverständigen übergangen.

Die Minderjährige beteiligte sich nicht am Revisionsrekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt .

1.  In seinem Rekurs machte der Vater ua geltend, das Gutachten des orthopädischen Sachverständigen sei ungenügend, basiere nicht auf aktueller Grundlage und hätte ergänzt werden müssen. Weiters bemängelte er, das Erstgericht hätte ihn zur Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen (Röntgenbilder vom 5. Jänner 2018) auffordern müssen.

2.  Das Rekursgericht ging auf die Verfahrensrüge (betreffend vom Erstgericht zu erteilende Aufträge an den Vater) und die (richtig: RIS-Justiz RS0043320; RS0043163; RS0043275; RS0113643) Beweisrüge gegen die Verwertung des Gutachtens des medizinischen Sachverständigen inhaltlich nicht ein, weil es – aktenwidrig – unterstellte, das Erstgericht habe ohnehin eine aktuelle Berufstätigkeit des Vaters festgestellt, die jenem Ausmaß entspreche, auf das er anzuspannen sei. Das trifft aber nicht zu.

3.  Der Revisionsrekurswerber zeigt somit Mängel des Rekursverfahrens gemäß § 66 Abs 1 Z 2 AußStrG auf, weil das Rekursgericht die Rekursausführungen zur Verfahrens- und Beweisrüge nur unvollständig erledigte und sich mit gewichtigen Argumenten des Vaters gar nicht befasst hat (RIS-Justiz RS0043144 [T6, T7]; vgl RS0043166; RS0043086 [T7] ua).

4.  Aufgrund dieser wesentlichen Mängel des Rekursverfahrens ist die Aufhebung der Entscheidung und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Rekursgericht unumgänglich.

5.  Der Vollständigkeit halber sei aber abschließend noch angemerkt, dass die Äußerung des medizinischen Sachverständigen vom 20. März 2018, ON 101, nach der Aktenlage an den Vater ohnehin am 3. April 2018 ausgefolgt wurde (ON 107) und dass die Rekursentscheidung auch jede Auseinandersetzung mit der Rechtsrüge im Rekurs des Vaters, es fehle an Feststellungen zu seinen Bemühungen, einen Arbeitsplatz zu finden, vermissen lässt.

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