OGH 1Ob233/18y

OGH1Ob233/18y5.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Mag. Korn und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Ing. C*, vertreten durch Dr. Florian Perschler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die gefährdende Partei Dr. J*, vertreten durch Dr. Helene Klaar und Dr. Norbert Marschall, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Z 8 lit c zweiter Fall EO, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der gefährdenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 3. Oktober 2018, GZ 42 R 264/18m, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 15. Juni 2018, GZ 3 C 28/17w‑38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E124711

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag der gefährdeten Partei auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, womit der gefährdenden Partei zur Sicherung des Aufteilungsanspruchs der gefährdeten Partei verboten werde, nachstehende Wertpapiere „aufzulösen“, zu verkaufen oder sonstige Verfügungen über diese Wertpapiere zu treffen:

Depotkonto Nr * lautend auf Dr. J* bei der U*;

Depotkonto Nr * Nummernkonto Dr. J* und Ing. C* bei der U*;

Depotkonto Nr * lautend auf Dr. J* bei der U*;

Depotkonto Nr * lautend auf Dr. H*/Ing. H* bei der *-Bank;

abgewiesen wird.

Die gefährdete Partei, die ihre Kosten des Sicherungsverfahrens endgültig selbst zu tragen hat, ist schuldig, der gefährdenden Partei die mit 5.488,06 EUR (darin enthalten 676,26  EUR USt und 1.430,50 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekurs- und Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Das Scheidungsverfahren der Parteien ist seit 2. 8. 2017 anhängig. Die Antragsgegnerin hat im April 2017 Wertpapiere (eheliche Errungenschaft) um 170.000 EUR verkauft und sich diesen Betrag bar auszahlen lassen, ohne dies mit dem Antragsteller abzusprechen. Der Antragsteller hat davon im Mai 2018 über Nachfrage bei der Bank Kenntnis erlangt. Er weiß nichts über den Verbleib des Geldes. Daneben besitzen die Streitteile weitere Wertpapiere im Wert von rund 690.000 EUR. An sonstigem – während der Ehe erworbenem – Vermögen gibt es eine im Alleineigentum der Antragsgegnerin stehende Liegenschaft samt Haus (dabei handelt es sich um die Ehewohnung) sowie eine weitere, den Ehegatten jeweils zur Hälfte gehörende Liegenschaft, jeweils in Wien.

Der Antragsteller beantragte im Rahmen des Scheidungsverfahrens die Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit dem Inhalt, der Antragsgegnerin zur Sicherung seines Aufteilungsanspruchs zu verbieten, die im Spruch näher bezeichneten Wertpapiere (im Gesamtwert von rund 690.000   EUR) „aufzulösen“, zu verkaufen oder sonstige Verfügungen darüber zu treffen.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung bis zur rechtskräftigen Beendigung des anhängigen Scheidungsverfahrens. Angesichts des bescheinigten Verkaufs von Wertpapieren im Wert von 170.000 EUR durch die Antragsgegnerin ging es von einer (konkreten) Gefährdung des Aufteilungsanspruchs des Antragstellers aus, woran es nichts ändere, dass weiteres der nachehelichen Aufteilung unterliegendes Liegenschaftsvermögen vorhanden sei.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge. Es ging davon aus, dass der (im April 2017 erfolgte) Verkauf von Wertpapieren durch die Antragsgegnerin mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere solche Handlungen befürchten lasse, weshalb der Ausgleichsanspruch des Antragstellers gefährdet sei. Davon, dass zusätzlich zu den von der einstweiligen Verfügung betroffenen Wertpapieren ausreichendes Vermögen (gemeint: zur Deckung des Aufteilungsanspruchs des Antragstellers) vorhanden sei, könne mangels festgestellten Werts der Liegenschaften, des Einkommens der Antragsgegnerin oder etwaiger Schulden keine Rede sein. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs aufgrund der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist zulässig und berechtigt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung werden bei einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Z 8 lit c zweiter Fall EO nicht das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse, sondern der Anspruch des gefährdeten Ehegatten auf einen angemessenen Anteil an der Aufteilungsmasse, der auch durch eine Ausgleichszahlung substituiert werden kann, gesichert. Für die Durchsetzung des Aufteilungsanspruchs ist nicht maßgeblich, ob die gefährdete Partei letztlich die Sache oder eine Ausgleichszahlung nach § 94 EheG zugesprochen erhält. Entscheidend ist vielmehr, ob die Aufteilung der von Machenschaften des Gegners bedrohten Vermögensobjekte künftig vorgenommen werden kann (RIS-Justiz RS0037061).

2.1. Unabdingbare Voraussetzung für die einstweilige Sicherung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Aufteilung dieses Vermögens oder – wie hier – im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit c zweiter Fall EO ist neben der Bescheinigung eines Aufteilungsanspruchs die Bescheinigung dessen konkreter Gefährdung (RIS‑Justiz RS0115099). Nach der jüngeren Rechtsprechung kommt es für die Anspruchsgefährdung darauf an, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Gegner der gefährdeten Partei einen allenfalls erzielten Verkaufserlös verwirtschaften oder verbringen bzw Verfügungen treffen werde, die die Realisierung der Aufteilungsansprüche unmöglich machen (6 Ob 278/07m mwN). Es muss die hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass ohne die begehrte Maßnahme die (wertmäßige) Befriedigung des Aufteilungsanspruchs vereitelt oder erheblich erschwert würde (vgl RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0037061&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T8]). Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen von Umständen, aus denen sich eine solche konkrete Gefährdung ergibt, trifft die gefährdete Partei (vgl RIS‑Justiz RS0005175 [T9]; 1 Ob 13/18w). Bei der Beurteilung, welche Tatsachen seiner Entscheidung als bescheinigt zugrunde zu legen sind, hat sich das Gericht im Provisorialverfahren zwar am niedrigeren Beweismaß des § 274 ZPO zu orientieren. Ob ausgehend von den als bescheinigt angenommenen Tatsachen eine ausreichend hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass einem Ehegatten der von ihm behauptete Nachteil konkret droht, ist aber eine Frage der rechtlichen Beurteilung, die im Einzelfall unter Berücksichtigung typischer oder zumindest häufiger Geschehnisabläufe zu beantworten ist (1 Ob 182/17x).

2.2. Dem Rekursgericht ist bei der Beurteilung, ob sich aus dem bescheinigten Sachverhalt eine Anspruchsgefährdung ableiten lässt, eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen. Eine zu befürchtende „Umschichtung“ von Vermögen in Verheimlichungsabsicht vermag zwar grundsätzlich eine Anspruchsgefährdung zu begründen (RIS-Justiz RS0006055 [T11]). Im vorliegenden Fall wurde aber nur bescheinigt, dass der Verkauf von Wertpapieren und die Barbehebung des Verkaufserlöses nicht mit dem Antragsteller abgesprochen war und dieser „nichts über den Verbleib weiß“. Dass der Verkauf der Wertpapiere und der Verbleib des Erlöses vor dem Antragsteller bewusst verborgen bzw verheimlicht worden wäre, ergibt sich daraus nicht. Die Antragsgegnerin verkaufte auch nur rund ein Fünftel des zunächst bestehenden Wertpapiervermögens von insgesamt etwa 860.000 EUR. Dass sie seither (also seit April 2017) weitere Wertpapiere verkauft hätte – oder einen Verkauf konkret beabsichtigen würde –, wurde nicht behauptet. Aus einem einmaligen und bereits längere Zeit zurückliegenden Verkauf bloß eines verhältnismäßig geringen Teils des Wertpapiervermögens kann aber nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, dass auch der noch verbleibende (weit überwiegende) Teil der Wertpapiere verkauft werden soll. Hätte die Antragsgegnerin dies beabsichtigt, hätte sie einen solchen Verkauf in der Vergangenheit leicht vornehmen können, was sie jedoch unterließ. Aber selbst wenn eine aktuelle Verkaufsabsicht bestünde, ergäbe sich alleine daraus noch keine konkrete Anspruchsgefährdung, weil diese auch eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür voraussetzt, dass der Erlös aus dem beabsichtigten Verkauf von der Aufteilung unterliegenden Vermögensgegenständen verwirtschaftet oder verbracht wird oder (sonstige) Verfügungen getroffen werden, welche die Realisierung des Aufteilungsanspruchs unmöglich machen. Derartiges hat der Antragsteller aber nicht substantiiert behauptet.

2.3. Darauf, ob durch den Verkauf zu einem ungünstigen Kurs ein Schaden entstanden ist, kommt es bei Prüfung der Gefährdung des Aufteilungsanspruchs ebenso wenig an, wie darauf, ob eine wirtschaftliche Notwendigkeit zum Verkauf der Wertpapiere bestand. Auch daraus, dass die Antragsgegnerin im Scheidungsverfahren den (rechtlichen) Standpunkt vertreten habe, dem Antragsteller komme kein Aufteilungsanspruch zu, kann eine konkrete Anspruchsgefährdung nicht abgeleitet werden. Ob die Anspruchsgefährdung – wie die Revisionsrekurswerberin behauptet – auch daran scheitern würde, dass insgesamt genügend Vermögen vorhanden wäre, um den zu sichernden Aufteilungsanspruch zu decken (vgl etwa 1 Ob 213/12y mwN), muss nicht mehr geprüft werden; auch für einen solchen Deckungsmangel träfe den Antragsteller die Behauptungs- und Bescheinigungslast (vgl 1 Ob 182/17x).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 dritter Satz EO iVm § 78 Abs 2 erster Satz AußStrG.

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