OGH 14Os14/19v

OGH14Os14/19v5.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. März 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Schriftführers Bodinger in der Strafsache gegen Philip R***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. Oktober 2018, GZ 84 Hv 17/18m‑36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00014.19V.0305.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Philip R***** mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A./) und mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten im Sommer 2017 in W***** an der am ***** geborenen, sohin unmündigen Minderjährigen V***** G*****

A./ außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er in einer nicht mehr feststellbaren Anzahl von Angriffen seinen Penis an sowie zwischen ihren „Pobacken“ rieb;

B./ durch die zu A./ beschriebenen Taten geschlechtliche Handlungen unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber der seiner Aufsicht Unterstehenden vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens zum Beweis dafür, „dass die Aussage des Kindes erfunden bzw. beeinflusst wurde“ (ON 35 S 19 f), Verteidigungsrechte nicht verletzt. Denn Anhaltspunkte dafür, dass die Hilfestellung eines Sachverständigen bei der – als Akt freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) allein den Tatrichtern zukommenden (RIS‑Justiz RS0098297) – Beurteilung von Wahrheit und Richtigkeit der Aussagen des Opfers ausnahmsweise geboten wäre, hat der Antrag durch die bloße Behauptung, das Opfer sei „durch ihren zweifellos sehr besorgten Vater möglicherweise auch unbeabsichtigt in ihrem Aussageverhalten erheblich beeinflusst“ worden und das nach Anleitung des Kindsvaters verfasste Gedankenprotokoll des Mädchens sei „ein starkes Indiz dafür“, nicht aufgezeigt (RIS‑Justiz RS0097733, RS0097576, RS0120634).

Das zur Antragsfundierung im Rechtsmittel nachgetragene Vorbringen, mit dem gravierende Bedenken hinsichtlich der Aussagefähigkeit der Zeugin V***** G***** geweckt werden sollen, ist aufgrund des Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).

Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen, also solche, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage maßgebend sind und entweder auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss üben (RIS-Justiz RS0106268, RS0099497).

Indem die Beschwerde das Fehlen einer Begründung behauptet (Z 5 vierter Fall), warum sich die Feststellung, wonach V***** G***** nach Ansicht ihrer Mutter einmal ein Model werden sollte (US 3), „allein auf die Aussage des Zeugen Johann G***** stützt“, spricht sie keinen schuld- oder subsumtionsrelevanten Tatumstand an.

Dasselbe gilt für die Kritik an der Begründung der Feststellung, wonach der Angeklagte die Unmündige auch in Abwesenheit der Mutter aufgefordert hat, sich kurze Kleider derselben anzuziehen, sich zu schminken und sitzend mit gespreizten Beinen zu posieren, wovon er mit seinem Smartphone Fotos gemacht hat (US 3). Die Spekulationen darüber, warum bei der Auswertung des Mobiltelefons des Angeklagten keine Fotos des geschminkten Opfers mit hochgezogenem kurzen Rock und gespreizten Beinen gefunden wurden, und dass das Anfertigen von Fotos im Zimmer des Opfers auch seinem im Nebenzimmer befindlichen Bruder auffallen hätte müssen, bedürfen daher keiner Erwiderung.

Dass der Angeklagte das Opfer den Konstatierungen zufolge einmal gebeten hat, mit ihm in das Schlafzimmer zu kommen, wo er sich nackt auf das Bett legte und vom Mädchen verlangte, ihn im Bereich der Oberschenkel bis zur Gesäßregion zu massieren (US 3 f), ist (ebenfalls) nicht Gegenstand des Schuldspruchs (RIS-Justiz RS0117264).

Soweit sich die Beschwerde gegen die Feststellung richtet, dass der Angeklagte das Opfer nach dem Duschen aufgefordert hat, sich nackt am Bauch ins Bett zu legen, sich mit einer Unterhose oder einem Handtuch bekleidet und in einem Fall nackt auf die Oberschenkel der Unmündigen setzte, sie am Körper eincremte und seinen Penis wiederholt an sowie zwischen ihren Pobacken rieb (US 4), bringt sie einen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 nicht zur Darstellung. Denn durch eigenständige Interpretation des Aussageverhaltens der Zeugin V***** G*****, Bezeichnung ihrer Angaben als „durchwegs äußerst vage“, Überlegungen, wovon „im Zweifel“ auszugehen wäre, und durch die Behauptung, es widerspreche den Kriterien logischen Denkens, dass der Angeklagte, während er dem Opfer auf dessen Schenkeln sitzend den Rücken eincremte, seinen Penis an sowie zwischen den Gesäßbacken gerieben haben soll, wird die Beweiswürdigung der Tatrichter lediglich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung bekämpft (RIS‑Justiz RS0117445 [T2]).

Im Übrigen wird übersehen, dass die tatrichterliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen – so sie nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) ist – einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist (RIS‑Justiz RS0106588). Unter dem Aspekt von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) kann diese Beurteilung aber mangelhaft sein, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden – und vom Rechtsmittelwerber deutlich und bestimmt zu bezeichnenden – Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt besteht dabei aber nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (RIS-Justiz RS0119422, RS0106588 [T15]; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 432). Diese spricht die Beschwerde aber nicht an, indem sie eine Erörterung von Aussagen des Opfers zu seiner Bekleidung und jener des Angeklagten während der Übergriffe und zur Frage vermisst, ob das Mädchen den Penis des Angeklagten jedes Mal, öfters oder gar nicht beim Eincremen gespürt habe.

Soweit „zur Vermeidung von Wiederholungen“ die Ausführungen zur Mängelrüge „gleichzeitig“ als Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5a StPO geltend gemacht werden, wird der wesensmäßige Unterschied dieser Nichtigkeitsgründe verkannt (RIS‑Justiz RS0115902, RS0116733).

Mit Hinweisen auf den Auftrag der Kindsmutter an den Angeklagten, V***** G***** regelmäßig zu duschen und einzucremen, auf die Entwicklung eines Schamgefühls im Alter von acht Jahren und Aussagen des Mädchens, wonach der Angeklagte beim Duschen weder sich selbst noch sie im Intimbereich berührt hat, weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0118780). Die Kritik an den Erwägungen des Erstgerichts zum Verhalten des Angeklagten nach der Konfrontation mit den Vorwürfen sowie die Überlegungen zum Aussageverhalten des Opfers und seinen möglicherweise verzerrten Wahrnehmungen entfernen sich von einer prozessordnungsgemäßen Geltendmachung des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0117961).

Warum es für das Vorliegen einer geschlechtlichen Handlung, zu einer intensiven Berührung der Vagina, der Brüste oder des Penis gekommen sein muss, und der Begriff nicht Handlungen einschließt, bei denen zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige Körperpartien des Opfers oder Täters mit dem Körper des anderen in eine nicht bloß flüchtige sexualbezogene Berührung gebracht werden (vgl RIS-Justiz RS0078135 [T1]; s auch RIS-Justiz RS0095739; Philipp in WK 2 StGB § 202 Rz 9 f), erklärt die Subsumtionsrüge (Z 10) nicht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte