OGH 11Os135/18i

OGH11Os135/18i26.2.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Februar 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der FOI Bayer als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Johann H***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 21. August 2018, GZ 35 Hv 34/18w‑27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00135.18I.0226.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen, nämlich im Ausspruch über die Anlasstat I, unberührt bleibt, im Ausspruch über die Anlasstat II, demzufolge in der Anordnung der Unterbringung des Johann H***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Krems an der Donau verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann H***** nach § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er am 14. Mai 2018 in W***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer chronisch paranoiden Schizophrenie mit akuter Exazerbation in Verbindung mit einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, Nachgenannte gefährlich mit dem Tod bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

I) seine Schwester Regina H***** und KI R*****, indem er diesem gegenüber äußerte: „Meine Schwester die Hure, sollte ich wieder raus kommen und sie blöd ist, hau ich ihr das Messer in den Schädel damit du mich wieder holen kannst!“;

II) KI R*****, indem er unter anderem gegenüber Dr. S***** (US 4) äußerte: „Beim nächsten Mal werde ich dich umbringen!“,

sohin Taten beging, die als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.

 

Die Verfahrensrüge (Z 3) reklamiert zutreffend eine Missachtung der Bestimmung des § 159 Abs 3 StPO zufolge Vernehmung der Fachärzte für Psychiatrie Dr. S***** (ON 26 S 38 ff), Dr. M***** (ON 26 S 34 ff) und Dr. P***** (ON 26 S 37 f) in der Hauptverhandlung als Zeugen ohne Belehrung über deren Recht auf Aussageverweigerung (§ 157 Abs 1 Z 3 StPO), obwohl diese als behandelnde Ärzte des Betroffenen während seines Aufenthalts im Landesklinikum W***** Tatsachen bekundeten, die ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden sind.

Da die Feststellungen zur Anlasstat II auf „den Angaben der unmittelbaren Zeugin“ Dr. S***** beruhen (US 7), ist ein für den Nichtigkeitswerber nachteiliger Einfluss dieser Formverletzung auf die Entscheidung insoweit unzweifelhaft erkennbar (§ 281 Abs 3 erster Satz StPO; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 224, 734).

Diese Nichtigkeit erfordert die Aufhebung des Ausspruchs über die Anlasstat II sowie der (im Übrigen unter anderem auf die mit der Formverletzung behafteten Aussagen der genannten Fachärzte für Psychiatrie gegründeten – US 8 f) Unterbringungsanordnung (RIS-Justiz RS0120576, RS0090390) bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO), womit sich ein Eingehen auf das diesbezüglich weitere Vorbringen erübrigt.

Im Übrigen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde keine Berechtigung zu.

Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall; inhaltlich auch zweiter Fall) zuwider ist die – wenn auch miteinander vermengt dargestellte (US 8) – Ableitung des Bedeutungsinhalts und der Ernstlichkeit der Todesdrohung sowie der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite aus dem Wortlaut der Äußerung im Verein mit dem gesamten Verhalten des Betroffenen (seiner sich über Jahre steigernden Aggressivität; dem gegen seine Schwester gerichteten Agieren, welches zum gegenständlichen Polizeieinsatz und zur Unterbringung nach dem UbG geführt hatte – vgl zur Beurteilung der Ernstlichkeit einer sich dem Wortlaut nach manifestierenden Drohung Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 74 Rz 34) sowie dem Umstand, dass er sich selbst als Opfer „und seine Mitmenschen, insbesondere die Familie H*****, als Übel, das er auch mit Gewaltanwendung gewillt ist, zu beseitigen“, sehe, unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0092588, RS0098671, RS0116882). Soweit die Tatrichter in diesem Zusammenhang mit Formulierungen wie „zweifelsfrei“, „zwanglos“ und „lebensfremd“ ihre Gewissheit zum verbalen Ausdruck brachten, haben sie diese nicht substanzlos gebraucht, sodass die behauptete „Scheinbegründung“ (Z 5 vierter Fall) gerade nicht vorliegt (RIS‑Justiz RS0099494; RS0099483 [T3]).

Eine darüber hinausgehende „besondere“ Auseinandersetzung mit sämtlichen Beweisergebnissen in Richtung aller denkbaren (und speziell der von der Rüge gewünschten) Folgerungen verlangt das Gesetz auch bei Annahme einer qualifizierten Drohung mit dem Tod nicht (vgl RIS‑Justiz RS0098377; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 428). Dass dem Rechtsmittelwerber die Würdigung der Verfahrensresultate durch das Schöffengericht nicht überzeugend erscheint und er selbst – teils unter Berufung auf eine allgemeine „forensische Erfahrung“, teils unter Betrachtung hypothetischer Geschehensabläufe – andere, für ihn günstigere Schlüsse für plausibler erachtet, ist aus dem Blickwinkel des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes bedeutungslos (RIS‑Justiz RS0098362).

Die Beschwerdeausführungen zur „Einschätzung der Ernstlichkeit der Drohung“ durch Regina H***** und KI R***** beziehen sich auf keine entscheidende Tatsache. Ob die Bedrohten die Drohung tatsächlich ernst genommen und sich gefürchtet haben, ist für die Verwirklichung des Tatbestands der gefährlichen Drohung nach § 107 StGB nicht von Bedeutung (vgl Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 74 Rz 33). Es kommt vielmehr darauf an, wie der Täter seine Drohung verstanden wissen wollte (RIS‑Justiz RS0093082 [T9]). Insofern war das Erstgericht auch nicht verhalten (Z 5 zweiter Fall), den Umstand, dass der Schwester des Betroffenen die Äußerung nur sinngemäß überliefert worden sei, zu erörtern (RIS‑Justiz RS0106268 [T6]).

Entgegen der Darstellung der weiteren Mängelrüge erschöpft sich die Begründung der festgestellten Absicht des Beschwerdeführers (US 8), dass seine Äußerung der nicht anwesenden Bedrohten mitgeteilt würde (vgl Schwaighofer in WK2 StGB § 107 Rz 7, 13/1), nicht darin, dies sei ihm „situationsbedingt auch zweifelsfrei klar“ gewesen, sondern verweist das Schöffengericht erläuternd auf die besondere Stellung der Mittelsperson (vgl US 10) als „der ihn mitnehmende Polizeibeamte“ (US 8).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) unter teilweiser Wiederholung der eigenständig beweiswürdigenden Überlegungen der Mängelrüge zu Ernstlichkeit und Bedeutungsinhalt der Drohung (als ohne begleitende Impulsäußerung vom Betroffenen „desorientiert vor sich hingebrabbelte“ Aussage) sowie zur Absicht des Betroffenen, die Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, die von den Tatrichtern bejahte Rechtsfrage der objektiven Eignung der inkriminierten Äußerung, Regina H***** und KI R***** „Todesangst einzuflößen“ (US 8 – vgl erneut Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 74 Rz 34), zu bestreiten trachtet, und (bloß) der Bekräftigung dieser Erwägungen dienliche Urteilsannahmen einfordert, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Weshalb die Konstatierungen, der Betroffene habe gewollt, dass seine „Drohäußerung hinsichtlich KI R***** und Regina H*****“ auf die Adressaten den „Eindruck der Ernstlichkeit“ erweckt und „ernst genommen“ wird (US 4) und er habe diese „auch ernst“ gemeint (US 5), nicht hinreichend „eindeutig“ sein sollten, wird mit dem Hinweis auf eine Kommentarstelle (Leukauf/Steininger/Tipold StGB4 § 74 Rz 21), wonach es für die Annahme der Ernstlichkeit der Drohung (auch) genügt, dass die Verwirklichung ernst gemeint erscheint (vgl auch Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 74 Rz 23), nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet (RIS‑Justiz RS0116569; vgl hiezu auch Nimmervoll, Das Strafurteil über das Vergehen der gefährlichen Drohung, RZ 2012, 238 ff [242]).

Gleichfalls in einer substanzlosen Behauptung erschöpft sich das Vorbringen, wonach nur dann von der Absicht, die Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, gesprochen werden könne, wenn der Täter ein „Weitersagen, Ausrichten“ seiner Botschaften selbst angeordnet hätte (vgl hingegen erneut Schwaighofer in WK2 StGB § 107 Rz 7, 13/1 und Nimmervoll, Das Strafurteil über das Vergehen der gefährlichen Drohung, RZ 2012, 238 ff [245]).

Im gegen den Ausspruch über die Anlasstat I gerichteten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher– in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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