OGH 10ObS1/19y

OGH10ObS1/19y22.1.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter KAD Dr. Lukas Stärker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Herbert Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. A*****, vertreten durch Strohmayer Heihs Strohmayer Schlor Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 23. November 2018, GZ 7 Rs 52/18b‑35, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00001.19Y.0122.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Kläger hat den Beruf des Schlossers erlernt und übte diesen Beruf vorerst aus. Nach Absolvierung der HTL‑Abendschule war er in verschiedenen technischen Angestelltenberufen tätig. Unter anderem arbeitete er von September 2005 bis April 2011 als gewerberechtlicher Geschäftsführer im Bereich Sicherheitstechnik mit einer Entlohnung entsprechend Verwendungsgruppe 6 des Kollektivvertrags der Angestellten im Metallgewerbe. Danach arbeitete er von Jänner 2012 bis August 2013 in einer Alarmzentrale, überprüfte Alarmanlagen und übernahm den Generalvertrieb für Industrietelefone. Von September 2013 bis Oktober 2013 war der Kläger als Kundenberater für die ÖBB im Außendienst und zuletzt von Jänner bis Mai 2015 im Außendienst als technischer Angestellter im Vertrieb, Kundenservice und in der Beratung tätig. Trotz seiner medizinischen Leistungseinschränkungen sind ihm zumindest technische Angestelltentätigkeiten bis Gruppe 2 weiter möglich, ohne dass sein medizinisches Leistungskalkül überschritten wird. Dass die ab August 2013 ausgeübten Tätigkeiten keiner höheren Verwendungsgruppe als jener der Gruppe 3 zuzuordnen sind, ist nicht strittig.

Das Erstgericht wies das auf Weitergewährung der Berufsunfähigkeitspension über den 30. 11. 2016 hinaus gerichtete Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1.1 Während § 255 Abs 2 ASVG auf die während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübten Berufstätigkeiten abstellt, kommt es nach dem im vorliegenden Fall relevanten § 273 Abs 1 ASVG auf einen derartigen Zeitraum nicht an (RIS‑Justiz RS0111370). Maßgeblich ist die zuletzt nicht bloß vorübergehend ausgeübte Angestelltentätigkeit (RIS‑Justiz RS0106498, RS0084954 [T4]). Dies gilt auch nach der Änderung des § 273 Abs 1 durch das Budgetbegleitgesetz 2011, weil die Änderung bloß den Erwerb des Berufsschutzes, nicht aber die Bestimmung des Verweisungsfeldes betrifft (ErläutRV 981 BlgNR 24. GP  205; 10 ObS 112/13p, SSV‑NF 27/66). Auch nach der neuen Rechtslage liegt der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit bei Angestellten daher nur dann vor, wenn der Versicherte weder die zuletzt (nicht nur vorübergehend) ausgeübte Angestelltentätigkeit noch einer dieser Tätigkeit gleichwertige Tätigkeit im Rahmen seiner Berufsgruppe zu verrichten imstande ist.

1.2. Von diesen Grundsätzen weicht die Ansicht des Berufungsgerichts, nicht die Tätigkeit als gewerberechtlicher Geschäftsführer, sondern die zuletzt ausgeübte technische Angestelltentätigkeit im Vertrieb und Kundenservice bestimme das Verweisungsfeld, nicht ab.

2.1 Für die Frage, ob eine Tätigkeit „nicht bloß vorübergehend“ ausgeübt wurde, gibt es keine fixe Zeitgrenze. In der bisherigen Rechtsprechung wurden Zeiträume von 13 Monaten (10 ObS 158/07v) und acht Monaten (RIS‑Justiz RS0084943 [T2]) als nicht nur vorübergehend angesehen. Hingegen wurde eine eineinhalbmonatige Tätigkeit als vorübergehend bewertet (10 ObS 240/02w). Hingewiesen wird in der Rechtsprechung auch auf die inhaltliche Frage, ob sich der Versicherte, der eine andere als die bisherige Tätigkeit aufnimmt, sich vom früher ausgeübten Beruf gelöst hat (RIS‑Justiz RS0084943 [T5 und T6]; 10 ObS 158/07v).

2.2 Dem Kläger ist zuzugestehen, dass er die Tätigkeit als technischer Außendienstmitarbeiter im Zeitraum von Jänner bis Mai 2015 nur relativ kurze Zeit ausgeübt hat. Allerdings ist zu bedenken, dass er nach Beendigung seiner Tätigkeit entsprechend der Verwendungsgruppe 6 des Kollektivvertrags (der Angestellten im Metallgewerbe) im April 2011 in den Jahren 2012 und 2013 bereits als technischer Angestellter im Vertrieb und in der Kundenberatung tätig gewesen war. Im Hinblick auf diesen Berufsverlauf hält sich die Ansicht des Berufungsgerichts, bei der zuletzt durch fünf Monate (von Jänner bis Mai 2015) ausgeübten Tätigkeit als technischer Außendienstmitarbeiter im Vertrieb und im Kundenservice könne nicht von einer bloß vorübergehend ausgeübten Tätigkeit gesprochen werden, im Rahmen der ständigen Rechtsprechung, weil er mit dieser Tätigkeit an früher bereits länger ausgeübte Tätigkeiten anschließt und sich nicht dann „gelöst“ hat. Eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Entscheidung wäre für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn das Berufungsgericht den ihm zur Verfügung stehenden Beurteilungsspielraum überschritten hätte, was im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste. Wie bereits dargestellt hält sich die Entscheidung des Berufungsgerichts im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Auslegung des § 273 ASVG. Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung, dass § 273 Abs 1 ASVG keinen Schutz der im Berufsleben höchst erreichten Tätigkeit gewährt (RIS‑Justiz RS0084943 [T3]).

3. Dass der Kläger seine letzte Berufstätigkeit (nur) im Rahmen der Initiative „50 plus“ ausgeübt habe und eine zweimonatige Einarbeitungszeit zu absolvieren hatte, steht nicht fest. Insofern geht die Revision nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (RIS‑Justiz RS0043312).

Die außerordentliche Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Stichworte