OGH 1Ob219/18i

OGH1Ob219/18i20.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj C*****, vertreten durch MMag. Dr. Franz Stefan Pechmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D***** AG, *****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger und Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 5.000 EUR sA und Feststellung, über die Revision und den Rekurs der beklagten Partei gegen das Teilzwischenurteil und den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 7. September 2018, GZ 53 R 170/18h‑14, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 31. Mai 2018, GZ 2 C 145/18m‑10, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00219.18I.1220.000

 

Spruch:

Die Revision und der Rekurs werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Rechtsmittelbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die damals sechsjährige Klägerin stürzte beim Schifahren im Schigebiet der Beklagten. Sie prallte gegen einen außerhalb des präparierten Pistenbereichs befindlichen Anschlusskasten (Elektranten) einer Schneelanze der Beschneiungsanlage und verletzte sich dabei im Gesicht.

Anders als das Erstgericht nahm das Berufungsgericht eine Verletzung der Sicherungspflicht der Beklagten in Bezug auf diesen zum Unfallzeitpunkt offenen und scharfkantigen Elektranten an. Es sprach aus, dass das Leistungsbegehren im Umfang eines Teilbetrags von 2.000 EUR (an Schmerzengeld) dem Grunde nach zu Recht bestehe, hob aber im Übrigen, also im Umfang des weiteren Leistungsbegehrens von 3.000 EUR sA (wegen Verunstaltungsentschädigung, Sachschaden sowie Unkosten) und des Feststellungsbegehrens das Ersturteil samt der Kostenentscheidung auf und verwies die Rechtssache insoweit zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach zudem aus, dass die ordentliche Revision und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig seien, weil „der Frage des Erfordernisses der Absicherung einer Beschneiungsanlage in einem Bereich zwischen 2 m bis (günstigenfalls) 2,5 m außerhalb der präparierten Piste im Lichte der bisherigen Rechtsprechung“ erhebliche Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision und der Rekurs der Beklagten sind aber entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, was nur einer kurzen Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Die von der Beklagten behauptete Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt nicht vor. Dass das Berufungsgericht lediglich über das Schmerzengeldbegehren ein Zwischenurteil dem Grunde nach fällte und das Ersturteil über das restliche Klagebegehren aufhob, ergibt sich ohne jeden Zweifel aus Spruch und Begründung der Entscheidung (in Form eines Teilzwischenurteils und eines Beschlusses) des Berufungsgerichts, welches zudem erläuterte, es sei ein die Haftung aussprechendes Zwischenurteil nur beim Schmerzengeldbegehren möglich gewesen. Die Entscheidung ist daher weder widersprüchlich noch „äußerst verwirrend“. Mit ihren Ausführungen dazu, dass „unerfindlich“ bleibe, warum das Berufungsgericht nur hinsichtlich des „weiteren Leistungsbegehrens“ (wegen Verunstaltungsentschädigung, Sachschaden und Unkosten) die Notwendigkeit einer Verfahrensergänzung sieht, verkennt die Beklagte, dass auch bei einem Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs natürlich weitere Erhebungen – nämlich zur Höhe – notwendig sind.

2. Da unstrittig ist, dass sich die Klägerin bei dem Unfall verletzt hat, ist die Ansicht des Berufungsgerichts, es könne die Rechtssache im Umfang des Anspruchs auf Schmerzengeld dem Grunde nach bereits beurteilen, keinesfalls eine aufzugreifende Fehlbeurteilung. Wenn die Beklagte selbst angibt, sie erhebe „aus prozessualer Vorsicht“ nicht nur Revision, sondern auch Rekurs gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts, macht sie selbst deutlich, dass sie nicht dadurch beschwert ist, dass das Berufungsgericht über die weiteren Ansprüche – weil zum übrigen Leistungsbegehren der Eintritt eines Schadens noch nicht feststehe und auch zu Spät- und Dauerschäden bisher keine Feststellungen getroffen worden seien – noch kein Zwischenurteil über das Leistungsbegehren oder Teilurteil über das Feststellungsbegehren fällte.

2. Auch gelingt es der Beklagten nicht, in ihrem Rechtsmittelschriftsatz eine erhebliche Rechtsfrage zur im Aufhebungsbeschluss geäußerten Rechtsansicht des Berufungsgerichts (vgl RIS-Justiz RS0007094) und zu dessen Beurteilung ihrer Haftung für das Schmerzengeld dem Grunde nach aufzuwerfen:

Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrmals ausgesprochen, dass für Art und Umfang der Pistensicherungspflicht das Gesamtverhältnis zwischen der Größe und der Wahrscheinlichkeit der atypischen Gefahr sowie ihrer Abwendbarkeit einerseits durch das Gesamtverhalten eines verantwortungsbewussten Benützers der Piste und andererseits durch den Pistenhalter mit nach der Verkehrsauffassung adäquaten Mitteln maßgebend ist (zuletzt 6 Ob 30/17f mwN). Ob in diesem, im Wesentlichen von der konkreten örtlichen Situation abhängigen Rahmen, die Pistenhalterin das ihr Zumutbare unterlassen hat, entzieht sich wegen der Einzelfallbezogenheit generellen Aussagen (RIS‑Justiz RS0023237 [T3]; RS0110202; RS0109002). Der Frage des Erfordernisses der Absicherung von Einrichtungen einer Beschneiungsanlage in einem Bereich zwischen 2 m bis 2,5 m außerhalb der präparierten Piste kommt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, weil die Frage der Notwendigkeit der Absicherung und der Zumutbarkeit der dabei zu treffenden Maßnahmen eben nicht allein von der Entfernung des Objekts vom Pistenrand oder der Flachheit der Piste, sondern auch von der Ausgestaltung und Ausrichtung des zu sichernden Objekts (Elektrokasten) und – wie der vorliegende Fall zeigt – ebenso von der Situierung des sonstigen Geländes (vgl etwa zur Verpflichtung der Absicherung eines 2,6 m außerhalb der Pistenbegrenzung liegenden gefährlichen Hindernisses angesichts des konkreten Pistenverlaufs 5 Ob 528/89 = ZVR 1981/17) abhängt.

3. Das Berufungsgericht setzte sich in seiner Entscheidungsbegründung mit Judikaten des Höchstgerichts zur Absicherung des Randbereichs der Schipiste auseinander. Danach muss mit Stürzen von Schifahrern über den Pistenrand hinaus (1 Ob 110/12a mwN = Zak 2012/605; RIS-Justiz RS0023499) und auch damit, dass Schifahrer von der Piste in das ungesicherte Gelände abkommen können (vgl 3 Ob 14/18g mwN = Zak 2018/448) – wie dies auch der sechsjährigen Klägerin durch ein Verschneiden der Schi passierte – gerechnet werden.

Die Piste ist im vorliegenden Fall ein an einem Hang geführter Schiweg. Sie selbst ist zwar flach, wird aber auf der linken (westlichen) Seite vom Abhang und auf der rechten (östlichen; dort wo sich die Beschneiungslanze samt Elektrant befindet) vom aufsteigenden Hang begrenzt. Derjenige, dem an dieser Stelle durch ein unabsichtliches Aus-der-Piste-Geraten eine Kollision mit der Schneelanze samt Elektrant droht, muss dem gesamten Objekt (wobei sich die dick und zur Piste hin höher ummantelte Schneelanze selbst näher zum Pistenrand befindet als der Elektrant) ausweichen. Dass es bei einer Ausweichbewegung (oder aber auch bei einem Abkommen von der Piste knapp zuvor) nach oben in den steilen Hang hinein zu einem Sturz (zurück und nach unten) zur Piste hin, damit also „von außen kommend“ kommen kann, ist für den Pistenbetreiber absehbar und nicht damit vergleichbar, dass ein Schiläufer (bewusst) die Piste verlässt und dann „von außen“ in die Piste einfährt. Es geht also nicht darum, dass ein Pistenbetreiber auch solche Fahrten außerhalb der Piste („wilde Abfahrten“) grundsätzlich „absichern“ müsste, sondern darum, dass er damit rechnen muss, dass ein Schifahrer bei einem unabsichtlichen Abkommen aus der Piste in den Randbereich an dieser Stelle in den aufsteigenden Hang gerät und daher auf die von der Piste (schräg) weg geneigte (äußere) Seite des Objekts abrutschen oder „zurückfallen“ kann.

Darin, dass das Berufungsgericht die Verkehrssicherungspflichten der Beklagten als verletzt ansah, weil die scharfen Kanten des Blechkastens auf der in Anfahrtsrichtung (noch) der Piste schräg zugewandten bzw der zum Hang zugewandten Seite nur mit einer weit niedrigeren Schutzmatte (als das sonstige Objekt) ummantelt waren, liegt keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung oder ein Abweichen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung.

Der Kritik der Beklagten an den Ausführungen des Berufungsgerichts, dass das Gefälle der Piste im Unfallbereich mit den festgestellten 5 Grad zwar gering sei, jedoch dadurch ein Verschneiden mit den heute üblichen mehr oder weniger taillierten Schiern „begünstigt“ werde, ist zu erwidern, dass diese Überlegungen – entsprechend dem erkennbaren Verständnis des Berufungsgerichts – dahin zu präzisieren sind, dass ein Verschneiden durch ein geringes Gefälle zwar nicht häufiger geschehen mag, aber bei stärkerem Gefälle leichter und rascher korrigiert werden kann. Dieser Umstand bedurfte als Erfahrungssatz keiner Feststellungen durch das Erstgericht.

4. Die Rechtsmittel der Beklagten daher mangels erheblicher Rechtsfrage als nicht zulässig zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 40 Abs 1 und § 41 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Beantwortung nicht auf die mangelnde Zulässigkeit hingewiesen, sodass ihr Schriftsatz nicht als zweckentsprechende Rechtsverfolgungsmaßnahme angesehen werden kann (RIS-Justiz RS0035962 [T16]; RS0035979).

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